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StGB NRW-Mitteilung 723/2005 vom 14.10.2005

Anfechtung einer Bürgermeisterwahl

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 30.09.2005 (Az.: 15 A 2983/05) einen Antrag auf Zulassung der Berufung im Falle einer Anfechtung einer Bürgermeisterwahl abgelehnt. Im entschiedenen Fall ging es um unwahre Ausführungen in einer Wahlwerbedruckschrift einer Fraktion anlässlich der Bürgermeisterwahl. Im Ergebnis hatte das OVG zwar anhand des Klägervortrages keinen relevanten Wahlfehler feststellen können. Neben den bisher bekannten vier Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung hat das OVG allerdings offen gelassen, ob ein besonderer Prüfungsmaßstab für eine Wahlanfechtung dann gilt, wenn der erfolgreiche Bewerber selbst die unzulässige Wahlbeeinflussung – unmittelbar oder mittelbar – bewirkt hat. Die Entscheidung ist auszugsweise nachfolgend abgedruckt.

„Bislang sind in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts vier Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung mit je unterschiedlichem Maßstab anerkannt, nämlich die strafbare, die amtliche, die geistliche und die unter besonderem Druck vorgenommene private Wahlbeeinflussung. … Zu Recht hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung, ob ein Wahlfehler im Sinne des § 40 Abs. 1 Buchst. b des Kommunalwahlgesetzes (KWahlG) vorliegt, auf die unwahren Ausführungen in der Wahlwerbedruckschrift der X. -Fraktion nicht die Grundsätze unzulässiger amtlicher Wahlbeeinflussung angewandt. Amtliche Wahlbeeinflussung ist grundsätzlich unzulässig und unterliegt damit besonders scharfen Restriktionen, weil mit ihr hoheitliche Autorität zur Beeinflussung der Wahl in Anspruch genommen wird. Die Freiheit der Wahl erfordert aber, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können. Daraus ergibt sich, dass hoheitliche Autorität, die selbst demokratischer Legitimation bedürftig ist, nicht eingesetzt werden darf, um die Wahl als Akt demokratischer Legitimationsverschaffung zu beeinflussen. … Hier ist die X. -Fraktion zwar ein Teil des Rates und insofern in die Gemeinde als Hoheitsträger eingeordnet. Jedoch kann die Fraktion nicht die Autorität der Gemeinde in Anspruch nehmen, da sie lediglich die Auffassung der einzelnen Ratsmitglieder bündelt, die sich - hier auf der Basis derselben Parteizugehörigkeit - zu der Fraktion zusammengeschlossen haben. Daher kann eine Fraktion ebenso wenig hoheitliche Autorität für sich in Anspruch nehmen wie das einzelne Ratsmitglied, mag auch Äußerungen einer Fraktion – namentlich einer Mehrheitsfraktion – erhebliches politisches Gewicht zu kommen. Insofern beurteilt sich die Wahlbeeinflussung durch eine Fraktion ebenso wie die durch eine Partei nach den Grundsätzen privater Wahlbeeinflussung. Die Schwelle einer einen Wahlfehler darstellenden unzulässigen privaten Wahlbeeinflussung, also die unter besonderem Druck vorgenommene Einwirkung auf den Wähler, die geeignet ist, dessen Entscheidungsfreiheit ernstlich zu beeinträchtigen, … ist durch die nicht wahrheitsgemäße Darstellung in der Wahlwerbeschrift der X. - Fraktion nicht überschritten, wie das Verwaltungsgericht geurteilt hat und auch der Kläger im Zulassungsverfahren anerkennt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist Fraktionen hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes für die Verletzung der Wahlfreiheit durch Wahlbeeinflussung keine Mittelstellung in dem Sinne zuzuordnen, dass zwar einerseits nicht der strenge Maßstab für amtliche, aber auch nicht der weite Maßstab für private Wahlbeeinflussung anzulegen ist. Durch die Wahl werden Staatsorgane hervorgebracht, sodass wegen der diesen zukommenden Funktionen der Wahl größtmöglicher Bestandsschutz gebührt. Dies gebietet es wiederum, die Erheblichkeit von Wahlfehlern, die Dritte verwirklichen können, eng und strikt zu begrenzen. … Diese Erwägung gilt auch für die hier gegebene Konstellation, in der die Wahlbeeinflussung durch unrichtige Tatsachenbehauptung von einer den Wahlbewerber unterstützenden Ratsfraktion ausgeht. Der Senat lässt allerdings offen, ob über die bislang anerkannten Fallgruppen hinaus dann ein besonderer Prüfungsmaßstab gilt, wenn der erfolgreiche Bewerber selbst die unzulässige Wahlbeeinflussung - unmittelbar oder mittelbar – bewirkt hat. Da der oben genannte Grundsatz der Wahlstabilität keinen derartig weitreichenden Vorrang vor der Wahlfreiheit beanspruchen dürfte, würden ergebnisrelevante Täuschungshandlungen des erfolgreichen Wahlbewerbers die Frage einer Aberkennung seines Mandats im Wege der Wahlprüfung aufwerfen.

Vgl. dazu, dass sich dieser diskutierte Wahlfehlertatbestand bislang in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt hat, BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 – 2 BvF 1/00 -, BVerfGE 103, 111 (130); s. aber Hessischer VGH, Beschluss vom 11. Januar 200 – 8 TZ 4278/99 -, NVwZ-RR 2001, 49 (unzutreffende Angaben eines Bürgermeisterkandidaten zu seinem Familienstand als durchgreifender Wahlfehler).

Derartige Erwägungen stellen sich jedoch hier nicht: Dass der Beigeladene als erfolgreicher Kandidat sich an den vom Verwaltungsgericht festgestellten unwahren Darstellungen selbst – aktiv oder passiv - beteiligt hat, hat weder das Verwaltungsgericht festgestellt noch wird dies vom Kläger im Zulassungsverfahren behauptet.

Anmerkung der Geschäftsstelle:

Die Entscheidung zeigt, dass ein Bewerber für ein solches Amt sehr sorgfältig den Einsatz von Wahlkampfbroschüren „seiner“ Fraktion abwägen sollte, wenn in dieser Broschüre z.B. Amtsträger anderer Kommunen oder sonstiger öffentlichen Stellen für diesen Bewerber werben. Sollte dies ohne oder gegen seinen Willen erfolgen, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung künftig dahingehend tendiert, dass von dem Bewerber in solchen Fällen unmittelbar nach Kenntniserlangung einer solchen Wahlunterstützung ein aktives Gegenwirken gegen die Verbreitung dieser Wahlbroschüren verlangt wird.

Az.: I/2 024-70

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