Mitteilungen - Verband Intern

StGB NRW-Mitteilung 560/1998 vom 20.10.1998

AG Münster in Warendorf

Am 03. September 1998 tagte die Arbeitsgemeinschaft Münster im Bürgerhof der Stadt Warendorf. Nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Münster, Bürgermeister Reuscher (Stadt Sendenhorst) richtete der Bürgermeister der Stadt Warendorf, Herr Kampelmann, sein Grußwort an die über 200 Teilnehmer. Anschließend referierte der 1. Beigeordnete des NWStGB, Herr Dr. Schneider, über den aktuellen Stand und die Entwicklung der Kommunalfinanzen. Dr. Schneider betonte, daß die wirtschaftliche Lage die Kommunen stark belaste. Neben den hohen Sozialhilfeausgaben sei ein Minderaufkommen an Steuereinnahmen zu verzeichnen. Das Körperschaftssteueraufkommen stagniere. Das Aufkommen an Einkommensteuer sei erheblich zurückgegangen und stehe im krassen Widerspruch zu den Unternehmensgewinnen. Deshalb sei eine Steuerreform erforderlich. Es sei auch zu erwarten, daß die Sozialhilfe-Aufwendungen mittelfristig wieder ansteigen würden. Zwar seien Einspareffekte durch die Pflege-Versicherung bei der Sozialhilfe erzielt worden. Diese Einspareffekte bei der Pflege-Versicherung verpufften jedoch wegen der bestehenden Leistungsdeckelungen, so daß mittelfristig wieder mit einer Steigerung der Sozialhilfekosten zu rechnen sei. Die kritische finanzielle Lage der Städte und Gemeinden zeige sich auch daran, daß im Jahr 1997 bereits 137 Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit einem Haushaltssicherungskonzept leben mußten.

Dr. Schneider bedauerte, daß der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 09.07.1998 die Verfassungsbeschwerde von 200 Kommunen zur Finanzausstattung der Kommunen durch das Land abgewiesen hat. Natürlich sei klar gewesen, daß nicht in allen Punkten obsiegt werden könne. Gleichwohl hätten neuere Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Niedersachsen, Bayern und Brandenburg ermutigt, gemeinsam mit den Städten und Gemeinden diese Verfahren zu betreiben, zumal diese Gerichte bei der Frage der Kostenverlagerung und des Umfangs der Finanzausstattung die kommunalen Positionen vollinhaltlich unterstützt und entsprechende Urteile gefällt hätten. Anders als die Verfassungsgerichte der anderen Länder (z.B. Bayern und Niedersachsen) räume der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen dem Landesgesetzgeber aber einen sehr weiten, ja fast grenzenlosen Gestaltungsspielraum bei den Fragen ein, in welcher Art und in welchem Umfang er den gemeindlichen Finanzausstattungsanspruch erfülle und nach welchem System er die Finanzmittel auf die Gemeinden verteile. Der Landesgesetzgeber sei nicht gehalten, die Gründe für die Festlegung konkreter Beträge oder Verteilungskriterien im einzelnen darzulegen. Das Gleichbehandlungsgebot sei erst dann verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehle. Nach Auffassung des Gerichts sei von dem grenzenlosen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers alles abgedeckt, was nicht offensichtlich fehlerhaft, eindeutig widerlegbar, offensichtlich widersprüchlich oder offensichtlich verfassungswidrig sei. Mit dieser pauschalen "Offensichtlichkeitskontrolle" werde – so Dr. Schneider - die Schwelle der Verfassungswidrigkeit außerordentlich hochgelegt, zu hoch für einen umfassenden Rechtsschutz der Gemeinden. Das Gericht habe damit den Ball in das Spielfeld der Politik, an Landtag und Landesregierung zurückgespielt. Diese müßten sich nun mit den fortbestehenden Schwächen des kommunalen Finanzausgleichs auseinandersetzen. Die Tatsache, daß mehr als 50 % aller Städte und Gemeinden eines Landes gegen den Finanzausgleich geklagt hätten, zeige dabei, daß er nicht angemessen, sachgerecht und auskömmlich sein könne. Gerade in dem wichtigen Punkt der Höhe der Finanzausgleichsmasse stelle sich das Verfassungsgericht gegen die herrschende Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte. So würden z.B. die Gerichte in Bayern und Niedersachsen aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht einen Anspruch der Kommunen gegen das Land auf eine finanzielle Mindestausstattung ableiten. Diese sei so zu bemessen, daß die Kommunen in die Lage versetzt würden, neben den Pflichtaufgaben noch freiwillige Aufgaben zu übernehmen. Diese Rechtsprechung sei konsequent, da die Pflichtaufgaben ja vom Land und nicht von den Kommunen festgelegt würden. Könne also das Land die Mindestausstattung nicht gewährleisten, müsse es die Pflichtaufgaben reduzieren; eine andere Möglichkeit bestehe nicht.

Vor diesem Hintergrund müsse sich die Landesregierung am Beispiel Schleswig-Holstein orientieren. Dort hätten sich Regierung und Opposition darauf verständigt, analog dem Vorbild von Baden-Württemberg ein striktes Konnexitätprinzip in der Landesverfassung zu verankern. Ziel eines derartigen Prinzips sei es, den Kommunen einen finanziellen Freiraum zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu sichern. Gleichzeitig werde damit eine Warnfunktion an das Land gerichtet, wonach sich der Gesetzgeber bei Aufgabenzuweisungen an die Kommunen auch Gedanken über die Finanzierung dieser Aufgaben machen und die Finanzierung sicherstellen müsse, andernfalls sei von der Aufgabenzuweisung abzusehen. Dr. Schneider betonte, es sei deshalb unverzichtbar, die Mindestfinanzausstattung der Städte und Gemeinden zu verbessern. Es sei nicht hinnehmbar, wenn die gesamte Finanzierung unter einen Geldmittelvorbehalt gestellt werde. Insoweit gebe auch Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens keinen kostendeckenden Ausgabenschutz. Hier sei es deshalb erforderlich, die Verfassung zu ändern und ähnlich wie in Schleswig-Holstein eine strikte Konnexität einzuführen nach dem Motto "Wer die Musik bestellt, der muß sie auch bezahlen".

Daß die Landesregierung entschlossen sei, von dem Spruch aus Münster Gebrauch zu machen und weiterhin Kosten zu verlagern, zeige auch das Gemeindefinanzierungsgesetz 1999: Danach wolle die Landesregierung die Kommune zu einem sog. Spar- und Konsolidierungsbeitrag zwingen zur Entlastung des Landeshaushalts. Dieser solle darin bestehen, daß zur Finanzierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes 325 Mio. DM aus dem kommunalen Finanzausgleich, d.h. aus der kommunalen Kasse genommen werden. Dieser "Millionenklau" sei deshalb besonders kritikwürdig, weil das Land sich bereits zu Beginn des Jahres aus der Finanzierung von Kriegsflüchtlingen vollständig zurückgezogen habe und es immer noch ablehne, länger als für 4 Monate nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens die Kosten für abgelehnte Asylbewerber zu tragen. Allein hierdurch würden Kosten in Höhe von rd. 460 Mio DM auf die gemeindliche Ebene verlagert. Zähle man die 325 Mio DM aus der geplanten Befrachtung hinzu, bedeute dies, daß allein im Asylbereich das Land den Gemeinden knapp 800 Mio DM aus der kommunalen Kasse raube. Von den Gesamtkosten von 1,037 Mrd DM hätten die Gemeinden 77 % zu tragen, und dies zur Erfüllung einer staatlichen Aufgabe. Dr. Schneider unterstrich, daß den Kommunen zukünftig mehr Freiräume für Sparmaßnahmen eingeräumt werden müßten. Dies gelte vor allem für die Kindergärten. Hier müsse es in die Entscheidungsbefugnis der Städte und Gemeinden gestellt werden, wie groß eine Gruppe sein könne oder wie die Öffnungszeiten gestaltet würden. Überflüssige Standards seien abzuschaffen.

In der anschließenden Diskussion machte insbesondere der 1.Vizepräsident des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes, Herr Bürgermeister Albert Leifert (Stadt Drensteinfurt), deutlich, daß es nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes praktisch keine Rechtsmittel für Städte und Gemeinden im Hinblick auf die Finanzverteilung durch das Land mehr gebe. Der Landesgesetzgeber müsse deshalb die Landesverfassung in Art. 78 Abs.3 dahin ändern, daß eine strikte Konnexität eingeführt werde, wonach für Kosten, die durch Pflichtaufgaben der Kommunen entstehen, auch kostendeckende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Im Anschluß hieran nahm Beigeordneter Ernst Giesen, Geschäftsstelle, zu den aktuellen Entwicklungen im sozial- und jugendpolitischen Bereich Beigeordneter Ernst Giesen, Stellung. Dabei ging er einleitend auf den auf Bundesebene vorliegenden Sozialbericht ein, wonach 1996 bundesweit 50 Mrd. DM (1997: 44,4 Mrd. DM) für Sozialhilfe ausgegeben wurden, davon fast 20 Mrd. DM (1997: 20,2 Mrd. DM) für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Ferner nahm er Bezug auf den Bericht des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung zu den Sozialhilfeempfängern NRW 1996, wonach Anfang 1997 insgesamt 667.000 Menschen auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen waren. Dies bedeute 5,2 % mehr als im Vorjahr und Ausgaben allein in diesem Bereich von 5,3 Mrd. DM. Vor dem Hintergrund, daß von diesen Sozialhilfeempfängern weit über 10 % im Alter von 15 bis 25 Jahren sind, verdeutlichte Beigeordneter Giesen die Notwendigkeit einer noch stärkeren Verzahnung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Zweifellos gebe es ein ganz nennenswertes Potential, durch gezielte Ansprache und Bemühungen – wie etwa der Initiative "Jugend in Arbeit" oder durch die START Teilzeit GmbH – gerade junge Leute aus der Sozialhilfe herauszuholen.

Die Geschäftsstelle führe zum Schwerpunkt "Hilfe zur Arbeit" Mitte September bereits ihr zweites Fortbildungsseminar durch. Im Vordergrund ständen dabei auch die Erfahrungen von Städten und Gemeinden, die mit zusätzlichen Aktivitäten bei der Hilfe zur Arbeit spürbaren beschäftigungspolitischen Erfolg hatten und letztlich auch zur Reduzierung beim Sozialhilfeaufwand gelangt sind.

Ausführlich ging Beigeordneter Giesen auf die Notwendigkeit ein, durch klare Verantwortlichkeiten im Bereich der allgemeinen Sozialhilfe die Identifizierung von Politik und Verwaltung vor Ort mit den sozialhilfepolitischen Aufgaben zu stärken. In diesem Zusammenhang unterstrich er die Forderung des Verbandspräsidiums, den Ansatz partnerschaftlich entwickelter Modelle auf Kreisebene zur gemeindlichen Beteiligung am Sozialhilfeaufwand weiter zu verbreitern. Die Landesebene müsse über die Verlagerung der Zuständigkeit als örtlicher Träger der Sozialhilfe von den Kreisen auf die kreisangehörigen Städte und Gemeinden entscheiden können. Unabdingbare Voraussetzung von Zuständigkeitsverlagerungen seien jedoch funktionierende Ausgleichsmaßnahmen im Hinblick auf die damit verbundenen Lastenverschiebungen.

Abschließend informierte Beigeordneter Giesen über den aktuellen Regierungsentwurf zur Novellierung des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder einschließlich des Änderungsentwurfs zur Betriebskostenverordnung. Steigende Betriebskosten, sinkende Steuereinnahmen und der zunehmend drohende Rückzug der Kirchen aus der Verantwortung führten Land und Kommunen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit im Kindergartenbereich. Deutlich werde dies beim Anstieg der Betriebskosten für Kindergärten von 800 Mio. DM Anfang der 90-er Jahre auf 1,61 Mrd. DM im Etatentwurf des Landes für 1999. Gebraucht werde eine neue Balance zwischen pädagogisch Gewünschtem und dem finanzpolitisch Vertretbaren. Auf der Grundlage von Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände, der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und der Kirchen sowie der Jugendämter enthielten die vom Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit verantworteten Vorschläge zur Änderung des GTK und der BKVO folgende Kernpunkte:

  • Abkopplung der Förderung der Sachkosten von der Förderung der Personalkosten
  • nachfrageorientierte Anpassung des Personals in Kindergartengruppen am Nachmittag
  • Erprobungsmöglichkeiten im Hinblick auf neue Angebotskonzepte mit dem Ziel einer allgemeinen Angebotsflexibilisierung
  • Absenkung der Finanzierungsanteile der Träger an den Betriebskosten
  • Dynamisierung des Elternbeitragsaufkommens entsprechend der Steigerung der Gehälter der Erzieherinnen.

Die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene Abkehr von der bisherigen Angebotsorientierung der Kindergärten hin zu einer Bedarfsstruktur ermögliche letztlich eine deutliche Absenkung der Finanzierungsanteile der Träger an den Betriebskosten. Der Städte- und Gemeindebund erwarte allerdings auch, daß sich die Kirchen und die freien Wohlfahrtsverbände an ihr Versprechen halten, weder bedarfsgerechte Einrichtungen oder Gruppen aus finanziellen Gründen zu schließen noch Umwandlungen von Trägerschaften durchzuführen, um höhere öffentliche Zuschüsse zu erhalten. Geschätzt würden Einsparungen in Höhe von 300 Mio. DM im Jahre 1999 bzw. 440 Mio. DM ab 2000. Im Anschluß an eine öffentliche Anhörung voraussichtlich noch im Oktober sei von einer baldigen Verabschiedung des GTK-Entwurfs auf der Basis der vorliegenden Formulierungen auszugehen.

Az.: II

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