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StGB NRW-Mitteilung 671/2005 vom 07.09.2005

Änderungen beim Gaststättenrecht

Das „Gesetz zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen“ ist am 01.07.2005 in Kraft getreten. Dabei sind auch Änderungen des Gaststättengesetzes vorgenommen worden, zu denen die kommunalen Bundesspitzenverbände nicht angehört wurden. Im nachfolgend auszugsweise abgedruckten Schreiben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes werden aktuelle Probleme dem zuständigen Ministerium angezeigt und zur Äußerung gebeten. Sobald der Geschäftsstelle das Anwortschreiben bekannt wird, wird sie umgehend darüber berichten.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

am 01.07.2005 ist das „Gesetz zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen“ in Kraft getreten. Das Gesetz sieht eine Reihe von Änderungen bestehender Gesetze vor. Hierbei sind vor allem die §§ 1 bis 3 Gaststättengesetz zu nennen. Zu diesen Änderungen, die erst im Gesetzgebungsverfahren hinzugekommen sind, ist eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände unterblieben, weshalb wir uns nun erst im nach hinein äußern können.

Nach bisheriger Rechtslage war der Betrieb eines Gaststättengewerbes grundsätzlich erlaubnispflichtig (§ 2 Abs. 1 Gaststättengesetz). Nunmehr sieht die neue Regelung eine Ausweitung der Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 2 Gaststättengesetz vor. Letztlich ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 2 Gaststättengesetzes nur noch derjenige Betreiber erlaubnispflichtig, der (auch) alkoholhaltige Getränke anbietet. Insbesondere der Wegfall des Erlaubnistatbestandes „Verabreichen von zubereiteten Speisen“ hat weitreichende Konsequenzen und ist aus Sicht der Kommunen als äußerst bedenklich anzusehen.

Bei den nunmehr erlaubnisfreien Gaststätten handelt es sich im Wesentlichen um Imbissbetriebe und Trinkhallen. Aus den in der Vergangenheit durchgeführten Erlaubnisverfahren ist den Behörden bekannt, dass dieser Gewerbezweig wegen der vergleichsweise niedrigen Aufwendungen für Pacht und sonstige Betriebskosten für Existenzgründer einerseits besonders attraktiv ist, diese Existenzgründer aber andererseits oftmals nur über rudimentäre Kenntnisse der Lebensmittelhygiene verfügen. Die bisher einer Erlaubniserteilung regelmäßig vorgeschaltete „Abnahme“ im Zusammenhang mit der Beurteilung der räumlichen Voraussetzungen durch die Erlaubnisbehörde konnte im Zusammenspiel mit dem obligatorischen Unterrichtungsverfahren durch die zuständige Industrie- und Handelskammer stets dazu beitragen, gaststättentypische Gesundheitsgefahren wirksam zu bekämpfen. Auch künftig werden die genannten Betriebe der regelmäßigen Überprüfung im Rahmen der Lebensmittelüberwachung unterliegen; die zuständigen Stellen werden jedoch frühestens mit Eingang einer Gewerbeanzeige nach § 14 Gewerbeordnung Kenntnis von deren Existenz erlangen. Die damit verbundenen Effizienzverluste für die Gefahrenabwehr werden von den Kommunen kritisch gesehen. Bereits die Erfahrungen der wenigen Wochen seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung zeigen, dass auch die Betreiber „regulärer“ Schank- und Speisewirtschaften mit Blick auf die mit der Erlaubniserteilung verbundenen Verwaltungsgebühren behaupten, auf einen Alkoholausschank verzichten zu wollen, um damit im erlaubnisfreien Bereich zu bleiben.

Fraglich ist auch, ob die Änderung des Gaststättengesetzes für die betroffenen Gewerbetreibenden tatsächlich einen spürbaren Bürokratieabbau mit sich bringt. Mit Ausnahme der Beherbergungsbetriebe bleiben trotz Wegfalls der Erlaubnispflicht die fraglichen Betriebe Gaststätten im Sinne des Gesetzes. Dies hat zur Folge, dass Anordnungen zur Abwehr gaststättentypischer Gefahren auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Gaststättengesetz nicht nur möglich, sondern von den zuständigen Behörden im Zweifel auch zwingend vorzunehmen sind. Die durch das Gaststättengesetz geschützten Gäste, die in den Gaststättenbetrieben beschäftigten Personen, die Bewohner der Betriebs- bzw. Nachbargrundstücke sowie die Allgemeinheit haben nach wie vor einklagbare Rechtsansprüche auf gefahrenabwehrende Maßnahmen. Bisher konnten bereits im Erlaubnisverfahren alle für den künftigen Gastwirt bedeutsamen Aspekte - von den Belangen der Bauaufsicht bis hin zu ggf. erforderlichen Beschäftigungsverboten für gewerberechtlich unzuverlässige Familienangehörige - koordiniert werden. Der gebündelte Sachverstand der Gaststättenbehörden kommt viel zu spät zum Einsatz: nämlich, wenn Gefahren bereits eingetreten sind. Das neue Gaststättengesetz führt insgesamt aus den o.g. Gründen zu einer erhöhten Ermittlungstätigkeit der Behörden, zu aufwändigeren Ordnungsverfügungen und damit zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Dies kann nicht Sinn und Zweck von Bürokratieabbau und Deregulierung sein.

Es ist zwar damit zu rechnen, dass das neue Gaststättengesetz kurzfristig durch den Wegfall von Erlaubnisverfahren im Gaststättenbereich zu einer Arbeitsentlastung führen wird. Mit Blick in die nähere Zukunft gehen wir jedoch davon aus, dass es zu massiven Beschwerden aus der Bevölkerung, entsprechenden Ersuchen der Polizei, der Finanzämter etc. kommen wird. Dies wird eine deutliche Zunahme an kommunalen ordnungsbehördlichen Anordnungen zur Gefahrenabwehr auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 Gaststättengesetz bzw. an langwierigen Gewerbeuntersagungsverfahren nach § 35 Gewerbeordnung zur Folge haben.

Auch bestehen Ungereimtheiten im Verhältnis von § 3 zu § 1 sowie im Verhältnis von § 2 zu § 3. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Gaststättengesetzes sieht nämlich vor, in der Erlaubnisurkunde die Betriebsart zu bezeichnen, die sich “... insbesondere nach den Betriebszeiten und der Art der Getränke, der zubereiteten Speisen, der Beherbergung und der Darbietungen bestimmt“. Nach § 2 Abs. 2 bedarf aber einer Erlaubnis nicht, wer u.a. zubereitete Speisen und alkoholfreie Getränke verabreicht, Beherbergungsbetriebe sind gar keine Gaststätten mehr.

Dass das Gaststättengesetz in sich nicht mehr schlüssig ist, wird auch an folgenden Beispielen aus der Praxis deutlich: Ein Gewerbetreibender beabsichtigt, aus seinem mobilen Imbisswagen heraus Speisen und alkoholfreie Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle zu verabreichen, möchte also ein Gaststättengewerbe im Reisegewerbe betreiben (§1 Abs. 2 Gaststättengesetz). Eine Erlaubnis oder Gestattung ist nicht erforderlich, da die Befreiungstatbestände des § 2 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 3 greifen. Eine Reisegewerbekarte nach § 55 Gewerbeordnung kann nicht erteilt werden, weil § 13 Abs. 1 Gaststättengesetz die Anwendung von Titel III Gewerbeordnung ausschließt. Eine Gewerbeanzeige nach § 14 Gewerbeordnung scheidet ebenfalls aus, da Voraussetzung dafür eine Ausübung der Tätigkeit im stehenden Gewerbe wäre. Hieraus folgt, dass die gewerbliche Tätigkeit aufgenommen werden kann, ohne dass die Gewerbebehörde und die Finanzbehörden überhaupt Kenntnis davon erlangen! Lebensmittelrechtliche Überprüfungen, eine steuerliche Erfassung und nicht zuletzt ggf. zur Gefahrenabwehr erforderlich werdende Anordnungen nach § 5 Abs. 2 Gaststättengesetz sind im Zweifel davon abhängig, ob ein solcher Imbisswagen bei einer zufälligen Kontrolle auffällig wird.

Schließlich ist ein fehlender Unterrichtungsnachweis im Gaststättenerlaubnisverfahren entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 4 Gaststättengesetz nach wie vor ein zwingender Versagungsgrund. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Unterrichtung (Eintag-Veranstaltung bei der IHK) zum einen im Wesentlichen die Vermittlung lebensmittelhygienischer Kenntnisse zum Inhalt hat, zum anderen von Personen, die zubereitete Speisen abgeben, gar nicht mehr besucht werden muss.

Az.: I/2 102-30

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