Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 391/2001 vom 20.06.2001

Abwasserbeseitigung und Y-Prinzip

Aufgrund einer entsprechender Anfrage eine Mitgliedsgemeinde weist die Geschäftsstelle auf folgendes hin: Eine Gemeinde ist nicht verpflichtet, private Pumpenanlagen und private Abwasserleitungen auf privaten Grundstücken zu übernehmen, wenn sie diese in ihrer Entwässerungssatzung (Abwasserbeseitigungssatzung) nicht zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage erklärt hat. Nach § 18 a Abs. 2 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i.V.m. § 53 Abs. 1 Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) ist die Gemeinde zwar verpflichtet, das Abwasser von den privaten Grundstücken in ihrem Gemeindegebiet zu beseitigen. Dabei umfaßt die Abwasserbeseitigung bzw. die Abwasserbeseitigungspflicht nach § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG auch das "Sammeln" von Abwasser. Aus dem Begriff "Sammeln" in § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG kann aber nicht entnommen werden, daß die Gemeinde automatisch gemeinsame Anschlußleitungen auf Privatgrundstücken und entsprechende Pumpanlagen auf Privatgrundstücken in ihre öffentliche Abwasseranlage (gemeindliche Abwasserentsorgungseinrichtung) übernehmen muß. Es wird zwar vereinzelt vertreten, daß im Hinblick auf den Begriff der Abwasserbeseitigung, der auch das "Sammeln" umfaßt, solche gemeinsamen Anschlußleitungen automatisch Bestandteil der Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde sind (vgl. zum sog. Y-Prinzip: Nisipeanu, Abwasserrecht, 1991, S. 454; zu undiffenrenziert auch: Dahme in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, Loseblatt-Kommentar, § 18 a Rz. 6). Diese Sichtweise verkennt allerdings, daß der Begriff "Sammeln" in § 18 a Abs. 1 Satz 3 WhG im öffentlichen Interesse lediglich die Übernahme des Abwassers ab einem bestimmten Übergabepunkt (z.B. ab der privaten Grundstücksgrenze oder ab Anschlußstutzen am Kanal in der Straße) in die Verantwortung der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde verlangt. Der Begriff "Sammeln" in § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG ist deshalb im Sinne von "Sammeln und Fortleiten mit dem Ziel der öffentlichen Abwasserbeseitigung/-reinigung" zu verstehen. Hieraus folgt, daß nicht jedes "Sammeln" von Abwasser auf privaten Grundstücken bereits dem Sammelbegriff in § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG unterfällt, sondern ein Sammeln von Abwasser auf privaten Grundstücken grundsätzlich zunächst erfolgt, um es der Gemeindekanalisation in Erfüllung des Anschluß- und Benutzungszwanges bzw. der Abwasserüberlassungspflicht zuzuleiten, wo dann erstmalig das "Sammeln und Fortleiten des Abwassers" im Sinne des § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG mit dem Ziel der öffentlichen Beseitigung/Reinigung einsetzt (vgl. Becker, Abwasser-Report 4/99, S. 46ff.; Czychowski, WHG, Kommentar, 7. Aufl. 1998, § 18 a WHG Rz. 4). In diese Richtung geht auch ein Urteil des OVG NRW vom 15.02.2000 (Az.: 15 A 5328/96) zum Kanalanschlußbeitragsrecht. In diesem Urteil führt das OVG NRW auf Seite 19 der Urteilsgründe aus, daß für die Zugehörigkeit von Abwasserleitungen zur öffentlichen Abwasseranlage maßgeblich sei, ob die jeweilige Leitung der abwassermäßigen Erschließung aller an einer Verkehrsfläche liegenden Grundstücke ( dann ist die Leitung Teil des Kanalnetzes) oder nur der Ableitung des Abwassers einzelner Grundstücke in deren Sonderinteresse (dann ist die Leitung Grundstücksanschlußleitung für mehrere Grundstücke) diene. Diese Unterscheidung ist sachgerecht, zumal eine sehr weite Ausdehnung des Begriffes "Sammeln" in § 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG anderenfalls dazu führen würde, daß auch Abwasserfallrohre in privaten Häusern bereits der öffentlichen Abwasseranlage zugeordnet werden müßten, weil in hausinternen Abwasserfallrohren das Abwasser aus verschiedenen Anfallstellen wie z.B. Toiletten, Waschbecken, Badewannen, Duschen zusammengeführt und damit gesammelt wird. Ebenso würden privat betriebene Abwasser-Vorbehandlungsanlagen (wie z.B. Fettabscheider) sowie Kleinkläranlagen und abflußlose Gruben als "Abwassersammelanlagen" automatisch zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage erklärt. Grundsätzlich unterfällt aber nur das Sammeln von (vorgesammelten) Abwasser aus sog. abflußlosen Gruben und das Sammeln von Klärschlamm aus Kleinkläranlagen mit Fäkalienwagen (sog. rollender Kanal) der Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinde (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 LWG NRW; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 17.03.1999 – Az.: 23 B 97.1115 – BayVBl. 1999, S. 438; OVG Magdeburg, Beschluss vom 10.03.1997 , ZfW 1998, S. 383). Schließlich wird dem Begriff "Sammeln" im Interesse des Grundwasserschutzes und der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung in vollem Umfang dadurch Rechnung getragen, daß ab einem bestimmten Übergabepunkt außerhalb der privaten Grundstücke im öffentlichen Verkehrsraum bzw. ab der privaten Grundstücksgrenze bzw. ab dem Anschlußstutzen am Hauptkanal in der Straße das "Sammeln des Abwassers" mit dem Ziel der Abwasserbeseitigung/-reinigung in öffentlicher Verantwortung" beginnt (vgl. hierzu auch: Becker, Abwasser-Report 4/99, S. 46ff.). Diese Sichtweise entspricht auch § 10 Abs. 3 KAG NRW. Dort ist geregelt, daß die Gemeinde satzungsrechtlich festlegen kann, ob Grundstücksanschlußleitungen, d.h. die Leitungsstrecke von dem Kanal in der Straße bis zur privaten Grundstücksgrenze oder aber auch Hausanschlußleitungen, d.h. die Leitungsstrecke von der privaten Grundstücksgrenze bis zum Gebäude auf dem Grundstück, in welchem Abwasser anfällt, zur öffentlichen Abwasseranlage gehören oder nicht. Im übrigen werden Abwasserleitungen erst dann zum Bestandteil der gemeindlichen Abwasseranlage, wenn sie zum Bestandteil dieser öffentlichen Abwasseranlage gewidmet worden sind (vgl. zur Widmung: OVG NRW, Urteil vom 25.08. 1995 – Az. 9 A 3886/93). Wenn die Gemeinde in ihrer Satzung bestimmt hat, daß gemeinsame Hausanschlußleitungen auf privaten Grundstücken und Pumpenanlagen auf privaten Grundstücken nicht zum Bestandteil der gemeindlichen Abwasseranlagen gehören, so fehlt es im Regelfall auch an einer Widmung. (vgl. hierzu auch Becker, Abwasser-Report 4/99). Auch haftungsrechtlich ist das sog. Y-Prinzip nicht sachgerecht. Denn es würde dazu führen, daß die Gemeinde für Schäden haftet, die durch undichte gemeinsame Grundstücksanschlußleitungen auf privaten Grundstücken verursacht werden (§ 22 Abs. 2 WHG) und daß, obwohl diese Anschlußleitungen auf privaten Grundstücken von der Gemeinde nicht erstellt wurden und als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks regelmäßig nicht in ihrem Eigentum stehen. Eine solche Haftung geht sogar über die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für Anlagen hinaus und ist mit haftungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Dies gilt im übrigen auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach § 324 StGB. Auch gebührenrechtlich ist das sog. Y-Prinzip nicht tragfähig. Denn würden private Abwasserleitungen automatisch Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage, so würden sich die Gemeinden veranlaßt sehen, Kosten der Sanierung (Reparatur, Erneuerung) in die Gebührenkalkulation einzustellen. Dieses hätte einen erheblichen Anstieg der Abwassergebühr zur Folge und es würden diejenigen Grundstückseigentümer zur Mitfinanzierung herangezogen, die nur über eine alleinige Anschlußleitung für ihr Grundstück verfügen. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich, zumal die Herstellung gemeinsamer Anschlußleitungen ausschließlich im Interesse der Grundstückseigentümer liegt. Dies ergibt sich auch aus der Muster-Entwässerungssatzung. Hier ist in § 13 Abs. 1 grundsätzlich bestimmt, daß jedes Grundstück mit einer eigenen Anschlußleitung an die gemeindliche Abwasseranlage anzuschließen ist. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Anschlußleitung z.B. bei Doppelhaushälften und Reihenhäusern wird durch die Gemeinde nach § 13 Abs. 7 der Muster-Entwässerungssatzung nur ausnahmsweise auf Antrag zugelassen. Die gemeinsamen Anschlußleitungen dienen insoweit allein dem Interesse der Grundstückseigentümer, denn es geht darum, Kosten bei dem Anschluß der privaten Grundstücke an die gemeindliche Abwasseranlage einzusparen. Außerdem dienen gemeinsame Anschlußleitungen wie auch getrennte (eigenständige) Anschlußleitungen der Erfüllung des Anschluß- und Benutzungszwanges an die öffentliche Abwasseranlage. Ihre Herstellung und Unterhaltung liegt damit allein im Sonderinteresse des jeweiligen Grundstückseigentümers. Dieses entspricht auch der Rechtsprechung des OVG NRW, wonach es allgemeinen rechtlichen Grundsätzen entspricht und keiner besonderen Regelung in der Abwasserentsorgungssatzung bedarf, daß ein Grundstückseigentümer, der sich im eigenen Interesse und zur Erfüllung seines Anschluß- und Benutzungszwanges an die öffentliche Abwasseranlage anschließen will bzw. muß, den Anschluß grundsätzlich selbst und auf eigene Kosten herzustellen und zu unterhalten hat (so: OVG NRW, Urteil vom 10.10.1997, - Az.: 22 A 2742/94, NWVBl. 1998, S. 198).

Az.: II/2 24-30

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