Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 433/1997 vom 20.08.1997

Abfall zur Beseitigung - Abfall zur Verwertung

Seit dem Inkrafttreten des neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) am 7. Oktober 1996 sind in zahlreichen Mitgliedsstädten und -gemeinden Unsicherheiten im Hinblick auf die Abfallüberlassungspflichten nach § 13 KrW-/AbfG aufgetreten. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Abfallüberlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift sind "Abfälle zur Beseitigung" aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen (z.B. aus Industrie- und Gewerbebetrieben) den Kommunen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dann zu überlassen, soweit diese "Abfälle zur Beseitigung" nicht durch die Abfallerzeuger/

Abfallbesitzer in eigenen Anlagen beseitigt werden oder überwiegende öffentliche Interessen eine Abfallüberlassung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erfordern. In diesem Zusammenhang bereitet vor allem die Abgrenzung der "Abfälle zur Beseitigung" von den "Abfällen zur Verwertung" Schwierigkeiten. Die Geschäftsstelle hatte deshalb das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen im November 1996 darum gebeten, diese Unsicherheiten zu beseitigen und ähnlich wie die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Hessen und Rheinland-Pfalz ein Merkblatt zu den Abfallüberlassungspflichten nach § 13 KrW-/AbfG herauszugeben. Das Umweltministerium NW hatte der Geschäftsstelle hierauf mit Schreiben vom 10. Januar 1997 das Merkblatt "Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen und von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen (Gewerbeabfälle) nach dem KrW-/AbfG" zur Kenntnis gegeben. Dieses Merkblatt ist den Mitgliedsstädten und

-gemeinden mit Schnellbrief vom 22.01.1997 (Az.: IV/2 31-02/31-06 qu/sb) zur Kenntnis gegeben worden.

Zwischenzeitlich liegen zur Frage der Abgrenzung der "Abfälle zur Beseitigung" von den "Abfällen zur Verwertung" erste, verwaltungsgerichtliche Beschlüsse vor.

Das VG Aachen hat mit Beschluß vom 3. Juli 1997 (Az.: 7 L 950/967) die Verfügung einer Stadt für rechtmäßig erklärt, mit welcher gegenüber einem Tankstellenbetreiber der Anschluß- und Benutzungszwang für "Abfälle zur Beseitigung" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeordnet worden war. Streitentscheidend war, daß Tankstellenbetreiber im Hinblick auf die streitbefangenen Abfälle nicht darlegen konnte und nachgewiesen hat, daß es sich bei diesen Abfällen um "Abfälle zur Verwertung" handelt. Insbesondere vermochte der Tankstellenbetreiber nicht nachzuweisen, wer wann und vor welcher Verwertung den zunächst, erfahrungsgemäß aus vielerlei unterschiedlichen, zum Teil auch nicht verwertbaren Stoffen mit Restmüllcharakter bestehenden Tankstellenabfall voneinander trennt. Der Tankstellenbetreiber selbst hatte vorgegeben, ihm sei es nicht möglich , die Abfälle aus den Abfallkörben auf dem Tankstellengelände täglich zu trennen. Weiterhin konnte aber auch nicht dargelegt werden, daß das mit der Abfallentsorgung durch den Tankstellenbetreiber beauftragte private Entsorgungsunternehmen eine Sortierung zwecks späterer Verwertung der Abfälle durchführt.

In einem Beschluß vom 04. Juni 1997 (Az.: VG 10 A 88.97) hat das VG Berlin entschieden, daß auf der Grundlage einer Allgemeinverfügung gemäß § 35 Satz 2 VwVfG nicht generell bestimmt werden kann, daß Baustellenabfälle einschließlich Bauschutt mit einem Störstoffanteil von mehr als 5 Volumenprozent (ASN 91206) als "Abfälle zur Beseitigung" anzusehen sind. Das VG Berlin führt in diesem Zusammenhang aus, daß tatsächlich vieles dafür spricht, daß jedenfalls nicht alle Baumischabfälle mit einem Störstoffanteil von über 5 Volumenprozent als "Abfälle zur Beseitigung" klassifiziert werden können. Denn allein mit der Feststellung eines Störstoffanteiles von 5 Volumenprozent oder mehr sei noch nichts darüber gesagt, um welche Störstoffe und insbesondere um welche Hauptstoffe es sich bei dem gemischten Bauabfall handele. Es sei durchaus denkbar und komme in der Praxis auch vor, daß von einzelnen Abfallchargen sogar der weit überwiegende Teil verwertbar sei und tatsächlich verwertet werde, wenn eine entsprechende Trennung erfolgt sei. Schon diese - schlicht tatsächliche - Betrachtung lege es nahe, eher davon auszugehen, daß mit dem Vorliegen von Baumischabfall mit einem Störstoffanteil von mehr als 5 Volumenprozent noch nicht eindeutig geklärt sei, ob es sich um Abfall zur Verwertung oder solchen zur Beseitigung handele. Wegen der Unterschiede jeder einzelnen Abfallcharge dürfe es vielmehr auf eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles ankommen, so daß für eine Feststellung genereller Art kein Raum sei.

Das VG Düsseldorf hat mit Beschluß vom 11. März 1997 (Az.: 17 L 1216/97) zur Trennung von unsortierten Baustellenabfällen und sonstigen Mischfraktionen entschieden, daß nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG eine stoffliche Verwertung (nur) dann vorliegt, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen abfallbestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Diese wie auf weitere Hauptzweck-Klauseln des KrW-/AbfG hätten nach dem Gesetzgebungsverfahren die normative Funktion die Umgehung und den Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Kreislaufwirtschaft zu verhindern. In dem entscheidenden Fall vermochte das VG Düsseldorf aufgrund der Tatsachenlage eine "Scheinverwertung" allerdings nicht festzustellen

Ein Mißbrauchstatbestand ist nach dem VG Düsseldorf u.a. die bewußte Vermischung von Abfällen zur Verwertung mit minderwertigen Abfällen zur Beseitigung, um dadurch die weiter existierende öffentlich-rechtliche Institution der Abfallbeseitigung zu unterlaufen. Solche Vermischungen hatte der Antragsteller nach Auffassung des VG Düsseldorf nicht vorgenommen, weil er die Abfälle nach der Natur der Sache je nach Abfallart und Anfallort gesammelt, in Mulden in seiner Halle zusammengeführt und dann nach Zusammenstellung von rationellen, transportfähigen Chargen zu den Sortier- bzw. Klassieranlagen abführen ließ.

Weiterhin hat das VG Düsseldorf ausgeführt:

"Es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, daß der Antragsteller gegen die Grundpflichten der Verwertung nach § 5 Abs. 2 f., §§ 6, 7 KrW-/AbfG verstoßen hat. Die gesetzliche Pflicht zur Getrennthaltung - § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG - ist bislang abfallverwertungstechnisch nach § 7 KrW-/AbfG nicht konkretisiert und ausgestaltet. Ob die Getrennthaltung von Anfang an vorgenommen und erst im Laufe der weiteren Entsorgungshandlungen eingeführt wird, ist bei dieser Sachlage eine Frage der wirtschaftlichen und kostenmäßigen Ausgestaltung, wenn nicht zugleich gegen die Grundpflicht der schadlosen Verwertung, § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG, verstoßen wird. Das liegt angesichts der gegebenen und von den Beteiligten geschilderten Sachlage hier fern, da es sich bei dem vorhandenen, gesammelten und in Sortierungsanlagen zugeführten Abfällen überwiegend um feste und nicht flüssige Abfallsorten handelt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß, von Ausnahmen abgesehen hier Schadstoffanreicherungen bei Abfällen zur Verwertung im Wirtschaftskreislauf erfolgen.

In der gegenwärtigen Übergangsphase bis zur vollen Ausgestaltung der Kreislaufwirtschaft dürfte nach alledem angesichts der gegebenen tatsächlichen Verhältnisse des vorliegenden Falles überwiegendes dafür sprechen, daß der Antragsteller im Rahmen der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen Hilfshandlungen in Vorbereitung der Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen (zur Verwertung) vorgenommen hat, die er in den Grenzen der gesetzlichen Verwertungspflicht vornehmen durfte (vgl. Petersen/Ried, Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, NJW 1995, 7), diesem Gesetzeszweck hätte der Antragsteller bei der ihm durch die angefochtene Ordnungsverfügung gebotenen Überlassung der Abfälle an die Kreisdeponie - zur Beseitigung - nicht genügen können, da diese Entsorgungsanlage über eine Wertstoffsortiereinrichtung nicht verfügt."

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin, daß unter Berücksichtigung der vorstehenden verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse Prozeßrisiken bestehen können, falls ein Mißbrauchtatbestand, d.h. eine Scheinverwertung durch ein offensichtliches Umdeklarieren von "Abfällen zur Beseitigung" zu "Abfällen zur Verwertung", nicht nachweisbar ist. Es empfiehlt sich daher, eine sorgfältige Prüfung im jeweiligen Einzelfall vorzunehmen. Der Fall, der dem Beschluß des VG Aachen zugrunde gelegen hat, kann insoweit als beispielhaft bezeichnet werden. Jedenfalls sollte davon Abstand genommen werden, in einer Allgemeinverfügung gemäß § 35 S.2 VwVfG pauschal festzulegen, daß Abfallfraktionen mit einem bestimmten Störstoffanteil generell überlassungspflichtige "Abfälle zur Beseitigung" sind.

Weiterhin weist die Geschäftsstelle darauf hin, daß die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zuletzt mit Datum vom 19.12.1996 ein Abgrenzungspapier "Abfälle zur Beseitigung - Abfälle zur Verwertung" erarbeitet hat. Dieses Abgrenzungspapier ist noch nicht endgültig verabschiedet. Vielmehr soll das Papier im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft nochmals in den Einzelheiten diskutiert werden, um insbesondere bestehende Meinungsunterschiede über Einzelpunkte aufzulösen. Es bleibt abzuwarten, welches Ergebnis aus der Bund-Länder-Besprechung für die Verwaltungspraxis resultieren wird.

Az.: IV/2 31-06 qu/sb

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