Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit

StGB NRW-Mitteilung 417/2009 vom 10.07.2009

13. Kinder- und Jugendbericht veröffentlicht

Der 13. Kinder- und Jugendbericht widmet sich dem Thema „Gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe“. Er wurde im Auftrag der Bundesregierung durch eine interdisziplinär zusammengesetzte Kommission von Sachverständigen unter Vorsitz von Prof. Dr. Heiner Keupp erstellt und im Januar 2009 der Bundesregierung übergeben. Mit der Vorlage des 13. Kinder- und Jugendberichts kommt die Bundesregierung ihrer gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 84 Achtes Buch Sozialgesetzbuch — Kinder- und Jugendhilfe — (SGB VIII) nach. Zusammen mit der Stellungnahme der Bundesregierung ist der 316-seitige Bericht als Bundestagsdrucksache 16/12860 erschienen und auch online abrufbar.

 Als ein Ergebnis enthält der Bericht Empfehlungen. Diese werden anhand von 12 Leitlinien vorgestellt. Auf der Basis dieser Leitlinien wurde schließlich vonseiten der Kommission eine ganze Reihe von Empfehlungen im Sinne von „nächsten Schritten“ formuliert. Diese richten sich erstens an die Fachpraxis der Kinder- und Jugendhilfe, zweitens arbeitsfeldübergreifend an die beteiligten Institutionen in den gesundheitsbezogenen Netzwerken (neben Kinder- und Jugendhilfe vor allem Gesundheitssystem, Behindertenhilfe/Rehabilitation, Schule) und drittens an die Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene.

 Zentrale Punkte sind dabei unter anderem:

 — Gesundheitsförderung muss fachlicher Standard in der Kinder- und Jugendhilfe werden; besondere Bedeutung als Aufgaben für die Praxis kommen dabei der Förderung des achtsamen Umgangs mit dem eigenen und fremden Körper, der Sprache und Kommunikation  sowie der Ausbildung von Kohärenz bzw. Selbstwirksamkeit zu. Daraus ergeben sich eine Reihe von Herausforderungen, so u. a. für die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die Ausbildung entsprechender institutioneller Kulturen.

 — Die Strategien zur gesundheitsbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung müssen in allen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell stärker an den unterschiedlichen Verläufen gesundheitlicher Entwicklung und den jeweiligen Ressourcen bei Mädchen und Jungen ausgerichtet werden. Zu beachten sind dabei vor allem Genderaspekte und die Bedingungen des Aufwachsens in Armutslagen, mit Migrationshintergründen und mit Behinderung. Entscheidend ist, dass diese Strategien vor allem auf der kommunalen Ebene ansetzen und greifen.

 — Angebote für Kinder chronisch und psychisch kranker Eltern müssen verbessert und die entsprechenden kooperativen Angebote ausgebaut werden.

 — Die Hilfsangebote für traumatisierte Kinder und Jugendliche müssen mehr Aufmerksamkeit erhalten. Im Kompetenzprofil der Fachkräfte muss die Sensibilität für die Situation von traumatisierten Kindern und Jugendlichen einen höheren Stellenwert erhalten.

 — Notwendig ist der flächendeckende Auf- und Ausbau von Netzwerken, in denen die Angebote von Kinder- und Jugendhilfe, des Gesundheitssystems und der Behindertenhilfe zielgruppenspezifisch gebündelt werden. Das gilt für die frühe Förderung von Familien ebenso wie für die Kindertagesbetreuung, die Schnittstelle zur Schule und inklusive Unterstützungssysteme für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung.

 — Notwendig ist eine stärkere fachliche und politische Aufmerksamkeit für die gesundheitlichen Herausforderungen und Risiken des Schul- und Jugendalters, beginnend mit dem Schuleintritt.

 — Bereits volljährige junge schwangere Frauen, die sich in belastenden, unsicheren Lebenssituationen befinden, bedürfen ergänzend zur medizinischen Schwangerschaftsvorsorge der besonderen Unterstützung — ggf. zusammen mit ihrem Partner. Viele dieser Frauen übernehmen die Verantwortung, ihr Kind alleine zu versorgen und zu erziehen. Sie gehen damit das höchste Armutsrisiko in unserer Gesellschaft ein. Ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden und auch das ihrer Kinder sind häufig in hohem Maße bedroht. Im Interesse der gesunden Entwicklung und zum Schutz des Kindes stellt sich der Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitssystem eine komplexe Aufgabe: Sie schließt sowohl die berufliche und psychosoziale Förderung der Mütter ein als auch die Entwicklungsförderung der Kinder. Es bedarf der gesetzlichen Regelung, dass diese notwendige Unterstützung zukünftig vonseiten der Kinder- und Jugendhilfe in verbindlicher Kooperation mit dem Gesundheitssystem regelhaft erbracht werden kann.

 — Gefordert wird ein bundesweites Register für Fälle von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung sowie ein besseres Gesundheitsmonitoring (u. a. auch auf kommunaler Ebene, das mit der Bildungsplanung und Jugendhilfeplanung gekoppelt ist).

 — Unter dem Stichwort „Verringerung ungleicher Gesundheitschancen als vorrangiges nationales Gesundheitsziel“ fordert die Sachverständigenkommission das Zusammenwirken aller beteiligten Ressorts. Dazu gehört neben der Investition in Bildung und Qualifikation auch die Verbesserung der materiellen Lage armer Haushalte mit Kindern — unter besonderer Berücksichtigung der sozio-ökonomischen Lage Alleinerziehender, Arbeitsloser und Migrantinnen und Migranten sowie die allgemeine Verbesserung der materiellen Lage von Haushalten mit Kindern.

 Um den eigenen Empfehlungen Nachdruck zu verleihen, hat die Sachverständigenkommission schließlich fünf aus ihrer Sicht besonders dringliche Gesundheitsziele für die nächsten fünf Jahre formuliert und sie an überprüfbare Erfolgskriterien gekoppelt. Diese richten sich an alle für die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Verantwortlichen:

 — Frühe Förderung der Entwicklung von Kindern: Auf- und Ausbau einer flächendeckenden, breit angelegten und umfassenden kommunalen Infrastruktur zur frühen Förderung und Unterstützung von allen Familien von der Schwangerschaft bis ins Vorschulalter. Die Ziele: die systematische und frühe Förderung der Entwicklung von Kindern und die Reduktion der Fälle von Vernachlässigung und Kindeswohlgefährdung in den nächsten fünf Jahren.

 — Ernährung und Bewegung: Kontinuierliche, fachlich qualifizierte Angebote der Bewegungsförderung und kostenfreie, gesunde Verpflegung für alle Heranwachsenden in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und Schule, ohne dass dies zu Kürzungen an anderer Stelle führt. Das Ziel: In den nächsten fünf Jahren steigt das Übergewicht bei Heranwachsenden nicht weiter an.

 — Sprache/Kommunikation: Verbesserung der frühen Sprachförderung, mit dem Ziel Sprachkompetenzen zu steigern — insbesondere von Kindern aus belastenden Lebenslagen und mit Migrationshintergrund. Das Ziel: 95 Prozent aller Kinder verfügen bei der Einschulung über adäquate Sprachkompetenzen.

 — Schulbezogene Gesundheitsförderung: Flächendeckender Auf- und Ausbau der Angebote und Netzwerke der gesundheitsbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung von Heranwachsenden im Schulalter im Rahmen von Maßnahmen und Angeboten schulbezogener Kinder- und Jugendhilfe. Das Ziel: Aufbau von schulbezogener Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der gesundheitsbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung, beginnend mit dem Primarbereich und insbesondere in der schulischen Ganztagsbetreuung, in mindestens 25 Prozent aller Schulen und Schultypen in den nächsten fünf Jahren.

 — Psychosoziale Entwicklung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter: Umfassendere Unterstützung der psychosozialen Entwicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft. Die Ziele: Die psychosozialen Auffälligkeiten von Jugendlichen sind in fünf Jahren um 10 Prozent vermindert. Überprüfung der Auftretenshäufigkeiten von psychischen und Verhaltensauffälligkeiten bei der nächsten umfassenden Untersuchung (z. B. im Rahmen einer KiGGS-Fortschreibung).

Az.: III 701

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