Schlaglichter vom Hauptausschuss

"Kommunen im Zeitalter der Nachhaltigkeit" lautete das Motto des StGB NRW-Hauptausschusses am 14. Mai 2024 im Heinz-Nixdorf-Museumsforum in der Stadt Paderborn. Rund 150 Gremienmitglieder aus Städten und Gemeinden tauschten sich im Rahmen der Tagung über aktuelle Entwicklungen und kommunale Perspektiven aus. Im Fokus stand insbesondere die prekäre Finanzlage.

Klare Ansagen zur Eröffnung

In seiner Eröffnungsrede ging Präsident Prof. Dr. Christoph Landscheidt direkt zu Beginn auf die aktuellen, sehr besorgniserregenden Entwicklungen ein: Auf der einen Seite die Angriffe auf Politiker und das Ehrenamt, auf der anderen die schwindende Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden.

Landscheidt ging auf die untrennbare Verbindung von Demokratie und der Leistungsfähigkeit staatlicher Strukturen vor Ort ein: "Handlungsunfähige Kommunen sind ein Brandbeschleuniger für weitere Polarisierung und Extremismus. Probleme und Missstände in den Städten und Gemeinden haben immer die Falschen auf die Bühne geholt."

Landscheidt zitiert die Worte von Hendrik Wüst

Dabei erinnerte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes an die ganz ähnlichen Worte von Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der jüngsten Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindebundes. Dort nämlich betonte Wüst, Vertrauen in Staat und Demokratie setze handlungsfähige Kommunen voraus.

Landscheidt mahnte vor diesem Hintergrund eine verantwortungsvolle Finanzpolitik an, die den Belangen der Städte und Gemeinden gerecht werde. Die Realität sei nach wie vor weit davon entfernt. So machte Landscheidt einen besorgnisserregenden Trend im Handeln des Landes aus: "Finanzielle Belastungen werden über Jahrzehnte auf die lange Bank geschoben. Im Klartext: Die Kommunen sollen die Suppe selber auslöffeln durch eine kommunale Eigenfinanzierung", so Landscheidt. In all diesen Fällen zeige sich das immergleiche Muster: "Was das Land uns anbietet, ist nur noch Hilfe zur Selbsthilfe". Landscheidt stellte klar: "Das werden wir nicht akzeptieren."

Präsident Landscheidt ging auf weitere zentrale Themen der Kommunen ein, darunter insbesondere die Reform der Schulfinanzierung, die Finanzierungsnot der Kitas, die Perspektiven für die Aufnahmevon Geflüchteten oder die kommunale Wärmeplanung. Immer wieder klingt an: Eine Schlüsselrolle spielt die nicht auskömmliche Finanzierung der Städte und Gemeinden.

Ein herzliches Willkommen der Stadt Paderborn

Im Anschluss an die mit viel Applaus bedachte Eröffnungsrede begrüßte Gastgeber Michael Dreier, StGB NRW-Vizepräsident und Bürgermeister der Stadt Paderborn, die Mitglieder des Hauptausschusses und bedankte sich herzlich für die Unterstützung der kommunalen Sache durch Städte- und Gemeindebund, sowohl auf Bundes-, als auch Landesebene.

Die durch Präsident Landscheidt beschriebenen Probleme seien auch in Paderborn zu spüren, betonte Dreier. Ihm sei wichtig, den mittlerweile 158.000 Einwohnern eine Heimat bieten zu können. Der Bürgermeister führte mit Hilfe einiger Bilder ein in die wichtigsten Pläne und Entwicklungen in der Stadt. Dazu zählten insbesondere Investitionen in die Infrastruktur. Beim Blick in die Zukunft sehe auch er sich gezwungen, sich Sorgen zu machen: Paderborn bringe nur mit Hilfe des Eigenkapitals einen genehmigungsfähigen Haushalt zustande, fahre aber perspektivisch ebenso auf der Felge.

Grußwort vom Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski

Per Video zugeschaltet wurde Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei NRW und Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten. Er räumt ein, dass in diesen Tagen die Kommunen nicht nur durch gemeinsame Herausforderungen, sondern auch Konflikte mit dem Land verbunden sind. Liminski beschwor in diesem Sinne die Partnerschaft von Land und Kommunen als Verantwortungsgemeinschaft.

Applaus erhielt er für seine klare Absage an Gewalt im politischen Diskurs, ganz gleich welche politischen Motive ihr zugrundeliegen. Es brauche nun eine klare Haltung aller Demokratinnen und Demokraten, ergänzend aber auch den offenen Blick auf die Frage, was die Menschen umtreibt und zu Angst oder auch Wut führt. Das aktuelle, potenziell "toxische Gemisch" gelte es sehr ernst zu nehmen. Das beste Mittel gegen den Populismus sei ein funktionierender Staat.

Liminski ging zudem auf die Finanzlage der Kommunen ein. Er wisse, wie angespannt diese sei. Die Landesregierung habe versucht, mit Änderungen im kommunalen Haushaltsrecht und anderen Maßnahmen für Entlastung zu sorgen. Er sei sich aber darüber im Klaren, dass die Probleme damit nicht aus der Welt geschafft seien. Gleichwohl ließen diese sich nicht allein mit Geld lösen. Daher habe man in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden den Abbau von Standards ins Auge gefasst.

Konflikt um die Grundsteuerreform

Auch die tagesaktuellen Entwicklungen um die Grundsteuer fanden Erwähnung: Während der Hauptausschuss  tagte, bereiteten die Regierungsfraktionen einen Gesetzentwurf vor, der eine kommunale Hebesatzdifferenzierung vorsieht. Zuvor hatten die kommunalen Spitzenverbände entsprechende Pläne kategorisch abgelehnt.

Liminski räumte ein, er sei sich darüber im Klaren, dass der Gesetzentwurf vielen nicht gefallen werde. Als Land werde man dabei im Sinner der Verantwortungsgemeinschaft an der Seite der Kommunen stehen und so gut wie möglich unterstützen, etwa bei der Formulierung von Satzungen und im Bereich IT. Wenige Augenblicke später unterstrich der Städte- und Gemeindebund in einem Medienstatement seine Kritik an dem Vorhaben.

Berghegger: Dezentralität ist unsere Stärke

Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, betonte in einem weiteren Grußwort die Bedeutung funktionierender Strukturen vor Ort. Die Belange der Städte und Gemeinden gelte es deutlich früher in den politischen Prozess einzubringen. Leitmaß müsse das Prinzip sein, Dinge vom Ende her zu denken.

"Wir müssen uns auf das Machbare konzentrieren und für die tatsächliche Situation der Kommunen sensibilisieren", so Berghegger. Zu oft noch würden Vorhaben gesetzlich geregelt, ohne die praktischen Folgen einer Umsetzung ausreichend zu berücksichtigen. Berghegger ging außerdem auf das zunehmend raue Klima in Deutschland ein und warb dafür, mehr miteinander zu sprechen und andere Meinungen auszuhalten.

Martin Dornieden, Geschäftsführer der Dornieden Gruppe und Sponsor der Tagung, stellt in einem kurzen Impuls die Leistungen und Ziele des Unternehmens vor. Das Unternehmen hat sich zuletzt vor allem durch Lösungen für preisgünstigen Wohnraum einen Namen gemacht. In einer Präsentation zeigte er unter anderem Modelle für die schnelle und kostengünstige Unterbringung von Geflüchteten, etwa durch einen standardisierten Geschosswohnungsbau.

Impuls: Wohin geht die Reise mit erneuerbaren Energien?

Den Nachmittagsteil eröffnete Prof. Timo Leukefeld, erwiesener Fachmann für den Umgang erneuerbarer Energien im Bau- und Wohnbereich. Er stellte seine Ideen und erste praktische Erfahrungen mit dem Bau bzw der Sanierung von Gebäuden als energieautarkes Haus vor. Teil seiner Zukunftsvision: In zehn Jahren sind Gebäudehüllen seiner Überzeugung nach zum überwiegenden Teil Energiequellen, indem sie auf ihren Flächen Sonnenenergie verwerten.

Dabei greift Leukefeld unter anderem auf Interesse der Hirnforschung zurück zur Frage, was Menschen motivieren kann, auch schwierige Aufgabe - wie etwa eine Energiewende - zu tragen und anzugehen. Leukefelds schlichte Antwort: Regulierungen und Verbote erzeugen nur Verdruss wie unlängst beim Heizungsgesetz zu beobachten. Stattdessen brauche es Begeisterung und Anreize. Gute Erfahrungen habe er etwa mit einer Energieflatrate und einem E-Auto für die ganze Siedlung gemacht, dessen Kosten in der Miete inbegriffen sind. Das Zauberwort: Flatrate.

Beste Werbung für Autarkie

Eigentlich müsse man deutlich weniger Technik in Häusern verbauen, da die Instandhaltungskosten bei immer weniger Handwerkern weiter in die Höhe schössen. Auch in der Hinsicht warb Leukefeld für energie-autarke Häuser mit einer nachbarschaftlichen Vernetzung von Speichern, so dass Energie effizient genutzt werden kann. So können sich Nachbarn gegenseitig Überschüsse zur Verfügung stellen oder auch das öffentliche Netz entlasten.

Bewohner eines energieautarken Mehrfamilienhauses zahlen im Leukefeld-Modell langfristig stabile und damit kalkulierbare Pauschalmieten mit Energie-Flatrate, die neben Wärme und Strom auch E-Mobilität umfasst. Leukefeld zufolge bieten solche Modelle Wohnungswirtschaft, Energieversorgungs-Unternehmen und Banken interessante und lukrative Geschäftsmodelle.

Podiumsdiskussion zur Lage der Kommunalfinanzen

Nach den Formalia und einer kurzen Umbaupause ging es über in die Podiumsdiskussion mit einer interessanten Runde: Auf der Bühne trafen Präsident Prof. Dr. Landscheidt der Hauptgeschäftsführer des DStGB, Dr. André Berghegger, Birgit Maria Rosczyk (NRW.BANK), Michael Esken (gpaNRW) und Staatssekretär Daniel Sieveke vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Digitalisierung aufeinander. Die Moderation übernahm wie in den Vorjahren souverän der WDR-Journalist Michael Brocker.

Zur Einführung äußerte sich Esken markant zur Frage, wo die Kommunen denn überhaupt noch sparen könnten: "Die Zitrone ist bereits ausgepresst, jetzt geht es an die Zitronenschale", so der Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt NRW. Erschwerend hinzu kämen die sinkenden Steuereinnahmen, steigende Kosten und wachsende Aufgaben.

Hauptgeschäftsführer Berghegger sah darin eine drängende Aufgabe, in der Politik mehr für die Situation der Kommunen und damit das Machbare zu sensibilisieren. Staatssekretär Sieveke versicherte, das Land werde die Kommunen nicht im Regen stehen lassen, sei aber nicht in der Lage, alle Probleme zu lösen. Ministerin Scharrenbach stehe auch in schlechten Zeiten an der Seite der Kommunen, das Land habe sich mehrfach gegen bundesgesetzliche Vorhaben zu Lasten der Kommunen zur Wehr gesetzt und etwa die Mittel zur Flüchtlingsfinanzierung vollständig an die Städte und Gemeinden weitergereicht. Klare Antworten zur Frage von Moderator Michael Brocker, was die aktuelle Landesregierung denn darüber hinaus Hilfreiches für die Kommunen geleistet habe, blieb Sieveke allerdings schuldig.

Präsident Landscheidt nahm das zum Anlass, erneut auf eine finanzielle Grundausstattung der Kommunen zu pochen. Nur so ließen sich Krisen überstehen, so ließe sich der Begriff Verantwortungsgemeinschaft in die Tat umsetzen.

Sinn und Unsinn von Förderprogrammen

Mehrfach wurde über Sinn und Unsinn von Förderprogrammen gesprochen. Birgit Maria Rosczyk von der NRW.Bank betonte, auch für eine Förderung gebe es sicherlich Grenzen, die Probleme ließen sich nicht mit enem einzigen Instrument aus der Welt schaffen. Gleichwohl stehe die NRW.BANK in regelmäßigem engen Austausch mit den Städten und Gemeinden, um Bedarfe zu erfassen. So stünden hilfreiche Programme zur Förderung von Infrastruktur oder zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung.

Präsident Landscheidt konnte dem wenig abgewinnen. Zwar habe eine Förderung oft schon Gutes bewirkt. Aber mittlerweile seien die Kommunen in einer Situation keine Förderprogramme mehr wollten, sondern vielmehr eine strukturelle Grundfinanzierung. DStGB-Hauptgeschäftsführer Berghegger wies darauf hin, dass diejenigen, die am meisten Unterstützung benötigen, oftmals nicht davon profitieren können: Sie hätten noch nicht mal das Personal für die Anträge. Sieveke verwies abschließend auf bewährte Förderprogramme wie die Städtebauförderung, aber auch die Erfahrung, dass eine Förderung Impulse freisetzen kann, die dann zur Belastung werden, wenn die Gelder auslaufen.

Angeregter Austausch zum Ausklang

Eine kurze Bilanz zog zum Abschluss Dr. Eckhard Ruthemeyer, 1. Vizepräsident des Verbandes und Bürgermeister der Stadt Soest. Die Lage der Finanzen werde die Kommunen dauerhaft beschäftigen. Er empfahl den Besuchern des Hauptausschusses, dennoch positive Botschaften mitzunehmen und verwies als Beispiel auf die die Ideen aus dem Vortrag von Prof. Leukefeld über die wirtschaftlichen Perspektiven der Energiewende und das serielle Bauen.

Zum Ausklang sprachen bei einem Sektempfang Staatssekretär Daniel Sieveke, MHKBD, und Prof. Dr. Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe ein Grußwort. Etliche Teilnehmer tauschten sich im Anschluss bei einem gemeinsamen Essen über die Eindrücke der Veranstaltungen aus.

Demokratie vor Ort wieder handlungsfähig machen

Der Hauptausschuss wurde durch umfangreiche Pressearbeit begleitet. Am frühen erschien eine Pressemitteilung, in der Präsident Prof. Dr. Landscheidt für eine lebendige Demokratie vor Ort wirbt und die klare Forderung formuliert: Macht die Kommunen wieder handlungsfähig!

Die Neue Westfälische veröffentlichte am Tag des Hauptausschusses zudem ein Interview mit Präsident Prof. Dr. Christoph Landscheidt. Darin sprach er eine bittere Konsequenz der dauerhafen Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden mit deutlichen Worten an: "Wenn dauerhaft zu wenig Geld vom Land kommt, haben die Kommunen kaum andere Möglichkeiten, als die Grundsteuer oder die Gewerbesteuer zu erhöhen." Das Gespräch ist auf kommunen.nrw in Auszügen dokumentiert.

Am Vortag hatte bereits das Präsidium im historischen Rathaus der Stadt Paderborn getagt. Die darin vertretenen Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Ratsleute setzten sich vor allem mit der prekären Lage der Komunalfinanzen, aber auch der Rolle von Standards als einer weiteren erheblichen Belastung auseinander. Tenor: Unter derart schwierigen Rahmenbedingungen werden man sie nicht halten können, geschweige denn den Kommunen weitere Aufgaben zuweisen.

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