Heft Juni 2008

Kürzung der Beihilfe durch Kostendämpfungs-Pauschale

Mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist es vereinbar, Beamten eine pauschalierte Eigenbeteiligung an den Krankheitskosten aufzuerlegen.

BVerwG, Urteile vom 20. März 2008
- Az.: 2 C 49.07, 2 C 52.07, 2 C 63.07 -

In den entschiedenen Revisionsverfahren ging es um die Wirksamkeit einer Regelung der nordrhein-westfälischen Beihilfeverordnung, die eine nach Besoldungsgruppen gestaffelte jährliche Eigenbeteiligung zwischen 150 und 750 Euro vorsieht (Kostendämpfungspauschale).

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat der 2. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts die Klagen von Beamten abgewiesen, die auf Zahlung von Beihilfe für Krankheitskosten ohne Abzug der Kostendämpfungspauschale gerichtet waren. Zwar sei der Dienstherr verpflichtet, den angemessenen Lebensunterhalt seiner Beamten und deren Familien auch im Krankheitsfall sicherzustellen. Hierzu diene gegenwärtig ein Mischsystem aus Eigenvorsorge, d.h. dem Abschluss einer aus der Besoldung finanzierten Krankenversicherung, und ergänzender Kostendeckung aus staatlichen Mitteln (Beihilfen).

Allerdings könnten die Beamten nicht darauf vertrauen, dass ihnen diejenigen Krankheitskosten, die nicht durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung gedeckt werden, stets ohne Abstriche im Wege der Beihilfe erstattet werden. Aus der Fürsorgepflicht folgen danach keine Ansprüche auf vollständige Kostendeckung. Sie verlange lediglich, dass Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleiben, die sie weder aus der Besoldung bestreiten noch durch zumutbare Eigenvorsorge absichern können.

Pauschalierte Eigenbeteiligungen an den Krankheitskosten wirken sich als Besoldungskürzungen aus. Daher könnten sie Anlass geben zu prüfen, ob das Nettoeinkommen der Beamten noch das Niveau aufweist, das der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gewährleistung eines angemessenen Lebensunterhaltes fordert. Nach diesem Grundsatz müsse der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass die Beamtenbesoldung nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt wird, d.h. deutlich hinter dieser Entwicklung zurückbleibt. Genüge das Nettoeinkommen der Beamten eines Bundeslandes diesen verfassungsrechtlich vorgegebenen Anforderungen nicht mehr, so müsse der Gesetzgeber diesen Zustand beenden.

Dabei seien ihm keine bestimmten Maßnahmen vorgegeben. So könne er die Dienstbezüge erhöhen, aber auch die Kostendämpfungspauschale streichen oder die Absenkung der jährlichen Sonderzuwendung rückgängig machen. Aufgrund dieses Gestaltungsspielraums könne das Einkommensniveau der Beamten nicht im Rahmen von Klagen auf höhere Beihilfe überprüft werden. Vielmehr seien sie darauf verwiesen, Klagen auf Feststellung zu erheben, dass sich bei Anwendung der besoldungsrechtlich relevanten Gesetze in ihrer Gesamtheit ein verfassungswidrig zu niedriges Nettoeinkommen ergibt.

Grundsteuererlass bei atypischem Leerstand

Mit Anerkennung des strukturell bedingten Leerstandes als berücksichtigungsfähig für einen Grundsteuererlass gem. § 33 Abs. 1 GrStG durch das Bundesverwaltungsgericht ist kein genereller Verzicht auf das Merkmal der „Atypizität“ eines Leerstandes im Übrigen verbunden. Erforderlich gewordene Modernisierungs- und/oder Sanierungsmaßnahmen bei älteren Objekten bedingen in der Regel noch keine „Atypizität“ eines damit verbundenen Leerstandes.

OVG Münster, Urteil vom 18. Januar 2008
- Az.: 14 A 461/07 -

In dem zugrundeliegenden Fall begehrte die Klägerin für mehrere Objekte einen Grundsteuererlass. Zur Begründung berief sie sich darauf, es seien wesentliche Ertragsminderungen aufgrund von Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen und der damit verbundenen Nichtvermietungen festzustellen. Dieser Antrag war abgelehnt, der Widerspruch zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, Modernisierungs- und/oder Sanierungsmaßnahmen bei einem alten Wohnungsbestand begründeten nicht die erforderliche „Atypizität“ für einen den Grundsteuererlass berücksichtigungsfähigen Leerstand.

Zur Begründung führt das OVG Folgendes aus:

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG können die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses wegen Minderung des normalen Rohertrages nur erfüllt sein, wenn der geringe Ertrag eines Grundstückes auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgeht, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch sind. Dieser Grundsatz sei auch nicht dadurch in Zweifel zu ziehen, dass sich das BVerwG mit Beschluss vom 24.04.2007 (GmS-OGB 1/07) auf die Kritik des BFH dessen Rechtsprechung angeschlossen hat und nunmehr auch strukturell bedingte Ertragsminderungen als Erlassgrund anerkennt.

Es sei nicht erkennbar, dass damit eine grundsätzliche Änderung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verbunden ist in dem Sinn, dass auf den Gesichtspunkt der „Atypizität“ in jedem Fall zu verzichten sei und damit im Ergebnis jeder Leerstand als für einen Grundsteuererlass berücksichtigungsfähig in Betracht kommen könnte. Hiergegen spreche bereits die Formulierung im Beschluss des BVerwG vom 24.04.2007, wonach nicht nur atypische Ertragsminderungen, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen in Betracht kommen.

Ein durch die Modernisierungs-/Sanierungsmaßnahmen bedingter Leerstand ist nach Auffassung des OVG NRW nicht atypisch. Die Situation, dass ein Vermieter seinen Wohnungsbestand maßgerecht modernisiert, um ihn auch weiterhin einer möglichst effektiven wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen, oder saniert, um durch Zeitablauf und/oder Nutzung bedingte Beeinträchtigungen der Bausubstanz zu beseitigen, und der daraus folgende zeitweise Leerstand fallen nicht aus dem Rahmen einer üblichen Wohnungsbewirtschaftung. Derartige Erfordernisse seien zwangsläufig mit dem Vermieten älterer Objekte verbunden. Jedem Vermieter solcher Objekte sei es von vornherein bekannt, dass grundlegende Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen auf ihn zukommen. Solche Maßnahmen fallen nach Auffassung des OVG NRW typischerweise in den Risikobereich des jeweiligen Eigentümers.

Zur Eingrenzung des Erlassgrundes „strukturell bedingter Leerstand“ enthält das Urteil die Aussage, dass dieser dann anzunehmen ist, wenn ein Leerstand auf eine nachhaltige und länger andauernde Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen ist.

Nach diesem Urteil ist für die Prüfung des Erlassantrags somit immer zu prüfen, ob der Leerstand atypisch ist.

Sofortige Bestattung und Menschenwürde

Nach dem Auffinden eines Leichnams muss ein Ordnungsamt mit Nachdruck versuchen, die Angehörigen zu ermitteln und zu benachrichtigen, bevor es die Bestattung anordnet (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 29. April 2008
- Az.: 19 A 3665/06 -

Damit hat das OVG zwei Brüdern Recht gegeben, von denen die Stadt 1.622,18 € für die Notbestattung ihres dritten Bruders verlangte. Das Verwaltungsgericht Köln hatte zuvor ihre Klage abgewiesen.

Vermieter und Polizei hatten den stark verwesten Leichnam des 45-Jährigen am Morgen eines heißen Augusttages in seiner Wohnung gefunden. Er lebte allein und war als Diabetiker an akutem Herz-Kreislaufversagen gestorben. Weil die Wohnung bereits voller Ungeziefer war, beauftragte das Ordnungsamt sofort einen Bestatter. Dieser beerdigte den Verstorbenen noch am Nachmittag desselben Tages in einem Reihengrab auf einem nahe gelegenen Friedhof. Vormittags hatte das Ordnungsamt ermittelt, dass einer der beiden klagenden Brüder im Jahr zuvor in einen Nachbarort verzogen war. Die neue Adresse ergab sich aus dem Melderegister. Da er nicht im Telefonbuch stand, informierte es ihn per Brief über den Tod des Bruders. Nicht ermittelt hatte es den anderen Bruder, der nur wenige hundert Meter vom Rathaus entfernt wohnte. Er war ebenfalls ordnungsgemäß gemeldet und im Telefonbuch eingetragen.

Die beiden Brüder kritisierten es als extrem pietätlos, die Bestattung quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne Familie und nächste Angehörige vorzunehmen. Die Stadt habe ihnen eine würdevolle Beisetzung im Rahmen einer Trauerfeier verwehrt. Sie hätten weder den Friedhof noch das Grab, die letzte Bekleidung, den Sarg oder den Blumenschmuck aussuchen können. Auch in einem solchen Notfall hätte die Stadt den Leichnam wenigstens für ein bis zwei Tage in einem Kühlraum aufbewahren müssen, um den Angehörigen einen angemessenen Abschied zu ermöglichen. Geeignete Kühlräume hätten nicht nur rechtsmedizinische Institute, sondern auch zahlreiche Bestattungsunternehmen und die Krematorien.

Der Senat ist dieser Argumentation im Ergebnis gefolgt. Er hat die sofortige Beerdigung des verstorbenen Bruders als einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip im Bestattungsrecht gewertet. Danach treffe die Bestattungspflicht vorrangig die Angehörigen. Erst wenn sie dieser Pflicht nicht nachkämen oder alle zumutbaren Maßnahmen zu ihrer Ermittlung und Benachrichtigung erfolglos geblieben seien, setze die Bestattungspflicht der Gemeinde ein. Vorher dürfe sie die Bestattung nicht vornehmen, weil dies gegen die Menschenwürde des Verstorbenen verstoßen könne.

Dieses oberste Verfassungsprinzip wirke über den Tod hinaus und gebiete eine Bestattung möglichst nach den Wünschen des Verstorbenen. Bei Leichenfunden sei die Ermittlung dieser Wünsche in der Regel nur über die Angehörigen möglich. Auch deren Recht auf Totenfürsorge genieße Verfassungsrang. Aus dem hohen Rang dieser Rechtsgüter ergebe sich für die Ordnungsbehörde die Pflicht, nach einem Leichenfund mit allem Nachdruck Ermittlungen nach den Angehörigen aufzunehmen und diese, wenn sie sie rechtzeitig erreicht, zur Bestattung zu veranlassen.

Das gelte auch dann, wenn ein Leichenfund mit erheblicher Gesundheitsgefahr verbunden sei. Zur Beseitigung dieser Gefahr sei hier nur die sofortige Räumung der Wohnung, nicht aber auch die sofortige Bestattung der Leiche erforderlich gewesen. Die Ordnungsbehörde sei verpflichtet, geeignete Vorkehrungen für die kurzzeitige Aufbewahrung auch eines verwesten Leichnams zu treffen. Dazu müsse sie nicht selbst Kühlräume vorhalten, sondern könne sich auch durch vertragliche Vereinbarungen Zugang hierzu verschaffen. Dies sei ihr wegen der Seltenheit solcher Fälle auch finanziell zumutbar, zumal die Kosten für eine kurzzeitige Kühlung grundsätzlich erstattungsfähig seien.

© StGB NRW 2008

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