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StGB NRW-Mitteilung 580/2023 vom 06.09.2023

Vertrauensverlust in die Demokratie

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage der Körber-Stiftung, die im Juni und Juli dieses Jahres durchgeführt wurde, zeigen eine kritische Bewertung der Demokratie, ihrer Institutionen und Akteure. Obwohl demokratische Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit, Meinungsfreiheit und faire Wahlen für über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung von hoher Bedeutung sind, zeigt die Umfrage einen deutlichen Rückgang des Vertrauens in die deutsche Demokratie selbst.

Während im Herbst 2021 30 Prozent der Befragten angab, weniger großes oder geringes Vertrauen in die deutsche Demokratie zu haben, sind es im Sommer 2023 mehr als die Hälfte der Deutschen (54 Prozent). Auch das Vertrauen in die Parteien ist stark rückläufig. Gaben im Jahr 2020 noch 29 Prozent der Bürger/innen an, Parteien zu vertrauen, so sank der Wert auf 20 Prozent im Jahr 2021 und erreicht mit aktuell nur 9 Prozent einen dramatischen Tiefpunkt. 71 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass führende Leute in Politik und Medien in ihrer eigenen Welt leben, aus der sie auf den Rest der Bevölkerung herabschauen. 46 Prozent der Deutschen finden, dass es weniger bis gar nicht gerecht im Land zugeht.

Insgesamt genießen die kommunalen Einrichtungen stärkeres Vertrauen der Bürger/innen als Institutionen auf Bundesebene. So vertrauen zum Beispiel 36 Prozent dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin, aber nur 19 Prozent der Bundesregierung. Das persönliche Engagement der Befragten in der Kommunalpolitik hält sich allerdings in Grenzen: Nur 8 Prozent geben an, sich kommunalpolitisch zu engagieren, davon sind zwei Drittel männlich. Über die Hälfte der Befragten (55 Prozent) meint, dass Frauen mehr Entlastung in der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen brauchen, um sich politisch zu engagieren. Unabhängig vom Geschlecht ist der große Zeitaufwand der Hauptgrund, warum sich die Befragten nicht in der Kommunalpolitik engagieren (34 Prozent). Mangelndes Zutrauen folgt auf Platz zwei mit 28 Prozent. Aber auch Angst vor Hass und Hetze (21 Prozent) und der rohe Ton (18 Prozent) hindern Bürger/innen daran, sich politisch zu engagieren. Durch die sozialen Medien werden Hetze und Gewalt in der Gesellschaft noch gefördert, so 8 von 10 Befragten (80 Prozent).

56 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass angesichts der vielen Probleme im Land Politiker und Politikerinnen gebraucht werden, die mehr Macht und Durchsetzungswillen haben, um schnell und durchgreifend Entscheidungen fällen zu können. Gleichzeitig wünschen 86 Prozent der Deutschen, dass Bürger/innen bei wichtigen Entscheidungen künftig stärker einbezogen werden. Dies bezieht sich vor allem auf die kommunale Ebene (93 Prozent) sowie Landesebene (91 Prozent), aber auch auf der Bundesebene halten die Deutschen eine stärkere Beteiligung für wichtig (85 Prozent).

Die Studie sowie weitere Informationen sind abrufbar unter https://koerber-stiftung.de.

Anmerkung des DStGB und des StGB NRW

Die Ergebnisse der Studie sind besorgniserregend. Sie zeigen, dass die Staats- und Politikverdrossenheit steigt und das Vertrauen in die Demokratie sinkt. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Bundes- und Landesebene, aber eben auch für die kommunale Ebene – wenn auch diese nach wie vor das stärkste Vertrauen genießt. Erst die kürzlich erschienene dbb-Bürgerbefragung (s.„ Vertrauen in den Staat nimmt ab – Angriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst dagegen weiter zu“ unter www.dstgb.de; Rubrik: Themen / Soziales / Aktuelles) hat sehr ähnliche Erkenntnisse gebracht.

Dazu kommt, dass das haupt- und ehrenamtliche Engagement in der Kommunalpolitik aufgrund seiner aktuellen Bedingungen deutlich leidet. Dies liegt insbesondere an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dem Zeitaufwand für die immer komplexer werdenden Aufgaben und nicht zuletzt an der zunehmenden Erwartungshaltung der Bürger/innen, den zunehmenden Anfeindungen, Hass und Hetze und dem verrohten Ton gegenüber kommunal Engagierten, aber auch in politischen Debatten, besonders unter Beteiligung der AfD.

Diese Entwicklung müssen wir mit aller Kraft entgegenwirken. Denn Demokratie und ihr besonderer Wert ist kein Selbstverständnis und erreicht – vor allem in den aktuell besonders herausfordernden Zeiten – aber auch angesichts der ungleichen Lebensverhältnisse in Deutschland – längst nicht mehr alle Menschen. Hinzu kommt viel Unsicherheit und Unmut, was die Entscheidungen und die Kommunikation der Politik gegenüber den Bürger/innen betrifft. Hier sind alle staatlichen Ebenen – Bund, Land, Kommunen – sowie die Politik, Medien und die Gesellschaft selbst gefragt zu handeln, politische Entscheidungen sachlich zu erläutern, Debatten respektvoll zu führen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie vor Ort zu stärken, mehr demokratische Teilhabe, politische Bildung und vor allem gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland – insbesondere in den Kommunen, umzusetzen. Zugleich müssen kommunale Ämter – ob haupt- oder ehrenamtlich – attraktiver werden und ein wehrhafter Staat sowie eine couragierte Zivilgesellschaft sich schützend vor die kommunal Engagierten stellen und ihnen ausreichend Rückhalt geben.

Quelle: DStGB Aktuell 3423 vom 25.08.2023

Az.: 19.0.2-001/002

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