Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 440/2023 vom 01.06.2023

OVG NRW zur ortsnahen Regenwasserbeseitigung

Das OVG NRW hat mit Beschluss vom 30.05.2023 (Az.: 15 A 561/22) erneut dazu entschieden, unter welchen Voraussetzungen das Niederschlagswasser auf einem privaten Grundstück versickert werden kann.

Ein Übergang der Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser als Abwasser im Sinne der Begriffsdefinition in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) von der Stadt/Gemeinde auf den Grundstückseigentümer erfordert nicht nur die Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht (§ 48 LWG NRW) durch die abwasserbeseitigungspflichtige Stadt/Gemeinde (1. Voraussetzung), sondern zusätzlich ist es erforderlich, dass eine wasserwirtschaftliche Gemeinwohlprüfung durch die untere Wasserbehörde durchgeführt wird und eine erforderliche, wasserrechtliche Erlaubnis erteilt wird (2. Voraussetzung). Beide Voraussetzungen müssen zusammen (kumulativ) erfüllt sein.

In dem entschiedenen Fall hatte die betroffene Grundstückseigentümerin – so das OVG NRW - keinen Anspruch auf Freistellung, weil ein wasserrechtskonformer und zugleich bestandsgeschützter (öffentlicher) Mischwasserkanal zur Ableitung des Niederschlagswassers vorhanden war und die Klägerin teilweise Flächen an diesen öffentlichen Mischwasserkanal angeschlossen hatte.

Es greift aber - so das OVG NRW – für die nicht angeschlossenen Flächen auch die Freistellungsfiktion des § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW nicht. Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW gilt die Freistellung als erteilt, wenn das gesamte Niederschlagswasser eines Grundstücks seit dem 01. Januar 1996 auf dem Grundstück beseitigt worden ist und die Gemeinde in dieser Zeit ihren Anschluss- und Benutzungszwang nicht geltend gemacht hat.

Diese Unterstellung (Fiktion) einer Freistellung in § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW ist bereits deshalb – so das OVG NRW – in dem entscheidenden Fall nicht gegeben, weil die Klägerin das Niederschlagswasser nicht auf ihrem Grundstück selbst beseitigt, sondern über eine Rohrleitung auf die Wiese des Nachbargrundstücks leitet. Zudem fehlte – so OVG NRW – der erforderliche Nachweis der gemeinwohlverträglichen Abwasserbeseitigung. Das OVG NRW weist ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen des § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW lediglich davon auszugehen ist, dass die gemeindlichen Belange, wie die Finanzierung der (abwassertechnischen) Infrastruktur der Gemeinde, keinen Anschluss erfordern.

Der Nachweis, ob die Beseitigung durch Versickerung oder ortsnahe Gewässereinleitung wasserwirtschaftlich gemeinwohlverträglich ist, müsse jedoch gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW erbracht werden (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 24.02.2017 – Az: 15 B 49/17 -, LT – Drucksache 16/10799 S. 479).

Dieses folgt lt. dem OVG NRW bereits daraus, dass mit der Freistellungsfiktion in § 49 Abs. 4 Satz 2 LWG NRW lediglich das Erfordernis einer ausdrücklichen Freistellungsentscheidung der Gemeinde wegfällt, nicht aber der Nachweis der gemeinwohlverträglichen Beseitigung des Niederschlagswassers gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW. Hinzu komme, dass die Klägerin das Abwasser schon nicht auf ihrem Grundstück selbst beseitige, sondern es auf dem Nachbargrundstück versickere.

Das OVG NRW folgte ebenso dem Einwand der Klägerin nicht, dass sie den über ihr Grundstück verlaufenden öffentlichen Kanal nicht dulden müsse und sie jederzeit die Beseitigung des Kanals verlangen könne, weil weder sie noch ihre unmittelbare Rechtsvorgängerin im Grundstückseigentum der Kanalverlegung zugestimmt hätten und ein öffentlicher Kanal ohne Mehraufwand über städtische Flächen habe verlegt werden können.

Insoweit weist das OVG NRW darauf hin, dass die Zustimmung der Klägerin bzw. ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin im Grundeigentum für die Duldungspflicht gemäß § 93 WHG in Verbindung mit § 99 LWG NRW keine rechtsbegründende (konstitutive) Voraussetzung ist.

Eine Duldungspflicht könne vielmehr auch im Hinblick auf bereits verlegte (öffentliche) Leitungen auf privaten Grundstücken angeordnet werden. Dieses gelte insbesondere dann, wenn mit einer solchen Duldungsverfügung ein formell rechtswidriger Zustand nachträglich legalisiert werden solle, etwa wenn eine Leitung ursprünglich mit Zustimmung des (ehemaligen) Grundstückseigentümers auf dessen Grundstück verlegt worden sei und das Grundstück inzwischen aber an einen anderen Grundstückseigentümer übergegangen sei (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.02.2007 – Az: 7 B 8.07 - ; OVG NRW, Urteil vom 09.11.2006 – Az: 20 A 2136/05 ).

Außerdem stehe für die Klägerin – so das OVG NRW – nur die Duldung der Durchleitung von Abwasser durch den öffentlichen Kanal auf ihrem Grundstück im Raum und nicht die Unterhaltung dieses öffentlichen Kanals.

Insoweit könne auch offen bleiben, ob sich die Ermittlung eines andernfalls anfallenden Mehraufwandes im Sinne von § 93 Satz 2 in Verbindung mit § 92 Satz 2 WHG – wie das Verwaltungsgericht zugrunde gelegt habe – daran orientieren müsse, welche Kosten mit einer Verlegung des öffentlichen Kanals anfielen oder – wie die Klägerin wohl meine – daran, welche Kosten bei der Errichtung des öffentlichen Kanals auf öffentlichen Grundstücken angefallen wären (vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 09.11.2006 – Az: 20 A 2136/05). Denn selbst wenn es auf diese Mehrkosten bei der Errichtung ankäme, sei angesichts der tatsächlichen Grundstückslageverhältnisse ein anderer (alternativer) Trassenverlauf für einen öffentlichen Kanal in öffentlichen Grundstücken auch für die weiteren (noch) angeschlossenen Grundstücke im konkreten Fall nicht gegeben bzw. ersichtlich.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin:

Der für das Wasserrecht zuständige 20. Senat des OVG NRW hat bezogen auf die wasserwirtschaftliche Gemeinwohlprüfung durch die zuständige, untere Wasserbehörde mit Beschluss vom 15.06.2018 (– Az.: 20 A 652/17 –) ausdrücklich klargestellt, dass die Art und Weise der Beseitigung des Niederschlagswassers auf einem privaten Grundstück gerade nicht im Belieben des Grundstückseigentümers steht. Gemeint ist damit auf der Grundlage der Abwasserdefinition des Niederschlagswasser in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG dasjenige Wasser von Niederschlägen, welches (unmittelbar vom Himmel kommend) auf bebaute bzw. befestigte Flächen auftrifft und von dort aus gesammelt abfließt (so: OVG NRW, Urteil vom 20.06.2022 (Az.: 11 A 2800/12 – Rz. 100 der Urteilsgründe - abrufbar unter: www.justiz.nrw.de)

Die untere Wasserbehörde ist insoweit befugt, im Interesse des Grundwasser- und Gewässerschutzes die konkrete Beseitigungsart (hier: „Mulden-Rigolen-Versickerung“ anstatt einer schlichten Versickerung über die sog. „belebte Bodenzone“) in einer wasserrechtlichen Erlaubnis vorzugeben. Dieses gilt insbesondere dann, wenn das Niederschlagswasser verschmutzt ist, weil dann eine Beeinträchtigung des Grundwassers nicht ausgeschlossen werden kann.

Az.: 24.1.2.1-007/018

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