Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 44/2022 vom 24.01.2022

EuGH-Entscheidung zur unionsrechtswidrigen HOAI-Mindestsatz-Regelung

Trotz bereits festgestellter Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Regelung über die Mindesthonorare von Architekten sind nationale Gerichte, bei denen ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, diese Regelung der HOAI unangewendet zu lassen. Die geschädigte Partei habe aber gegebenenfalls Anspruch auf Schadenersatz, entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 18.01.2022 - C-261/20).

Zum Sachverhalt

Dem Rechtsstreit liegt ein HOAI-Pauschalhonorarvertrag aus dem Jahr 2016 zugrunde, den ein Ingenieur ein Jahr später kündigte. Die erbrachten Leistungen rechnete er nach den HOAI-Mindestsätzen ab. Mit seiner Restwerklohnklage machte er einen Betrag geltend, der zusammen mit bereits geleisteten Zahlungen die vereinbarte Pauschalsumme überstieg. In den Instanzen bekam er Recht. Der mit der Revision der Beklagten befasste Bundesgerichtshof ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Union, der die deutsche Mindestsatz-Regelung wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsrichtlinie für europarechtswidrig erklärt hatte, um Klärung, ob ein nationales Gericht die streitige Regelung unangewendet lassen müsse. Vorliegend sei eine mit der Dienstleistungsrichtlinie konforme Auslegung der HOAI nicht möglich.

Zur Entscheidung

Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet sei, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen.

Die nationalen Gerichte seien grundsätzlich verpflichtet, wegen des Vorrangs des Unionsrechts, europarechtswidrige Bestimmungen des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis heraus nicht anzuwenden. Etwas anderes gelte nur, wenn die europarechtlichen Vorgaben keine unmittelbare Wirkung hätten. Dies sei vorliegend nicht anzunehmen. Allerdings würde die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie im Ausgangsrechtsstreit dem Kläger das Recht nehmen, ein Honorar in der Höhe einzufordern, die dem in den fraglichen nationalen Vorschriften vorgesehenen Mindestsatz entspricht. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs schließe aus, dass dieser Bestimmung im Rahmen eines solchen Rechtsstreits zwischen Privaten eine solche Wirkung zuerkannt werden könne.

Anmerkung aus kommunaler Sicht

Unbeschadet der aktuellen Entscheidung, die sich ausschließlich auf „Altfälle“ bezieht, bleibt es dabei, dass der EuGH mit Urteil vom 04.07.2019 (C – 377/17) entschieden hat, dass die in der „alten“ HOAI festgelegte Pflicht zur Einhaltung der Höchst- und Mindestsätze einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsfreiheit darstellte. Die aktuelle Entscheidung betrifft zudem nur Sachverhalte, in denen sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstanden. Insofern kann sich laut EuGH eine geschädigte Partei jedenfalls für „Altfälle“ auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs berufen, um gegebenenfalls vom Staat den Ersatz eines durch die Unvereinbarkeit entstandenen Schadens zu erlangen.

Az.: 20.5.1-001/002 mag

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