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StGB NRW-Mitteilung 55/1998 vom 05.02.1998
Bundesverwaltungsgericht zu Musikschulgebühren
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem Beschluß vom 30.01.1997 (Az.: 8 NB 2.96) mit der Frage der Zulässigkeit der Differenzierung von Musikschulgebühren befaßt. Der Tenor und ein Auszug aus den Gründen des Beschlusses sind nachfolgend wiedergegeben:
"1. Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn in einer kommunalen Satzung für den Besuch einer - nicht kostendeckend betriebenen - Musikschule Einheimische eine um einen Zuschuß der Gemeinde abgesenkte Gebühr bezahlen müssen.
2. Art. 28 Abs. 2 GG gestattet jedenfalls bei Einrichtungen ohne Benutzungszwang die Gewährung eines auf die Einwohner der Gemeinde beschränkten Zuschusses zu den - einheitlich festgesetzten und kalkulierten - Benutzungsgebühren, wenn dadurch das (landesrechtliche) Kostenüberschreitungsverbot und der Äquivalenzgrundsatz nicht verletzt und keine direkte Subventionierung der einheimischen Benutzer durch die Auswärtigen bewirkt wird.
GG Art. 3 Abs. 1. Art. 28 Abs. 2; KAG BW § 9 Abs. 2; VwGO § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 a.F., § 47 Abs. 7 Satz 6 a.F.
Aus den Gründen:
Die Antragsgegnerin hat nämlich nach dem feststehenden Sachverhalt die Gebühren für die Benutzung ihrer - nur den Gemeindebürgern gewidmeten - Musik- und Kunstschule zunächst einheitlich für Auswärtige und Einheimische kalkuliert, von der Festsetzung kostendeckender Gebühren abgesehen - wozu das Landesrecht nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs berechtigt - und dann im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgabe unter Beachtung des Kostenüberschreitungsverbotes und des Äquivalenzgrundsatzes den einheimischen Benutzern einen Zuschuß zu der einheitlich festgesetzten "Normalgebühr" gewährt (vgl. Beschlußabdruck S. 9 f.); der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit ist im Baden-Württembergischen Landesabgabenrecht nicht enthalten, vielmehr läßt dieses die Berücksichtigung auch persönlicher/wirtschaftlicher Verhältnisse bei der Gebührengestaltung zu (Beschlußabdruck S. 10).
Danach hat die Frage des Gleichheitsverstoßes hier in Wahrheit die Zulässigkeit eines "Einheimischenabschlags" in Form der Subventionierung - nur - der eigenen Gemeindebürger zum Gegenstand. Sie richtet sich nicht in erster Linie auf abgabenrechtliche Gebührenbemessungsgrundsätze. Ob eine Gemeinde ihren Einwohnern einen Zuschuß zu einheitlich festgesetzten Benutzungsgebühren gewähren darf, ist vielmehr bei diesem Ausgangspunkt zunächst keine Frage der - im Ansatz einheitlich vorgenommenen - Gebührenbemessung, sondern der Rechtmäßigkeit einer auf einen Teil der Benutzer beschränkten Subventionsgewährung. Gemäß Art. 28 Abs. 2 GG ist den Gemeinden "im Rahmen der Gesetze" die Selbstverwaltung, d.h. die freie Regelung der örtlichen Angelegenheiten, garantiert. Hierzu zählt u.a. die Finanzhoheit, d.h. die Entscheidungsfreiheit darüber, für welche (zulässigen) Ziele welche Mittel in welcher Höhe verwendet werden sollen. Da der Betrieb der Musik- und Kunstschule - wie festgestellt - dem Selbstverwaltungsbereich der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, steht es der Antragsgegnerin frei, im Rahmen ihrer kommunalen Kultur- und Bildungspolitik Förderungsmaßnahmen vorzunehmen und auf ihre eigenen Bürger zu beschränken. Der Höhe der Gebührensätze kann im kommunalen Bereich eine erhebliche kommunalpolitische Bedeutung zukommen. Die betroffenen kulturpolitischen, sozialstaatlichen und sonstigen öffentlichen Interessen können - soweit nicht Landesrecht zwingend entgegensteht - eine bewußte Kostenunterschreitung und damit Subventionierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Gemeinde rechtfertigen. Die Entscheidung darüber steht - wie auch diejenige über die Gewährung von Subventionen - im Rahmen etwaiger landesrechtlicher Eingrenzungen gemäß Art. 28 Abs. 2 GG der jeweiligen Gemeinde zu. Die Festsetzung nicht kostendeckender Gebühren ist gleichbedeutend mit der indirekten Subventionierung aller - auch auswärtiger - Benutzer. Dazu ist eine Gemeinde mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 GG nicht verpflichtet. Sie kann daher unter diesen Umständen durch die Gewährung eines "Zuschusses" an ihre Einwohner den Subventionsvorteil nicht kostendeckender Gebühren auf ihre Gemeindebürger beschränken. Der dagegen erhobene Einwand, die ungewollte Subventionierung auswärtiger Benutzer könne durch die kostendeckende Gebührenbemessung für alle vermieden werden, verkennt die insoweit bestehende Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinde.
Daß die Beschränkung der Förderung auf die eigenen Gemeindebürger mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, steht außer Frage. Insoweit ist das Kriterium der Ortsverbundenheit und der Beteiligung an den Gemeinlasten der Gemeinde ein hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die kommunalen Finanzmittel - aus denen Subventionen gezahlt und Defizite beglichen würden - stammten zu einem großen Teil aus dem kommunalen Finanzausgleich, dessen Zuwendungsmasse aus den staatlichen Steuern unabhängig davon erbracht werde, ob die Steuerpflichtigen ortsansässig oder ortsfremd seien. Denn es darf nicht übersehen werden, daß die Höhe der Ausgleichszuwendungen auf die Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde abstellt und die Last von Defiziten die Gemeindebürger in Form von verschiedenartigen Einschränkungen jedenfalls unmittelbarer trifft als Auswärtige. In diesem Zusammenhang kommt auch dem für die Gebührenbemessung nicht unmittelbar einschlägigen Argument e maiore ad minus Bedeutung zu, die Gemeinde könne statt des nach Landesrecht möglichen völligen Ausschlusses der Zulassung Auswärtiger zu öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde auch deren Zulassung unter bloßem Ausschluß gewährter Zuschüsse gestatten.
Art. 28 Abs. 2 GG läßt danach in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls bei "freiwilligen" öffentlichen Einrichtungen ohne Benutzungszwang die Gewährung eines auf die Einwohner der Gemeinde beschränkten Abschlags von einheitlich festgesetzten Benutzungsgebühren zu, wenn - was hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Fall ist - die "Normalgebühren" unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz nicht zu beanstanden sind, sie keine Überschreitung der gebührenfähigen Kosten bewirken und damit zu keiner indirekten Subventionierung der einheimischen Benutzer durch die Auswärtigen führen; ferner darf - aus dem gleichen Grundgedanken - die Einrichtung der Gemeinde nicht kostendeckend oder gar gewinnbringend sein."
Az.: IV/2 251