Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 432/2023 vom 26.06.2023

BGH zur Haftung für Ackerwasser

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20. April 2023 – Az. III ZR 92/22- abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de zu der Frage entschieden, ob ein Landwirt verpflichtet ist, einem geschädigten privaten Grundstückseigentümer Schadensersatz zu leisten, weil Ackerwasser Schäden an seinem Grundstück angerichtet hat. Der Landwirt hatte auf seinen landwirtschaftlichen Flächen statt Getreide nunmehr Kartoffeln angebaut. Dazu wurden Pflanzfurchen in Gefällerichtung zu einem Wirtschaftsweg angelegt. Am 09. Juli und 02. August 2014 kam es zu starken Regenfällen, wobei das letztgenannte Ereignis als Katastrophenregen zu qualifizieren war und es drang Wasser von außen durch die Kellerwände in das Haus der Kläger ein. Die Hausratversicherung der Kläger übernahm den entstandenen Schaden nicht. Die Kläger sind der Auffassung, dass die geänderte landwirtschaftliche Nutzung auf den landwirtschaftlichen Flächen zu einem erhöhten Wasserabfluss über den Wirtschaftsweg geführt habe. Das Wasser habe sich in einer Mulde auf dem benachbarten Grundstück der Stadt gesammelt und dort habe sich temporär ein Teich gebildet, dessen Druck dazu geführt habe, dass das Wasser unterirdisch von außen durch die Kellerwände in ihr Haus eingedrungen sei. Die in Rede stehenden Ackerflächen seien deshalb für den Anbau von Kartoffeln nicht geeignet gewesen. Der beklagte Landwirt trug vor, der Wassereintritt auf das Grundstück der Kläger habe seine Ursache nicht ausschließlich in der Feldbewirtschaftung und sei insbesondere auf das „Jahrhundert-Regen-Ereignis“ vom 02. August 2014 zurückzuführen.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 20.04.2023 geprüft, ob ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 37 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz des Bundes (WHG) besteht. In § 37 WHG ist das so genannte wild abfließende Wasser bundesrechtlich seit dem 01. März 2010 geregelt. In Anknüpfung an seine frühere Rechtsprechung geht der BGH grundsätzlich davon aus, dass bei landwirtschaftlich genutzten Flächen bezogen auf eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung im Grundsatz keine besondere Verpflichtung für wild abfließendes Ackerwasser besteht. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 WHG darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers nicht zum Nachteil eines tieferliegenden Grundstücks verstärkt oder auf andere Weise verändert werden. Dieses bedeute – so der BGH – dass durch die veränderten Abflussverhältnisse keine „Belästigung“ für andere, betroffene Grundstückseigentümer entstehen darf, die von einigem Gewicht und spürbar ist, wodurch das Grundstück erheblich beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2019 – Az. III ZR 388/17-). Wild abfließendes Wasser ist – so der BGH - gemäß § 37 Abs. 1 und 4 WHG solches Wasser, dass außerhalb von Gewässerbetten abfließt und aus Hochwasser, Quellen oder Niederschlägen stammen kann, mithin zum Wasserschatz der Natur gehört und auf unversiegelte Flächen auftrifft.

Grundsätzlich ist – so das BGH  - in der langjährigen Rechtsprechung anerkannt, dass die bei landwirtschaftlichen Grundstücken notwendige Art der Bodenbearbeitung sowie die mit einem Wechsel der Fruchtfolge zwangsläufig verbundenen Änderungen der Oberfläche zur natürlichen Eigenart der Bewirtschaftung eines Grundstücks gehören und die daraus resultierenden Auswirkungen auf ein Nachbargrundstück keinen Abwehranspruch aus § 1004 BGB begründen (so: BGH, Urteil vom 18.04.1991 – Az. III ZR 1/90). Insoweit hat der Bundesgesetzgeber laut dem in § 37 WHG die Anforderungen an die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen mit Blick auf wild abfließendes Ackerwasser nicht verschärft, sondern sich im Grundsatz an den landesrechtlichen Vorgängerregelungen orientiert, die vor dem 01.03.2010 bestanden hätten.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Sache zur Entscheidung an die Vorinstanz (OLG Düsseldorf) zurückverwiesen, weil der BGH nunmehr den Standpunkt einnimmt, auch die bestimmungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung eines Oberlieger-Grundstücks könne unter dem Gesichtspunkt des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme Einschränkungen unterliegen. § 37 WHG regelt insoweit das wasserrechtliche Nachbarrecht. Ein Oberlieger-Grundstückseigentümer könne deshalb – so der BGH - zur Rücknahme verpflichtet sein, wenn ein anderer Nachbargrundstückseigentümer anderenfalls ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2019 – Az. V ZR 218/18-).

Der BGH verweist in diesem Zusammenhang beispielhaft auf sein Urteil vom 12.06.2015 (Az. V ZR 168/14), wonach ein Grundstückseigentümer einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB gegen den Nachbargrundstückseigentümer hat, wenn dieser Niederschlagswasser auf seinem Grundstück versickert und dieses Sickerwasser unterirdisch auf das Grundstück des Klägers übertritt und dort zu Beeinträchtigungen führt.

Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:

Es wird abzuwarten sein, ob das OLG Düsseldorf nunmehr den Sachverhalt auf der Grundlage der Vorgaben des BGH anders einordnet. Zumindest kann aus dem Urteil des BGH vom 20.04.2023 (Az. III ZR 92/22) entnommen werden, dass der BGH jedenfalls im Ansatz nicht mehr den Standpunkt einnimmt, dass die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung von Grundstücken unter keinem Gesichtspunkt irgendwelchen Beschränkungen mit Blick auf den Abfluss von Ackerwasser unterliegt. Dieses ist ein richtiger und zugleich wichtiger Ansatzpunkt, weil in der Praxis in den letzten Jahren immer mehr Fälle auftreten, in denen Ackerwasser zur Überflutung und Überschwemmungen auf anderen Grundstücken führt. In diesem Zusammenhang muss erwartet werden können, dass sich die Landwirtschaft aktiv an der Problemlösung im Einzelfall beteiligt und einbringt. Insoweit wird abzuwarten sein, ob das OLG Düsseldorf insbesondere den Sachvortrag der Kläger, dass die Pflanzfurchen in Gefällerichtung zum Wirtschaftsweg angelegt waren und dieses das abwärts laufende Regenwasser (Ackerwasser) vorliegend im besonderen Maße kanalisiert habe, einer anderen Beurteilung zuführen wird. Bislang hatte allerdings das OLG Düsseldorf hierzu allerdings keine Feststellung getroffen. Dieses ist – so der BGH – im neu eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen.

Az.: 24.1.1 qu

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