Spielräume für Gestaltung schaffen

"Wege aus der Krise - Weichen stellen für morgen" lautete das Motto des StGB NRW-Hauptausschusses am 15. Juni 2021 in der Stadthalle Düsseldorf. Dank der abflauenden Pandemie konnte die Tagung zur Freude aller Beteiligten in Präsenz stattfinden.

Neben rund 180 Delegierte aus Städten und Gemeinden waren prominente Gäste aus der Landespolitik gekommen, um an der Diskussion über drängende kommunale Themen teilzunehmen. Insbesondere der Vortrag von Ministerpräsident Armin Laschet und die Podiumsdiskussion mit Kommunalministerin In Scharrenbach und den Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen stießen auf großes Interesse.

Zwei Themen im Fokus

Auf die zentralen Themen aufmerksam machte einleitend Dr. Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW und Bürgermeister der Stadt Soest. Prägend für die Zukunft der Kommunen seien die Entwicklung der Innenstädte und die finanziellen Rahmenbedingungen. Die Corona-Pandemie habe erhebliche Mindereinnahmen in den Kassen der Städte und Gemeinden verursacht und damit sämtliche Planungen infrage gestellt.

Dass die Kommunen von Bund und Land im Jahr 2020 schnell und gezielt unterstützt wurden, begrüßte der Präsident ausdrücklich. Auch für die gemeinsame Innenstadtoffensive von Landesregierung, Kommunen und Akteuren aus Gastronomie und Wirtschaft fand er lobende Worte, ebenso wie für das schnell bereitgestellte Sofortprogramm Innenstadt. Dieses gebe den Gemeinden Mittel an die Hand, die tiefgreifende Transformation der Zentren zu gestalten.

Das Video gibt einige Eindrücke vom Hauptausschuss in Düsseldorf wieder.

Gleichwohl mahnte Ruthemeyer weitere Unterstützung an. „Ohne weitere Hilfen durch Bund und Land sind die Aussichten zum Gruseln“, betonte der Präsident in seiner Ansprache und bekräftigte die Forderung nach einer Wiederauflage eines Rettungsschirms für die Kommunen. Dies gelte umso mehr, wenn man in den kommenden Jahren in Klimaschutz, Verkehrswende und digitale Bildung investieren müsse.

Scharfe Kritik übte der Präsident am Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, den der Bundestag erst wenige Tage zuvor im Eilverfahren durchgewunken hatte. „Der Bund und die Länder haben hier – wieder einmal – einen Vertrag zu Lasten Dritter geschlossen und die kommunale Selbstverwaltung in erheblichem Umfang finanziell geschwächt“, erklärte Ruthemeyer. Seine Forderung: „Die staatlich-kommunale- Verantwortungsgemeinschaft im Schulbereich muss endlich auf ein neues Fundament gestellt werden.“

Laschet regt Föderalismusreform an

Auf die strittigen Fragen eines Rechtsanspruchs auf Ganztag ging in seiner Rede direkt im Anschluss Ministerpräsident Armin Laschet ein. Die Verhandlungen mit dem Bund seien in vollem Gange, dessen finanzielle Vorstellungen aber bislang nicht akzeptabel. Grundsätzliche Kritik übte Laschet an „den ständigen Mischfinanzierungen“, bei denen mehrere föderale Ebenen beteiligt sind. Am Ende seien bei einem solchen Verfahren stets alle unzufrieden.

Laschets Lösungsvorschlag: Bei einer neuen Aufgabe müsse man die Aufteilung der gemeinsamen Steuermasse zugunsten derjenigen verändern, denen die Aufgabe zufällt, nämlich Land und Kommunen. Applaus erhielt der Ministerpräsident für seine Botschaft an den Bund, man könne nicht mit Milliarden etwas anstoßen, was am Ende andere bezahlen müssten. Um das für die Zukunft zu verhindern, müsse man Wahlprogramme sauberer formulieren und gegebenenfalls auch eine Föderalismusreform angehen.

Abschließend betonte der Ministerpräsident die großen kommunalen Herausforderungen bei Klimaschutz und Mobilität. Das Land unterstütze die Kommunen durch Beratung und Förderung. Dabei habe man insbesondere die Entwicklung der Innenstädte im Blick, nicht zuletzt in Form des Sofortprogramms Innenstadt.

Innenstadtentwicklung als Chance

Zum Abschluss des Programms diskutierten die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von CDU, FDP, SPD und Grünen (die AfD hatte auf die Einladung nicht reagiert) mit Kommunalministerin Ina Scharrenbach und Moderator Michael Brocker über die Entwicklung der Innenstädte und die finanziellen Handlungsspielräume der Städte und Gemeinden. Die Ministerin wies auf die Dringlichkeit der Lage hin und umschrieb die Vielseitigkeit der Zentren von morgen: „Innenstadt ist mehr als Handel und Gastro“, so Scharrenbach. „Dazu gehören auch Wohnen, öffentliche Einrichtungen, Handwerk, Dienstleistungen und mehr.“ Stadt sei ein Orchester mit vielen Musikinstrumenten. „Die Innenstadt ist den Menschen nicht egal, so sehr sie auch gelegentlich darüber schimpfen“, betonte die Ministerin. Die Zeit sei günstig für Veränderungen und eine proaktive, von Bürgerinnen und Bürgern unterstützte Politik.

„Wir müssen es wagen, größer zu denken“, mahnte StGB NRW-Präsident Ruthemeyer an. Es sei nicht hilfreich, in den Abgesang vieler Medien auf den Untergang der Innenstädte einzustimmen. „Der Handel wird sich weiter konzentrieren“, prognostizierte der Soester Bürgermeister. Umso mehr werde man auf gemischte Nutzung setzen und beispielsweise die Vorteile des Wohnens und die Aufenthaltsqualität in den Zentren hervorheben. Den Umbau der Innenstädte sieht Ruthemeyer ausdrücklich als Chance.

Angeregte Podiumsdiskussion

Parteipolitisch ließen sich beim Thema Innenstadtentwicklung nur wenig Differenzen ausmachen. Alle vertretenen Fraktionsvorsitzenden sprachen sich dafür aus, Kommunen in dieser Aufgabe zu unterstützen und wiesen auf den großen Handlungsbedarf hin.

So warb Thomas Kutschaty (SPD) dafür, den Städten und Gemeinden mehr Möglichkeiten beim Erwerb von Schlüsselimmobilien an die Hand zu geben. Darauf wies im späteren Verlauf auch Bürgermeister Claus Jacobi aus der Stadt Gevelsberg hin. Er berichtete von der erfolgreichen Umnutzung eines Kaufhauses in der Innenstadt. Dort seien mittlerweile die Stadtbibliothek, die Musikschule und kleinere Gewerbe eingezogen und sorgten für spürbare Belebung.

CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen machte sich stark für einheitliche Konzepte. Mit ihrer Hilfe ließen sich alle Akteure einbinden und auf gemeinsame Ziele im Sinne der Innenstadtentwicklung einschwören. „Sie können einen Stadtumbau nicht verordnen, Sie müssen ihn mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch denen, die die Geschäfte betreiben, gemeinsam gestalten“, so Löttgen.

Josefine Paul (Grüne) appellierte an Land und Kommunen, die Nutzung öffentlicher Räume stärker an den Interessen von Bürgerinnen und Bürgern auszurichten und mehr soziale oder auch kulturelle Belange in den Blick zu nehmen. Auch für Klimaschutz und Klimaanpassung müsse noch mehr getan werden. Christof Rasche (FDP) setzte sich hingegen dafür ein, im Rahmen von Modellversuchen vermehrt sonntags zu öffnen. Dieser Wunsch sei ihm aus kleineren Betrieben zugetragen worden.

Finanziell unter Druck

Zum Einstieg in das Thema Kommunalfinanzen fasste Präsident Ruthemeyer die schwierige Lage der Städte und Gemeinden zusammen. Die gute wirtschaftliche Entwicklung der Vorjahre sei durch die Corona-Pandemie verebbt, die bisher erzielten Erfolge in den Kassen vollständig aufgezehrt. Die jüngsten Prognosen der Steuerschätzung betrachte er mit Sorge: Für die kommenden Jahre seien erhebliche Mindereinnahmen zu erwarten. Gleichzeitig stünden den Kommunen neue Belastungen ins Haus, etwa durch die Digitalisierung der Schulen, im Klimaschutz oder beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Wer gut aus der Krise kommen wolle, müsse die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden stärken und zumindest für die kommenden drei Jahre finanzielle Hilfen bereitstellen.

Kommunalministerin Scharrenbach verwies auf bereits bereitgestellte Mittel in Milliardenhöhe, zudem sei man mit den Kommunen und Spitzenverbänden im permanenten Dialog und biete vielfach Unterstützung an, etwa im Bereich Innenstädte oder des ÖPNV. Zudem bereite sich die Landesregierung auf die Gemeindefinanzierung 2022 vor. Sie sei verhalten optimistisch, dass die Finanzmasse wie im Vorjahr gestützt werden könne, die Landesregierung wolle Signale der Verlässlichkeit senden. Im Hinblick auf Mindereinnahmen bei Gewerbesteuer und Verbundsteuern wolle sie die weitere Entwicklung und die nächste Steuerschätzung abwarten.

Viel Kritik beim Rechtsanspruch auf Ganztag

Thomas Kutschaty und Josefine Paul betonten, es gebe für die Kommunen noch immer zu viele offene Fragen. So bleibe immer noch ungeklärt, wie die kommunale Ebene mit finanziellen Herausforderungen wie Altschulden, dem Auslaufen des Stärkungspakts Stadtfinanzen oder erhöhtem Aufwand durch die Digitalisierung der Schulen umgehen solle. „Das stellt die Kommunen vor unlösbare Aufgaben“, kritisierte Paul. Kutschaty schlug in die gleiche Kerbe. Den Kommunen solle man keine Buchungstricks für einen ausgeglichenen Haushalt bereitstellen, sondern müsse sie bedarfsgerecht mit den nötigen Mitteln ausstatten.

Im weiteren Verlauf der Diskussion entzündete sich insbesondere am Verhalten des Bundes scharfe Kritik. Deutlich wurde dies am geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. FDP-Fraktionschef Rasche bezeichnete das Vorgehen der Bundesregierung gar als „Schurkenstück“ und erinnerte an Seite 711 des Koalitionsvertrages: „Wer bestellt, bezahlt“ sei dort mit Verweis auf das Konnexitätsprinzip versprochen worden. CDU-Fraktionschef Löttgen schloss sich der Kritik an. Das Angebot des Bundes, sich mit 30 Prozent an den Betriebskosten zu beteiligen, wies er deutlich zurück. „Wenn der Bund bestellt, dann muss er auch 100 Prozent übernehmen“, forderte Löttgen. Die Kommunen müsse man endlich vom Tropf immer neuer Förderprogramme nehmen und stattdessen mit einem angemessenen Anteil an den Gemeinschaftssteuern ausstatten.

Alle auf dem Podium betonten, dass sie bei aller Kritik nicht das Ziel einer hochwertigen Ganztagsbetreuung infrage stellen wollten. Dies hoben auch Delegierte aus dem Saal hervor, etwa die Kamener Bürgermeisterin Elke Kappen. Eine gute Betreuung sei nicht nur im Sinne der Familien, sondern auch der Unternehmen. Entscheidend sei nun, eine Regelung zu finden, die den Ausbau allen Städten und Gemeinden gleichermaßen ermögliche. Ein Ganztagsangebot dürfe nicht nur finanzstarken Kommunen vorbehalten bleiben.

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