Keine Trendwende bei Kommunalfinanzen

Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW belegt anhaltende Finanzprobleme der Kommunen

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 28.06.2016

Foto: Jörn Wolter / wolterfoto.de

Die Haushaltssituation der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist nach wie vor kritisch. Dies belegt die aktuelle Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW, an der sich alle 359 kreisangehörigen Mitgliedskommunen mit rund 9,4 Mio. Einwohner(inne)n beteiligt haben.

"Trotz der erfreulich hohen Steuereinnahmen, vor allem bei der Gewerbesteuer, und der hohen Schlüsselzuweisungen kann für die Kommunalfinanzen keine grundlegende Trendwende festgestellt werden", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider, heute in Düsseldorf bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Steigende Ausgaben insbesondere im Sozialbereich zehrten die guten Steuererträge wieder auf. Hinzu kämen Lasten durch die steigende Zahl von Flüchtlingen und weiterer Konsolidierungsdruck durch gestiegene Personalkosten. Daher forderten die NRW-Kommunen:

  • Eine bessere Dotierung und gerechte Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs
  • die Weiterentwicklung des Stärkungspaktes Stadtfinanzen
  • die zügige Umsetzung der zugesagten Entlastung in Höhe von fünf Mrd. Euro durch den Bund und ihre vollständige Weitergabe an die Kommunen
  • eine nachhaltige und kostendeckende Unterstützung durch Bund und Land bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik

"Die andauernde strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen in NRW führt dazu, dass im Jahr 2016 nur 49 Mitglieder des Verbandes einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen können", machte Schneider deutlich. Dies bedeute, dass den gesetzlich geforderten Normalfall nur etwa jede siebte Mitgliedskommune erreichen könne. Alle anderen Kommunen schafften den Haushaltsausgleich nur, indem sie ihr Eigenkapital aufzehrten.

Abbau des Eigenkapitals und Überschuldung

Wie im Vorjahr wurde mit der Haushaltsumfrage der Abbau der Ausgleichsrücklage - der Anteil des Eigenkapitals, der im NKF zum fiktiven Haushaltsausgleich eingesetzt werden kann - sowie des Eigenkapitals allgemein abgefragt. Bis Ende 2016 werden 259 StGB NRW-Mitgliedstädte und -gemeinden ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben.

Für 2017 erwarten dies 29 Kommunen und für die drei Folgejahre noch einmal 39 Kommunen. Dies bedeutet, dass im Finanzplanungszeitraum 298 der 359 StGB NRW-Mitgliedskommunen - gut 83 Prozent - ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben werden.

19 Kommunen haben bereits jetzt das Eigenkapital vollständig aufgezehrt, eine weitere Kommune erwartet die Überschuldung bis 2018. "Allein diese Zahlen belegen den dringenden Handlungsbedarf", sagte Schneider. "Der Ende 2011 verabschiedete Stärkungspakt war alternativlos. Er muss nun aber dringend mit zusätzlichen Landesmitteln auch Hilfe für all die Kommunen bereitstellen, die aus eigener Kraft einen strukturellen Haushaltsausgleich nicht schaffen können." Die kommunale Familie sei wirtschaftlich nicht in der Lage, den Ausbau des Stärkungspaktes durch eigene Mittel zu schultern.

Haushaltssicherung und Nothaushalt

Eine Kommune muss ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, wenn sie ihren Haushalt nicht einmal fiktiv ausgleichen kann und die allgemeine Rücklage mehr als nur unwesentlich verringert werden muss. In diesem Jahr werden 145 StGB NRW-Mitgliedskommunen in dieser Situation sein. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal leicht gestiegen.

Den strengsten Restriktionen sind Städte und Gemeinden unterworfen, deren Haushaltssicherungskonzept von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wird, da sie auch auf mittlere Sicht keinen Haushaltsausgleich erreichen können. In der so genannten vorläufigen Haushaltswirtschaft - auch Nothaushaltsrecht genannt - sind den Kommunen freiwillige Ausgaben grundsätzlich untersagt. Hier wird es 2016 voraussichtlich drei kreisangehörige Städte und Gemeinden geben. Dank des Stärkungspaktes und geänderter haushaltsrechtlicher Normen ist das Nothaushaltsrecht inzwischen wieder eine Ausnahme.

Dieser Rückgang hängt indes maßgeblich zusammen mit der Verlängerung des HSK-Zeitraums in § 76 der NRW-Gemeindeordnung auf zehn Jahre. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2011 scheitert die Genehmigungsfähigkeit eines Haushaltssicherungskonzepts nicht mehr daran, dass der Haushaltsausgleich nicht innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums erzielt werden kann. Eine Genehmigung kann nunmehr grundsätzlich auch dann erteilt werden, wenn der Haushaltsausgleich erst innerhalb der kommenden zehn Jahre erreicht wird.

"Eine materielle Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Kommunen ist mit dieser Gesetzesänderung freilich nicht eingetreten", machte Schneider deutlich. "Spitzenreiter" bei Haushaltssicherungskonzepten und Nothaushaltskommunen sind im Jahr 2016 wiederum die Regierungsbezirke Köln und Arnsberg:

Haushalts-
sicherung

strukturell unausgeglichen

strukturell ausgeglichen

Regierungsbezirk

2015

2016

2015

2016

2015

2016

Arnsberg

46

45

22

24

6

5

Detmold

14

13

39

40

14

14

Düsseldorf

14

13

29

31

11

10

Köln

56

60

32

30

6

4

Münster

14

14

40

40

16

16

Gesamt

144

145

162

165

53

49

Rekordstand an Liquiditätskrediten

Die Kredite zur Liquiditätssicherung haben - trotz harter Konsolidierungsmaßnahmen - wieder einen neuen Rekordstand erreicht. Die anhaltend schwierige Lage der Kommunalfinanzen wird zusätzlich durch den neuen Rekordstand der Kredite zur Liquiditätssicherung deutlich. Zum Jahreswechsel 2015/2016 verzeichneten die NRW-Kommunen einschließlich der Großstädte einen Kassenkreditstand von 27,48 Mrd. Euro. Dies bedeutet, dass die Kommunen im vergangenen Jahr die Liquiditätskredite um rund 0,8 Mrd. Euro erhöhen mussten, um laufenden Verwaltungsaufwand zu finanzieren. Die Steigerungsrate hat sich gegenüber dem Vorjahr damit zumindest etwas abgeschwächt. Damals betrug die Steigerung noch rund 1,3 Mrd. Euro.

Ertragssituation erfreulich

Auf der Ertragsseite profitiert die Gewerbesteuer weiterhin von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, wobei diese in den einzelnen Städten und Gemeinden unterschiedlich ausgeprägt ist. In den Haushaltsplanungen gehen die Kämmereien von einem weiteren Zuwachs des Gewerbesteueraufkommens um 0,94 Prozent gegenüber 2015 auf rund 4,4 Mrd. Euro aus. "Die erfreulichen Gewerbesteuererträge zeigen, dass es verbandspolitisch eine gute Entscheidung war, für den Erhalt der Gewerbesteuer zu kämpfen", sagte Schneider.

Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz liegt 2016 in den StGB NRW-Mitgliedskommunen bei 441 Prozentpunkten. Damit kommt es zu einer Anhebung von vier Punkten gegenüber dem Vorjahr. Dies lässt sich auch mit der Anhebung der fiktiven Hebesätze im Gemeindefinanzierungsgesetz durch das Land und mit den Konsolidierungsvorgaben aus dem Stärkungspaktgesetz erklären.

Deutlicher als bei der Gewerbesteuer zeigt sich der Konsolidierungsdruck in den Kommunalhaushalten bei der Grundsteuer B. Hier gibt es 2016 wieder einen deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Hebesätze um 22 Punkte auf 508 Prozentpunkte.

Ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen Realsteuerhebesätzen und Gemeindegröße. Die tatsächliche Staffelung belegt das unterschiedliche Hebesatzpotenzial der kommunalen Familie. Denn Kommunen im kreisangehörigen Raum müssen den Anreiz niedriger Gewerbesteuerhebesätze bieten, damit sie im landesweiten Standortwettbewerb um Unternehmen, Arbeitskräfte und Wertschöpfungspotenzial - sprich: im Bemühen um eine positive Entwicklung ihres Gemeinwesens - erfolgreich bestehen und Nachteile, die sich aus Lage oder Größe der Kommune ergeben, zum Teil kompensieren können.

Steigender Aufwand

Entscheidend für die andauernde strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden ist der Anstieg der Sozialkosten. Die jährlichen Aufwendungen für soziale Leistungen beliefen sich für die NRW-Kommunen im Jahre 2015 auf gut 16,3 Mrd. Euro, was einem Zuwachs von mehr als acht Prozent entspricht.

Die Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund ab 2012 - so Schneider - sei zwar ein erster wichtiger Schritt zur Entlastung der Kommunen und ein großer verbandspolitischer Erfolg gewesen. "Wenn die Situation der Kommunen nachhaltig verbessert werden soll, müssen allerdings weitere Entlastungsschritte folgen - neben den Flüchtlingskosten vor allem bei der Eingliederungshilfe. Die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene zugesagte Entlastung von fünf Mrd. Euro, die eigentlich im Kontext der Eingliederungshilfe erfolgen sollte, wird jetzt unabhängig davon kommen. Darüber darf der Bund aber trotz allem die Eingliederungshilfe nicht vergessen", forderte der StGB NRW-Hauptgeschäftsführer. "Da sich seit letztem Jahr die Belastungen insgesamt erhöht haben, müssen staatliche Entlastungen in diesem Szenario Schritt halten."

Entwicklung der Umlagen

Die Kreisumlage bildet auch 2016 einen wesentlichen Ausgabenblock der kreisangehörigen Kommunen. Es bleibe zu hoffen, dass das mit dem Umlagengenehmigungsgesetz eingeführte Verfahren zur Herstellung des Benehmens bei der Aufstellung der Kreishaushalte und die generelle Pflicht zur Genehmigung der Umlagen hier zu einer Entspannung führten, so Schneider abschließend.

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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