Heftiger Protest aus dem kreisangehörigen Raum gegen Methode und Ergebnisse des ifo-Gutachtens zur Gemeindefinanzierung

Warnung vor Steuererhöhungswelle

StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf, 10.01.1996

Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund unterstützt die Absicht der Landesregierung, entsprechend dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofs den kommunalen Finanzausgleich neu zu gestalten. Diesem Ziel wird allerdings das in Auftrag gegebene Gutachten des ifo-Forschungsinstituts in München nicht gerecht. Das Gutachten befaßt sich weniger mit einer sachgerechten Weiterentwicklung des Finanzausgleichs als vielmehr mit der Frage, wie der Finanzausgleich zugunsten der kreisfreien Städte verändert werden kann. Dies erklärte heute der Präsident des Nordrhein-Westfälischen Städte- und Gemeindebundes, Bürgermeister Albert Leifert, MdL, in Düsseldorf.

Aus kreisangehöriger Sicht ist zu den Ergebnissen des ifo-Gutachtens nach den Worten Leiferts folgendes festzustellen:

1. Eingehende Prüfung des Gutachtens

Eine grundlegende Reform des kommunalen Finanzausgleichs bedarf einer gründlichen und umfassenden Vorberatung. Die volle oder teilweise Umsetzung des Gutachtens im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1996 wird diesem Anspruch nicht gerecht. Eine Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs ist deshalb nach eingehender Diskussion mit dem GFG 1997 vorzunehmen.

Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund appelliert an Landesregierung und Landtag, die Zeit bis zur Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes für 1997 zu einer eingehenden Überprüfung des Gutachtens, u.a. durch Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis, zu nutzen.

2. Umverteilung treibt kreisangehörige Städte und Gemeinden in den finanziellen Ruin

Die von den Gutachtern empfohlene massive Umverteilung von Finanzmitteln - je nach vorgeschlagenem Modell in Höhe zwischen 200 und 300 Mio DM - vom kreisangehörigen Raum zugunsten der kreisfreien Städte löst die Finanzprobleme großer Städte nicht. Die empfohlene Umschichtung treibt jedoch die überwiegende Zahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in den finanziellen Ruin.

3. Ermittlung des Bedarfs

Angesichts knapper Finanzmittel müssen die notwendigen Hilfen für die Städte und Gemeinden noch gezielter als bisher eingesetzt werden. Das Ausgabeverhalten der einzelnen Städte und Gemeinden darf für die Zukunft nicht mehr die Grundlage für die Ermittlung des Bedarfs sein. Der Finanzausgleich muß sich vom Ausgabeverhalten früherer Jahre lösen und zukünftig an den besonderen Belastungen anknüpfen. Ziel muß sein, solide Haushaltswirtschaft und eigene Anstrengungen zur Einnahmeverbesserung zu belohnen, nicht aber Ausgabefreudigkeit zu Lasten allgemeiner kommunaler Finanzmittel zu fördern.

4. Gleiche Gewichtung aller Einwohner

Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß jeder Einwohner in Nordrhein-Westfalen bei der Bedarfsermittlung gleichgewichtet wird. So hat eine Untersuchung von Dr. Martin Junkernheinrich “Sonderbedarfe im kommunalen Finanzausgleich” ergeben, daß Dahlem, die kleinste Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, und Köln als größte Stadt des Landes mit jeweils rd. 1.500,-- DM je Einwohner den gleichen Zuschußbedarf aufweisen. Tatsächlich erhält Dahlem über den Finanzausgleich jedoch nur rd. 1.168,-- DM je Einwohner, Köln dagegen rd. 1.800,-- DM je Einwohner.

Unterschiedliche Belastungen der einzelnen Städte und Gemeinden entstehen vornehmlich im Bereich der Schulkosten, der Sozialhilfeausgaben sowie der zentralörtlichen Funktionen für das Umland. Diese Kosten sind durch gezielte Nebenansätze abzufangen.

5. Arbeitslosen-/Soziallastenansatz

Der vorgeschlagene Arbeitslosen-/Soziallastenansatz ist durch einen umfassenden Sozialhilfeansatz zu ersetzen, der alle Ursachen der Sozialhilfe erfaßt. Die Arbeitslosigkeit ist allein kein ausreichender Faktor für die Höhe der Sozialhilfeausgaben der einzelnen Städte und Gemeinden. Zerrüttete Familienverhältnisse, ein hoher Bestandteil an Aussiedlern und andere Gesichtspunkte sind ebenso ursächlich für die Höhe der Sozialhilfeausgaben. Nur auf der Grundlage der gesamten Sozialhilfeausgaben läßt sich der Finanzausgleich sachgerecht gestalten.

6. Strukturansatz

Der Strukturansatz, der als verkappter “Zentrale-Orte-Ansatz” ein Ausgleich für die zentralörtlichen der Städte und Gemeinden schaffen soll, ist in der von den Gutachtern gewählten Anlehnung an die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ungeeignet. Ein hoher Besatz an Arbeitsplätzen ist keineswegs gleichbedeutend mit den Versorgungsfunktionen einer Stadt oder Gemeinde für das Umland. Insoweit ist dieser Ansatz nicht in der Lage, den zentralörltichen Funktionen einer Gemeinde gerecht zu werden. Der Strukturansatz ist auch kein geeignetes Mittel, Anreiz zu geben, die eigenen Einnahmemöglichkeiten zu verbessern. Hier ist eine Absenkung des Ausgleichsatzes von zur Zeit 95.v.H. wesentlich besser geeignet.

7. Gutachter lösen Steuererhöhungswelle im kreisangehörigen Raum au

Bei der Ermittlung der Steuerkraft legen die Gutachter landesdurchschnittliche Steuerhebesätze zugrunde. Für die Gewerbesteuer sind dies 404 Punkte. Tatsächlich liegen die Hebesätze bei der Gewerbesteuer in Nordrhein-Westfalen zwischen 300 und 450 Punkten. Wenn in Zukunft bei der Gestaltung des Finanzausgleichs ein Hebesatz von 400 Punkten bei der Gewerbesteuer zugrunde gelegt wird, führt dies zu massiven Steuererhöhungen im kreisangehörigen Raum. Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden werden gezwungen sein, Betriebe und Unternehmen durch Steuererhöhungen zusätzlich in Höhe von 200 Mio DM zu belasten. Diese Mittel sollen dann den kreisfreien Städten zufließen

Eine solche Entwicklung ist politisch nicht durchsetzbar, erklärte Leifert. Denn für die Höhe der Hebesätze sind die Standortbedingungen und das wirtschaftspolitische Umfeld von entscheidender Bedeutung. Hier gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Großstädten und dem kreisangehörigen Bereich.

8. Breiter Konsens bei Neugestaltung des Finanzausgleichs notwendig

Eine grundlegende Neustrukturierung des kommunalen Finanzausgleichs ist nur auf der Basis einer weitgehenden Verständigung zwischen kreisfreien Städten auf der einen sowie kreisangehörigen Städten und Gemeinden und Kreisen auf der anderen Seite möglich. Ist bei einer Neukonzeption kein weitgehender Konsens bei der Festlegung neuer Verteilungskriterien für die Schlüsselzuweisungen zu erzielen, tritt der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund für die Bildung getrennter Schlüsselmassen zwischen den kreisfreien Städten auf der einen Seite sowie den kreisangehörigen Städten und Gemeinden auf der anderen Seite ein.

Während noch vor rd. 10 Jahren der kreisangehörige Raum an der gemeinsamen Schlüsselmasse angesichts der höheren Einwohnerzahlen mit rd. 60 % beteiligt war, hat sich dieses Verhältnis heute umgekehrt. Obwohl die Bevölkerungszahl in den Kreisen wesentlich größer ist als in den kreisfreien Städten, erhalten die kreisfreien Städte heute rd. 60 % von der gemeinsamen Schlüsselmasse. Jetzt soll dieses Verhältnis noch weiter zugunsten der kreisfreien Städte verändert werden. Damit muß nun endgültig Schluß sein, betonte Leifert.

Abschließend erklärte Leifert, daß der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund mit aller Kraft versuchen wird, eine Umsetzung der Vorschläge der Gutachter bereits im Rahmen des GFG 1996 zu verhindern. Ich halte es nicht für verantwortbar, daß unabhängig von den laufenden Hebesatzdiskussionen durch das ifo-Gutachten eine weitere Hebesatzwelle Anfang 1996 ausgelöst wird, so Leifert. Eine solche Entwicklung ist auch mit der lahmenden Konjunktur und der bereits jetzt bestehenden steuerlichen Belastung von Bürgern und Unternehmen nicht zu vereinbaren.

V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw      
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