"Digitalpakt war eine Anschubfinanzierung"

Hauptgeschäftsführer Christof Sommer im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger über digitale Schule, Corona-Lockerungen und den unverzichtbaren Beitrag der Ordnungsbehörden.

Die Angst vor Mutationen bremst Lockerungen. Was würde ein verlängerter Lockdown für die Städte und Gemeinden bedeuten?

Der Ausnahmezustand in den Kommunalverwaltungen geht weiter. Der Bund hat für NRW 200 Millionen Euro für den Ausbau der Gesundheitsämter zur Verfügung gestellt. Das reicht aber nicht aus. Wir benötigen den gleichen Betrag für die Ordnungsbehörden. Die Beschäftigten arbeiten dort seit Monaten am Anschlag. Sie müssen die komplexen Quarantänemaßnahmen umsetzen, auf die Maskenpflicht hinweisen oder Auflagen für den Hygieneschutz kontrollieren. Vor allem die Mitarbeitenden im Außendienst haben meinen größten Respekt. Sie halten den Kopf dafür hin, dass die Regeln eingehalten werden.

Wie würden Sie die 200 Millionen Euro einsetzen?

Wir brauchen zusätzliches Personal. Wenn es zu Öffnungen kommt, wird der Aufwand für Kontrollen noch einmal steigen, weil die Regeln differenzierter werden. Schon jetzt müssen viele Kommunen Leistungen einschränken, weil Personal umgeschichtet werden muss. Zum Beispiel in der Verkehrsüberwachung. Da werden jetzt zum Teil weniger Knöllchen geschrieben.

Viele Stadt-Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice. Schadet das dem Bürgerservice?

Es gibt derzeit mehr Kontakte am Telefon oder Online. Wenn Sie einen Ausweis brauchen, müssen sie aber ins Bürgerzentrum kommen. Da kann es zu Verzögerungen kommen, das kann man nicht schönreden. Im Home-Office arbeitet aber nur eine Minderheit der kommunalen Beschäftigten. Feuerwehrleute, die Müllabfuhr oder Erzieher können ihren Job nicht mit nach Hause nehmen. 

Die Inzidenzzahl von 50 gilt als Richtwert für Lockerungen. Wäre angesichts der höheren Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter auch ein höherer Grenzwert möglich?

Wir müssen die Gesamtsituation im Blick haben. Klar ist: Die Zahlen müssen sinken. Der Inzidenzwert von 50 darf aber kein Fetisch sein. Entscheidend ist die Kontrolle. Wenn das Infektionsgeschehen nicht diffus ist und man Ausbruchsherde identifizieren kann, sollten Lockerungen auch bei höheren Werten möglich sein. Ein wichtiger Faktor ist die Auslastung des Gesundheitswesens.

Wie weit ist die digitale Ausstattung der Schulen in NRW fortgeschritten?

Die Mittel aus dem Digitalpakt sind weitgehend abgerufen. Probleme gibt es manchmal noch mit Lieferengpässen, weil die Hersteller mit der Produktion kaum nachkommen. Sorge macht mir aber etwas anderes: Die Tablets müssen jetzt nicht nur in den Schulen sein, sondern sie müssen auch funktionieren. Früher hat sich vielleicht ein IT-affiner Lehrer um das Einrichten und Administrieren gekümmert. Das ist wegen der neuen Größenordnung nicht mehr zu leisten. Wir brauchen IT-Personal, das sich um den Aufgabenbereich kümmert. 

Wer bezahlt das?

Das müssen wir klären. Der Digitalpakt war nur eine Anschubfinanzierung. Was machen wir, wenn die neuen Tablets in fünf Jahren den Geist aufgeben? Für all das müssen wir auch auf Dauer viel Geld in die Hand nehmen. Wir rechnen damit, dass durch die IT-Ausstattung an den NRW-Schulen jährlich Folgekosten von einer Milliarden Euro entstehen. Das können die Kommunen nicht alleine schultern und wir erwarten, dass das Land sich seiner Mitverantwortung für die Digitalisierung der Schulen auch über die Pandemie hinaus stellt.

Der Bund will einen Rechtsanspruch auf Ganztagschule bis 2025 einführen. Was halten Sie davon?

Die Nachfrage nach Ganztagsbetreuung hat sich seit 2010 in NRW verdoppelt.  Ein Rechtsanspruch würde aber alle finanziellen Dimensionen sprengen. Das Deutsche Jugendinstitut rechnet mit jährlichen Betriebskosten von 4,5 Milliarden Euro. Da gehen bei mir alle roten Lampen an. Wenn die Kommunen das alleine tragen sollen, werden viele Städte und Gemeinden in NRW ihre Leistungen erheblich zurückfahren müssen oder in die Haushaltssicherung rauschen. Daran kann niemand ein politisches Interesse haben. 

 

Das Interview mit Hauptgeschäftsführer Christof Sommer veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung des Kölner Stadtanzeigers.

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