Randsortiment

Aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht NRW

1. Dem Begehren eines Bauantragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Zurückstellungsbescheid wiederherzustellen, fehlt regelmäßig nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
 
2. Für die Frage, ob ein bestimmtes Warensortiment eines Handelsbetriebs (hier: Bettenfachmarkt) als "Randsortiment" zu qualifizieren ist, kommt es nicht nur auf den rechnerischen Umfang der Verkaufsfläche an; von Bedeutung kann auch der Raumbedarf der jeweils im sog. "Kernsortiment" (hier: Schlafmöbel, Betten, Matratzen und Rahmen) und im sog. "Randsortiment" (hier: Bettwäsche und Frottierwaren) angebotenen Waren sein.
 
3. Die Qualifizierung eines Warenangebots als "Randsortiment" scheidet aus, wenn die unter diesem Etikett angebotenen Waren unter Umsatzgesichtspunkten ein wesentlich (mit)tragendes "Standbein" des Handelsbetriebs überhaupt sind.

BauGB § 15 Abs. 1 Satz 1; VwGO § 80 Abs. 5
OVG NRW, Beschluß vom 26.1.2000 - 7 B 2023/99 -;

I. Instanz: VG Arnsberg - 4 L 1379/99 -.
Der Antragsteller begehrte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Zurückstellungsbescheid. Sein Antrag wurde in I. Instanz wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abgelehnt. Das OVG trat dieser Wertung entgegen, wies die Beschwerde jedoch zurück, weil die Zurückstellung offensichtlich zu Recht erfolgt sei.

Aus den Gründen:
 
Der Antrag der Antragstellerin ist - entgegen der Auffassung des VG - allerdings nicht bereits unzulässig. Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ihr Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz.
 
Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Zurückstellungsbescheids hat der Antragsgegner bewirkt, daß die Zurückstellung trotz des hiergegen eingelegten Widerspruchs der Antragstellerin seine rechtliche Wirkung behält, nämlich daß der Antragsgegner aus hinreichendem Grund davon absehen kann, den Bauantrag der Antragstellerin weiter zu bearbeiten.
 
Vgl. zur aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Zurückstellungsbescheid: Nds. OVG, Beschluß vom 1.2.1989 - 1 B 145 und 161/98 - BRS 49 Nr. 156.
 
Rechtschutzziel des vorliegenden Antrags der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mithin, diese Berechtigung des Antragsgegners zur Untätigkeit zu beseitigen. Daran hat die Antragstellerin durchaus ein schützenswertes Interesse. Ist die Zurückstellung ihr gegenüber nicht vollziehbar, ist der Antragsgegner schon zur Vermeidung von möglichen Ersatzansprüchen gehalten, den Bauantrag zügig nach Maßgabe der geltenden Rechtslage zu bearbeiten. Er kann nicht - wie mit der Zurückstellung beabsichtigt - ohne weiteres bis zum Ablauf der Zurückstellungsfrist abwarten, daß das Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan abgeschlossen wird. Auch kann die Antragstellerin bei fehlender Vollziehbarkeit des Zurückstellungsbescheids nach Ablauf der Frist des § 75 VwGO zulässigerweise Untätigkeitsklage erheben und dadurch ihr eigentliches Ziel, die begehrte Baugenehmigung zu erhalten, zügig weiterverfolgen. Selbst für den Fall, daß der Bauantrag letztlich keinen Erfolg haben sollte, weil zwischenzeitlich entgegenstehendes Planungsrecht geschaffen worden ist, kann die Frage, ob der Antragsgegner auf Grund eines vollziehbaren Zurückstellungsbescheids zu Recht von einer Weiterbearbeitung des Bauantrags abgesehen hat, namentlich für eventuelle Ersatzansprüche der Antragstellerin von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere etwa dann, wenn der Interessent an der hier strittigen Nutzung wegen der zeitlichen Dauer des Baugenehmigungsverfahrens schließlich kein Interesse an der Aufnahme dieser Nutzung mehr hat und sich das Begehren der Antragstellerin deshalb - verursacht durch ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten des Antragsgegners - letztlich erledigt.
 
Die vom VG für seine gegenteilige Auffassung herangezogenen Fundstellen der Fachliteratur
- Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, RdNr. 19 zu § 15;
- Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB-Kommentar, RdNr. 13 zu § 15
sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Sie befassen sich mit der hier nicht interessierenden Frage, ob bzw. unter welchen Umständen ggf. ein Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Anfechtungsklage gegen einen Zurückstellungsbescheid besteht. Diese Frage tritt erst auf, wenn nach erfolglosem Widerspruch gegen den Zurückstellungsbescheid eine eventuelle Anfechtungsklage im Raum steht, was hier (noch) nicht der Fall ist. Zudem kommt ein fehlendes Rechtsschutzinteresse für ein Vorgehen gegen die Zurückstellung nur in Betracht, wenn der betroffene Bauherr überhaupt darauf verwiesen werden kann, sein Rechtsschutzziel mit einem gerichtlichen Begehren auf Erteilung einer Baugenehmigung zu verfolgen. Dafür ist bei einer vollziehbaren Zurückstellung kein Raum. Der Bauherr kann in diesem Fall - eben weil die Bauaufsichtsbehörde dann zu Recht von einer Bearbeitung seines Bauantrags absieht - jedenfalls nicht mit Aussicht auf Erfolg eine Verpflichtungsklage erheben.
 
Soweit das VG für den hier in Rede stehenden einstweiligen Rechtsschutz auf eine der Verpflichtungsklage "entsprechende einstweilige Anordnung" verweist, setzt es sich zu seinen eigenen nachfolgenden Ausführungen in Widerspruch. Dort ist unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Senats
- OVG NRW, Beschluß vom 14.2.1990 - 7 B 344/90 -
zutreffend ausgeführt, daß im Verfahren nach § 123 VwGO regelmäßig gerade keine Baugenehmigung erstritten werden kann, die die Hauptsache vorweg nehmen würde. Aus den vom VG gegenüber der vorgenannten Senatsentscheidung mit "a.A." gekennzeichneten weiteren Entscheidungen
- Nds. OVG, Beschluß vom 7.2.1989 - 1 B 145 und 161/88 - BRS 49 Nr. 156 und OVG Berlin vom 21.11.1994 - 2 S 28/94 - NVwZ 1995, 399 -
läßt sich keine andere Ansicht herleiten. Sie enthalten keineswegs die Aussage, daß eine Baugenehmigung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erstritten werden kann.
 
Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Zurückstellungsbescheid ist offensichtlich rechtmäßig, so daß für ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs kein Raum ist.
Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegen offensichtlich vor, weil die Realisierung des strittigen Vorhabens der Antragstellerin die Durchführung der Planung - hier des Entwurfs des Bebauungsplans - jedenfalls wesentlich erschweren würde. Nach dem derzeitigen Planungsstand ist davon auszugehen, daß das beantragte Vorhaben mit den in Aussicht genommenen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vereinbar ist.
 
Die Festsetzungen für den hier in Rede stehenden Bereich des Gewerbegebiets, in dem das strittige Vorhaben realisiert werden soll, sehen nach dem derzeitigen Planungsstand ausdrücklich einen Ausschluß von Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten wie "Einrichtungszubehör - ohne Möbel -" und "Haus- und Heimtextilien" vor. Darunter fällt auch ein sog. "Bettenfachmarkt", wie er nach den vorliegenden Antragsunterlagen der Antragstellerin genehmigt werden soll.
Nach der zuletzt vorgelegten Sortimentsumschreibung sollen in diesem "Bettenfachmarkt" mit insgesamt 450 qm Verkaufsfläche auf 370 qm Verkaufsfläche "Schlafmöbel, Betten, Matratzen und Rahmen" als sog. Kernsortiment sowie auf 80 qm Verkaufsfläche "Bettwäsche und Frottierwaren" als sog. Randsortiment angeboten werden. Mit diesen Umschreibungen ist schon zweifelhaft, ob das Angebot von "Bettwäsche und Frottierwaren", das eindeutig dem zentrenrelevanten Sortimentsbereich "Haus- und Heimtextilien"
- zur Zentrenrelevanz dieses Sortimentsbereichs vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.6.1998 - 7a D 108/96.NE - BRS 60 Nr. 1 -
zuzuordnen ist, überhaupt als sog. Randsortiment qualifiziert werden kann. Als Randsortiment kommen nur solche Waren in Betracht, die - wie schon aus dem Wortlaut "Rand"sortiment folgt - zu einem spezifischen Kernsortiment lediglich hinzutreten und dieses gleichsam ergänzend durch solche Waren anreichern, die jedenfalls eine gewisse Beziehung und Verwandtschaft mit den Waren des Kernsortiments haben. Zugleich muß das Angebot des Randsortiments dem Kernsortiment in seinem Umfang und seiner Gewichtigkeit deutlich untergeordnet sein.
Vgl. gleichfalls OVG NRW, Urteil vom 22.6.1998 a.a.0.
 
Diese Schwelle ist bei der hier vorgesehenen Aufteilung der Angebotspalette des geplanten "Bettenfachmarkts" überschritten. Insoweit spricht bereits alles dagegen, daß bei einem rein rechnerischen Umfang der Verkaufsfläche von rd. 18 % überhaupt noch von einer deutlichen Unterordnung des sog. "Randsortiments" gesprochen werden kann. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß das sog. Kernsortiment mit Schlafmöbeln, Betten, Matratzen und Rahmen schwerpunktmäßig großvolumige Artikel umfaßt, die naturgemäß einen hohen Raumbedarf haben, während das für den Verkaufsflächenanteil von 18 % vorgesehene sog. Randsortiment mit Bettwäsche (Laken, Bett- und Kissenbezüge u.a.m.) und Frottierwaren (z.B. Handtücher u.a.m.) ausschließlich kleinvolumige Artikel erfaßt, mit denen auf relativ geringer Fläche erhebliche Umsätze erzielt werden können. In Konstellationen dieser Art kann von einem .,Randsortiment" keine Rede mehr sein, wenn die unter diesem Etikett angebotenen Waren unter Umsatzgesichtspunkten ersichtlich ein wesentlich (mit)tragendes "Standbein" des Handelsbetriebs überhaupt sind.
 
Ob der hier vorgesehene "Bettenfachmarkt", dessen bloße von der Antragstellerin gewählte Etikettierung für die rechtliche Bewertung ohnehin nicht maßgeblich ist, damit schon wegen der Gewichtigkeit des Angebots an Bettwäsche und Frottierwaren als ein Betrieb zu qualifizieren ist, der bei objektiver Betrachtung auch schwergewichtig und nicht nur als "Randsortiment" Haus- und Heimtextilien und damit eine nach den vorgesehenen Planfestsetzungen unzulässige Sortimentsgruppe anbietet, kann im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch letztlich dahinstehen. Eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit den vorgesehenen Planfestsetzungen folgt jedenfalls schon daraus, daß selbst das sog. "Kernsortiment" nicht etwa eindeutig auf die nach derzeitigem Planungsstand zuzulassenden "Möbel" beschränkt ist. Neben die eindeutig dem Oberbegriff "Möbel" zuzuordnende Warenart "Schlafmöbel" sollen hier auch "Betten" treten.
 
Hierzu gehören nach natürlichem Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des üblichen Marktverständnisses nicht etwa nur die - mit Rahmen und Matratzen als Zubehör zu versehenden - Möbel, auf bzw. in denen geschlafen wird, sondern insbesondere auch die zum Schlafen erforderlichen Ober- oder Unterbetten (Federbetten einschließlich Kopfkissen, Einziehdecken, Matratzenauflagen u.a.m.), die mit der Bettwäsche bedeckt bzw. umhüllt werden. Diese sind keine Möbel. Auch Matratzen und Rahmen sind für sich betrachtet keine Möbel, sondern Zubehör zu Schlafmöbeln. Die Bestandteile "Betten", "Matratzen" und "Rahmen" des Kernsortiments dürften damit im weiteren Sinne eher als Einrichtungszubehör zu qualifizieren sein, das nach den vorgesehenen Planfestsetzungen - mit Ausnahme der Möbel als solchen - im Gewerbegebiet gerade ausgeschlossen werden soll.
 
Ist nach alledem von einer offensichtlichen Unvereinbarkeit des vorgesehenen "Bettenfachmarkts" mit den derzeit vorgesehenen Planfestsetzungen auszugehen, folgt hieraus die Zulässigkeit der strittigen Zurückstellung. Anderes würde allenfalls dann gelten, wenn für die vorgesehenen Planfestsetzungen keine Rechtsgrundlage ersichtlich oder sonst erkennbar ist, daß ein Plan mit dem hier vorgesehenen Inhalt rechtlich oder tatsächlich nicht verwirklichungsfähig wäre.
 
Vgl.: BVerwG, Beschluß vom 17.9.1987 - 4 B 185.87 - JURIS-DokNr. 433331.
 
Davon kann hier keine Rede sein. § 1 Abs. 9 BauNVO läßt es zu, die allgemeinen Differenzierungsmöglichkeiten der Baugebietstypen aus städtebaulichen Gründen einer "Feingliederung" zu unterwerfen, um die Vielfalt der Nutzungsarten im Plangebiet zu mindern. Grenzen bestehen lediglich insoweit, als sich die Ausschlüsse auf Nutzungsarten beziehen müssen, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt.
 
Vgl.: BVerwG, Beschluß vom 27.7.1998 - 4 BN 31.98 - BRS 60 Nr. 29.
 
Das unterliegt bei den hier für das Gewerbegebiet vorgesehenen Ausschlüssen einzelner zentrenrelevanter bzw. nahversorgungsrelevanter Sortimente keinem Zweifel.

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