Heft September 2002

Zuwendungen an Ratsgruppen

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß aufgrund Ratsbeschluß auch den im Rat vertretenen "Gruppen", die wegen Ihrer Größe keinen Fraktionsstatus innehaben, ein den Fraktionszuwendungen gemäß § 56 GO NRW vergleichbarer Zuschuß zur Geschäftsführung gezahlt wird (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002
- Az: 15 A 1958/01 -

Das OVG NRW hat nunmehr in dem Berufungsverfahren gegen die Bezirksregierung Düsseldorf entschieden, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, daß aufgrund Ratsbeschluß auch den im Rat vertretenen "Gruppen", die wegen Ihrer Größe keinen Fraktionsstatus innehaben, ein den Fraktionszuwendungen gemäß § 56 GO NRW vergleichbarer Zuschuß zur Geschäftsführung gezahlt wird. Die Kommunalaufsicht hatte in der Beanstandung des ursprünglichen Ratsbeschlusses ausgeführt, daß die Gemeindeordnung ausschließlich die Pflicht regele, den im Rat vertretenen Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung zu gewähren.

Der Gesetzgeber habe bewußt eine Priveligierung der Fraktionen getroffen. Für eine Ausdehnung der Regelung auf Gruppen ohne Fraktionsstatus bleibe daher kein Raum und Ansprüche fraktionsloser Mitglieder des Rates ergäben sich ausschließlich aus den Entschädigungsvorschriften der GO NRW und der Entschädigungsverordnung. Eine gesetzlich nicht gedeckte Zuwendung verstoße gegen das Prinzip sparsamer Haushaltsführung sowie gegen das Verbot verdeckter Parteienfinanzierungen.

Nach Auffassung des OVG NRW ist aus der Vorschrift des § 56 Abs. 3 GO NRW kein Verbot, auch Ratsgruppierungen ohne Fraktionsstärke Zuwendungen zu gewähren, abzuleiten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - bei den im Rat vertretenen Gruppierungen um organisatorisch verfestigte und in der Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattete Zusammenschlüsse handele.

Zu der Zulässigkeit der Zahlung von der Fraktionszuwendung vergleichbaren Entgeltleistungen an Einzelratsmitglieder ist in dem Urteil ausdrücklich keine Stellungnahme abgegeben worden. Vielmehr behandelt das Urteil sowie die Entscheidung in der Vorinstanz lediglich die Zahlung an "Ratsgruppen". Derartige "Ratsgruppen" sind nur denkbar bei Räten mit mehr als 57 Mitgliedern, da in diesem Fall die Fraktionen aus mindestens drei Mitgliedern bestehen müssen, vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW.

Die vom OVG NRW herangezogene Argumentation läßt wohl den Schluß zu, daß nach Auffassung des Gerichtes eine Zahlung an Einzelratsmitglieder unzulässig ist, da diese gerade keine organisatorisch verfestigte und in der Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattete Zusammenschlüsse bilden können. Ein Einzelratsmitglied hat schließlich auch keinen Geschäftsordnungsaufwand, der durch die Zuwendungen nach § 56 Abs. 3 GO NRW abgegolten werden soll.

Niedersächsische Gefahrtierverordnung nichtig

Der Verordnungsgeber war ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber nicht befugt, in der geschehenen Weise allein an die Zugehörigkeit von Hunden zu bestimmten Rassen anzuknüpfen. Ein bloßer Gefahrenverdacht rechtfertigt kein Einschreiten der Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung. Eingriffe der staatlichen Verwaltung in die Freiheitssphäre zum Zwecke der Gefahrenvorsorge müssen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in einem besonderen Gesetz vorgesehen sein (nichtamtliche Leitsätze).

BVerwG, Urteile vom 3.7.2002
- Az: 6 CN 5.01,6.01,7.01, 8.01 -

In der niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere werden zwei Kategorien von Hunden unterschieden. Das Halten, die Zucht und die Vermehrung der ersten Kategorie von Hunden, zu denen Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier sowie Kreuzungen dieser Hunde gehören, ist verboten. Für vorhandene Hunde wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt, wenn der Hund einen Wesenstest bestanden hat, die Haltung sicher ist und der Halter über die persönliche Eignung und die notwendige Sachkunde verfügt. Hunde, die den Wesenstest wegen eines außergewöhnlichen Aggressionspotenzials nicht bestehen, müssen getötet werden.

Das Bestehen des Wesenstests führt zu näher bestimmten Anforderungen an die Haltung und Führung des Hundes; außerdem ist er unfruchtbar zu machen. Die in einer Liste aufgeführten Hunde der zweiten Kategorie, zu denen auch Dobermann und Rottweiler, nicht aber etwa der Deutsche Schäferhund zählen, müssen außerhalb von Privatwohnungen und ausbruchsicheren Grundstücken mit Maulkorb versehen und angeleint sein. Nach bestandenem Wesenstest können davon Ausnahmen genehmigt werden.

Das OVG Lüneburg hatte auf Normenkontrollanträge von Hundehaltern hin mehrere Regelungen verworfen. Es hatte insbesondere das Haltungsverbot von Hunden der ersten Kategorie zum Zweck der Gefahrenabwehr nicht für erforderlich gehalten und in den Regelungen für die Hunde der zweiten Kategorie einen Gleichheitsverstoß insoweit gesehen, als Rottweiler und Dobermann, nicht aber der Deutsche Schäferhund erfasst sind.

Das BVerwG hat die Entscheidungen des OVG im Ergebnis bestätigt und die grundlegenden Regelungen der angegriffenen Verordnung für nichtig erklärt. Der Verordnungsgeber war ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber nicht befugt, in der geschehenen Weise allein an die Zugehörigkeit von Hunden zu bestimmten Rassen anzuknüpfen. Nach den vorliegenden Feststellungen besteht für bestimmte Rassen derzeit zwar der Verdacht, dass von ihnen erhöhte Gefahren ausgehen. Es ist jedoch in der Wissenschaft umstritten, welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen – Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters sowie situative Einflüsse – für die Auslösung von aggressivem Verhalten zukommt.

Ein bloßer Gefahrenverdacht rechtfertigt kein Einschreiten der Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung. Vielmehr müssen Eingriffe der staatlichen Verwaltung in die Freiheitssphäre – hier der Hundehalter – zum Zweck der Gefahrenvorsorge nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in einem besonderen Gesetz vorgesehen sein. Es ist Sache des Landesparlaments, den Eigenarten der Materie entsprechend und unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der betroffenen Bevölkerungskreise die erforderlichen Rechtsgrundlagen für eine Gefahrenvorsorge zu schaffen, d.h. ggfs. die Einführung von Rasselisten selbst zu verantworten. Ein derartiges Gesetz liegt in Niedersachsen nicht vor.

Auf die im Hinblick auf den Gleichheitssatz gewichtigen Bedenken dagegen, dass der Verordnungsgeber es unterlassen hat, seine Regelungen namentlich auf den Deutschen Schäferhund zu erstrecken, kam es für die Revisionsentscheidungen nach dem Gesagten nicht mehr an.

Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft verfassungsgemäß

Das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft vom 16.2.2001 ist verfassungsgemäß und verletzt nicht den in Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) normierten Schutz der Ehe und Familie. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1.8.2001 schon eingetragene Lebenspartnerschaften haben weiterhin Bestand (nichtamtliche Leitsätze).

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17.7.2002
- Az: 1 BvF 1/01,1 BvF 2/01 -

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Urteil in den Normenkontrollverfahren der Landesregierungen von Bayern, Sachsen und Thüringen über das Lebenspartnerschaftsgesetz festgestellt, dass das angegriffene Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Das Gesetz ist danach verfassungsgemäß zustandegekommen und verstößt nach Auffassung der Senatsmehrheit von 5:3 auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, der die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft berührt nicht die grundrechtlich geschützte Eheschließungsfreiheit. Verschiedengeschlechtliche Paare können nämlich durch dieses neue Institut nicht vom Eheschluss abgehalten werden, da es ihnen verschlossen bleibt. Eine schon eingegangene Lebenspartnerschaft steht nach dem Gesetz einer Eheschließung nicht entgegen.

Das GG verlangt, die Ehe als Lebensform anzubieten und zu schützen. Dieser Institutsgarantie hat der Gesetzgeber mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zuwidergehandelt. Das GG gewährleistet die Ehe in ihrer jeweiligen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Dabei sind allerdings die wesentlichen Strukturprinzipien zu beachten, die den Gehalt der Ehe prägen. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auch, dass die Ehe die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist. Dieses Strukturprinzip der Ehe ist aber durch das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht betroffen. Vielmehr haben sämtliche eherechtlichen Regelungen nach wie vor Bestand. Da sich die Institutsgarantie nur auf die Ehe bezieht, kann ihr kein Verbot entnommen werden, gleichgeschlechtlichen Partnern die Möglichkeit einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Partnerschaft zu eröffnen.

Schließlich verstößt das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht gegen das in Art. 6 Abs. 1 GG als wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe- und Familienrecht enthaltene Gebot, der Ehe einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung zu geben. Die Ehe wird durch das Gesetz weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt. Dadurch, dass die Rechte und Pflichten der Lebenspartner in weiten Bereichen denen der Ehegatten nachgebildet sind, werden diese nicht schlechter als bisher gestellt und auch nicht gegenüber Lebenspartnern benachteiligt. Der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft wird auch nicht gegen das Gebot verstoßen, die Ehe als Lebensform zu fördern. Der Ehe wird keine Förderung entzogen, die sie bisher erfahren hat. Aus der Zulässigkeit, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein Gebot herleiten, diese gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe ausgestaltet und mit geringeren Rechten versehen werden müssten.

Sein Schutz- und Förderauftrag gebietet es dem Gesetzgeber allerdings, dafür Sorge zu tragen, dass die Ehe die Funktion erfüllen kann, die ihr von der Verfassung zugewiesen ist. Die Besonderheit des Schutzes von Ehe und Familie liegt darin, dass allein diese, nicht dagegen andere Lebensformen von der Verfassung geschützt sind.

Dem Fördergebot zuwider handeln würde der Gesetzgeber deshalb, wenn er ein mit der Ehe austauschbares Institut mit derselben Funktion und etwa gleichen Rechten oder geringeren Pflichten anbieten würde. Dies ist bei der Lebenspartnerschaft jedoch nicht der Fall. Sie kann mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten, weil der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt.

© StGB NRW 2002

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