Heft November 2016

Antragsberechtigung für Grundsteuererlass

  1. Antragsberechtigt nach §§ 33, 34 GrStG ist nur der Steuerschuldner.
  2. Persönlich Haftende nach § 11 Abs. 2 GrStG sind nicht antragsberechtigt i. S. d. §§ 33, 34 GrStG.

(Orientierungssätze)

VG Kassel, Urteil vom 23.02.2016
- Az. 6 K 33/13.KS

Die Klägerin begehrte für ihr im Gebiet der beklagten Kommune gelegenes Grundstück für das Jahr 2009 einen Teilerlass der Grundsteuer. Zum 01.03.2009 hatte die Klägerin das Grundvermögen und den dort ansässigen Gesamtbetrieb von einer Kommanditgesellschaft käuflich erworben. Aufgrund einer entsprechenden Regelung im Kaufvertrag zahlte die Klägerin die Grundsteuer für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2009 für einen Teil des Grundstücks an den Verkäufer, der die gesamte Grundsteuer für das Jahr 2009 wiederum an die Gemeinde entrichtete. Die Klägerin wurde von der Beklagten durch Haftungsbescheid nicht in Anspruch genommen. Sie wurde neue Steuerschuldnerin erst ab dem 01.01.2010.

Im März 2010 beantragte die Klägerin hinsichtlich des genannten Grundstücksteils den Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG für das Kalenderjahr 2009 um mindestens 25 Prozent, insbesondere weil die Ausnutzung des Grundstücks um mehr als 50 Prozent gemindert gewesen sei. Die Gemeinde lehnte den Antrag ab.

Zu Recht, wie das Gericht unterstrich: Die Klägerin sei hier nämlich schon nicht antragsberechtigt i. S. d. §§ 33, 34 GrStG gewesen, denn antragsberechtigt sei nur der jeweilige Steuerschuldner. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum aber keine Steuerschuldnerin gewesen, sondern erst ab dem Jahr 2010. Steuerschuldnerin im relevanten Zeitraum war die Verkäuferin.

Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften folge, dass nur der Steuerschuldner einen Erlass erhält und nur er einen Erlass nach § 34 GrStG beantragen kann. Dies belege auch § 34 Abs. 3 GrStG, der ausdrücklich den Steuerschuldner nennt. Gem. § 10 Abs. 1 GrStG sei Schuldner der Grundsteuer aber derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung des Einheitswerts zugerechnet ist. Die Feststellung hierüber wird im Grundsteuermessbescheid getroffen. Die Zurechnung auf die Klägerin sei hier erst ab dem 01.01.2010 durch den Bescheid des Finanzamtes erfolgt.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie als persönlich Haftende i. S. d. § 11 Abs. 2 GrStG den Erlass nach § 33 GrStG beantragen könne. Denn eine analoge Anwendung der §§ 33, 34 GrStG auf den Haftungsschuldner komme mangels vergleichbarer Interessenlage nicht in Betracht.

Die Klägerin könne einen Erlassanspruch schließlich auch nicht auf § 227 AO stützen. Mit einem Erlassantrag hätte die Klägerin nämlich nur dann ihre öffentlich-rechtliche Zahlungspflicht gegenüber der Beklagten verringern können, wenn die Beklagte ihr gegenüber einen Haftungsbescheid erlassen hätte. Dies sei aber, wie die Klägerin im Übrigen selbst vorgetragen habe, nicht der Fall gewesen.

Öffentlichkeit einer Straße

  1. Die Öffentlichkeit von Straßen und Wegen, die vor Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Straßenrechts entstanden sind, ist nach dem Wegerecht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt ihrer Entstehung galt.
  2. Das Entstehen einer öffentlichen Straße unter Geltung des preußischen Wegerechts setzt nach der sog. Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts die ausdrückliche oder konkludente Zustimmung der drei maßgeblichen Rechtsbeteiligten (des Wegeeigentümers, des Wegebaulastträgers und der Wegepolizeibehörde) voraus.
  3. Der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung begründet eine widerlegliche Vermutung für die Öffentlichkeit eines Weges, wenn dieser ein „alter Weg“ ist, dessen Entstehung und ursprüngliche rechtliche Verhältnisse im Dunkeln liegen, er nachgewiesenermaßen bereits im Jahr 1882 bestand und seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder wegeunterhaltungspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist.
  4. Allein die Darstellung eines Weges in historischen Karten belegt grundsätzlich noch nicht, dass es sich um einen öffentlichen Weg handelt. Denn derartige Karten treffen regelmäßig lediglich Aussagen über den tatsächlichen Verlauf eines Weges und ggf. über die Eigentumsverhältnisse.

(Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Urteil vom 19.05.2016
- Az. 11 A 1090/14 -

Die Beteiligten stritten über die Öffentlichkeit einer Straße eines Ortsteils von Wuppertal. Der Ortsteil war zunächst Teil der Grafschaft Hardenberg, kam dann zum Herzogtum Berg und gehörte ab 1806 zum napoleonischen Großherzogtum Berg. Nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 bis zur Auflösung des Staates Preußen nach Ende des Zweiten Weltkriegs war er preußisch. Bis zum 31.12.1974 gehörte der Ortsteil zur Stadt Neviges und gehört nunmehr zur Stadt Wuppertal. Als die Anlieger in den 1960er-Jahren im Auftrag der Stadt Neviges der Asphaltierung wegen zu „Anliegerbeiträgen“ herangezogen wurden, wies der damalige Stadtdirektor mehrfach schriftlich darauf hin, dass es sich bei dem Weg um einen öffentlichen Weg handele, der unter Beteiligung der Anlieger als Wirtschaftsweg ausgebaut worden sei.

Zwei der Anlieger erhoben in 2013 Klage auf Feststellung der Öffentlichkeit des Wegs, die in erster Instanz abgewiesen wurde. Auch die Berufung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, der Weg sei keine öffentliche Straße. Öffentliche Straßen seien gemäß StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, wobei die Widmung durch Allgemeinverfügung, d. h. förmlich erfolgen müsse. Eine solche förmliche Widmung sei unstreitig nicht erfolgt.

Im Übrigen seien zwar auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze öffentliche Straßen, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen. Es stehe aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Weg vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes am 01.01.1962 eine öffentliche Straße war. Die Öffentlichkeit ergebe sich weder aus dem ehemals geltenden Bergischen Recht noch aus einer Widmung nach der vom preußischen Oberverwaltungsgericht entwickelten Widmungstheorie noch könne eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung festgestellt werden.

Nach den vor 1962 geltenden Vorschriften könne der Weg nicht gewidmet sein. Denn diese Vorschriften hätten nur bestehende Wege betroffen und keine Regelungen über die Voraussetzungen der Entstehung eines öffentlichen Weges enthalten. Weil die Äußerungen des damaligen Stadtdirektors nach 1962 abgegeben wurden, sei auch die ab 1962 vom neuen Straßenrecht verdrängte Widmungstheorie unbeachtlich.

Schließlich komme auch der Grundsatz der unvordenklichen Verjährung nicht zum Tragen. Danach hätte der Weg im vorliegenden Fall bereits 1882 existieren müssen, um als „alter Weg“ zu gelten, dessen Öffentlichkeit widerleglich vermutet werde. Mit Rücksicht auf die erheblichen Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Eigentümers, über dessen privaten Grund ein öffentlicher Weg verläuft, könne im Zweifel nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden.

Gebührensätze für Schmutz- und Niederschlagswasser

  1. Die Ermittlung der Gebührensätze für die Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeseitigung erfordert jeweils eine gesonderte Gebührenbedarfsberechnung. Sofern bestimmte Anlagen der Abwasserbeseitigung sowohl der Schmutzwasserbeseitigung als auch der Niederschlagswasserbeseitigung dienen, sind die anfallenden Anlagen- und Betriebskosten nach Grundsätzen der Kostenverursachung auf beide Bereiche aufzuteilen.
  2. Die Anwendung der im Kanalanschlussbeitragsrecht als zulässig angesehenen fiktiven Zwei-Kanal-Methode, bei der die Kosten der Mischwasserkanalisation nicht auf die Leistungsbereiche, sondern auf die Kostenträger (private Anlieger bzw. Träger der Straßenbaulast) verteilt werden, ist im Gebührenrecht methodisch verfehlt.

(Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 24.08.2016
- Az. 9 A 777/15 -

Die beklagte Gemeinde zog das klagende Land zu Abwassergebühren für die Straßenoberflächenentwässerung von im Gemeindegebiet verlaufenden Landesstraßen heran. Das OVG NRW hat die der Klage stattgebende Entscheidung des VG in zweiter Instanz bestätigt.

Die den Gebührensätzen für Schmutzwasserbeseitigung sowie Niederschlagswasserbeseitigung für Straßen und sonstige Flächen zugrunde liegende Gebührenkalkulation der Gemeinde beruhte auf der sog. fiktiven Zwei-Kanal-Methode. Diese Methode fingiert als Berechnungsmodell das Vorhandensein zweier Kanäle, nämlich eines Kanals für die Straßenoberflächenentwässerung und eines weiteren Kanals als Mischkanal für Schmutzwasser und Niederschlagswasser von sonstigen Flächen. Die entsprechende Gebührensatzung sehe danach für die Entwässerung öffentlicher Straßen höhere Gebührensätze vor als für die Entwässerung sonstiger Flächen.

Die Gerichte beurteilten die streitbefangenen Gebührensätze für die Entsorgung des Niederschlagswassers auf öffentlichen Straßenflächen als nichtig. Die Kostenverteilung beruhe auf einem methodischen Fehler, der dazu führe, dass die Gebühren für die Niederschlagsentwässerung der öffentlichen Straßen gegen das Kostenüberschreitungsverbot verstießen. Die Anwendung der - im Kanalanschlussbeitragsrecht durchaus als zulässig anzusehenden - fiktiven Zwei-Kanal-Methode sei demgegenüber im Gebührenrecht methodisch verfehlt.

Denn sie verteile die Kosten der Mischwasserkanalisation nicht auf die Leistungsbereiche, nämlich die abwassertechnischen Funktionen Schmutzwasser und Regenwasser, sondern auf die Kostenträger Grundstücksentwässerung, die den privaten Anliegern zur Last falle, und Straßenentwässerung, für die der jeweilige Straßenbaulastträger gebührenpflichtig sei. Der von der Gemeinde angenommene Kostenanteil für die Niederschlagswasserbeseitigung von insgesamt 70,85 v. H. liege so weit über der allgemein anerkannten Bandbreite von 40 v. H. bis 50 v. H., dass er auch deshalb nicht als verursachergerecht angesehen werden könne. Dieser Bandbreite komme zwar nicht die Qualität eines Rechtssatzes zu, entspreche aber Erfahrungswerten.

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