Heft November 2003

Rücknahme einer Einbürgerung nach Scheinehe

Eine im Hinblick auf die Ehe mit einer Deutschen erfolgte Einbürgerung ist rechtswidrig und kann zurückgenommen werden, wenn es sich um eine sog. Scheinehe handelt (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteil vom 9. September 2003
- Az.: 1 C 6.03 -

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Rücknahme einer Einbürgerung für zulässig erklärt, die ein Ausländer durch Täuschung über das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Ehefrau erlangt hat.

Der aus der Türkei stammende Kläger reiste im Dezember 1991 (nach Scheidung seiner Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen) in das Bundesgebiet ein und stellte erfolglos einen Asylantrag. Vor seiner ihm angedrohten Abschiebung heiratete er im August 1992 eine deutsche Staatsangehörige, die drogenabhängig war und zeitweilig der Prostitution nachging. Daraufhin erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis. Im April 1997 wurde er im Hinblick auf diese Ehe (nach § 9 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes) - zusammen mit seiner 1986 in der Türkei geborenen Tochter aus erster Ehe - eingebürgert. Wenig später wurde die Ehe auf Antrag des Klägers geschieden. Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger seine frühere türkische Ehefrau im Dezember 1997 erneut geheiratet hatte, nahm das beklagte Land die Einbürgerung wegen falscher Angaben und arglistiger Täuschung zurück. Die hiergegen gerichtete - in erster Instanz erfolgreiche - Klage hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das BVerwG hat entschieden, dass die Einbürgerung des Klägers zu Recht zurückgenommen worden ist. Seine im Hinblick auf die Ehe mit einer Deutschen erfolgte Einbürgerung war rechtswidrig, da es sich hierbei um eine sog. Scheinehe handelte. Eine eheliche Lebensgemeinschaft war nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nie beabsichtigt und wurde auch nie aufgenommen. Hierüber hat der Kläger die Ausländer- und die Einbürgerungsbehörde des Beklagten vorsätzlich getäuscht. Eine derart erschlichene Einbürgerung darf zurückgenommen werden. Dies hat der Senat kürzlich für eine andere Fallkonstellation entschieden (vgl. Urteil vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02).

Dagegen hatte die Revision der Tochter Erfolg, die mit dem Vater eingebürgert worden war, aber seit ihrer Einreise im Jahr 1993 bei den Großeltern in Deutschland lebt. Zwar ist auch diese Einbürgerung durch Täuschung des Vaters erwirkt und deshalb rücknehmbar. Der Beklagte und der Verwaltungsgerichtshof haben jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Tochter des Klägers keine eigene Täuschungshandlung vorzuwerfen ist. Für eine fehlerfreie Ausübung des Rücknahmeermessens hätten ihre persönlichen schutzwürdigen Belange angemessen berücksichtigt werden müssen.

Sprachanforderungen an Spätaussiedler

Die nach dem Bundesvertriebenengesetz erforderlichen Deutschkenntnisse der Spätaussiedler müssen so ausgestaltet sein, dass der Aufnahmebewerber sich inhaltlich über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich, über alltägliche Situationen und Bedürfnisse oder die Berufsausübung äußern kann. In formeller Hinsicht ist die Fähigkeit zu einem einigermaßen flüssigen, in ganzen Sätzen erfolgenden Austausch in Rede und Gegenrede erforderlich. Nicht ausreichend sind dagegen das Aneinanderreihen einzelner Worte ohne Satzstruktur oder insgesamt nur stockende Äußerungen (nichtamtliche Leitsätze).

BVerwG, Urteile vom 4. September 2003
- Az.: 5 C 33.02 und 5 C 11.03 -

Das BVerwG hat in zwei Revisionsverfahren die Anforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache durch Spätaussiedler als Voraussetzung für ihre Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland näher geklärt. Nach dem Bundesvertriebenengesetz kann ein Aufnahmebescheid nur erteilt werden, wenn der Betreffende im Zeitpunkt der Ausreise aufgrund familiärer Vermittlung der deutschen Sprache zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann.

Inhaltlich muss der Aufnahmebewerber sich daher über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich (z.B. Kindheit, Schule, Sitten und Gebräuche), über alltägliche Situationen und Bedürfnisse (Wohnverhältnisse, Einkauf, Freizeit, Reisen, Wetter u. Ä.) oder die Berufsausübung - ohne dass es dabei auf exakte Fachtermini ankommt - äußern können. In formeller Hinsicht ist die Fähigkeit zu einem einigermaßen flüssigen, in ganzen Sätzen erfolgenden Austausch in Rede und Gegenrede erforderlich, wobei weder bereits ein Suchen nach Worten oder stockendes Sprechen, also ein langsameres Verstehen und Reden als zwischen in Deutschland aufgewachsenen Personen, noch Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache schädlich sind, welche nach Art oder Zahl eine Verständigung nicht hindern. Nicht ausreichend sind dagegen u.a. das Aneinanderreihen einzelner Worte ohne Satzstruktur oder insgesamt nur stockende Äußerungen. Nicht erforderlich ist die vom Berufungsgericht verlangte grammatikalische Korrektheit der Äußerungen. Ebenso wenig durfte die Vorinstanz die Sprachfähigkeit deshalb verneinen, weil einige Fragen erst nach deren Wiederholung oder Umformulierung verstanden wurden. Da auch die Modalitäten der Beantragung und Erteilung eines Inlandpasses im Herkunftsland und eine auf das Verfahren bezogene Befragung durch das Gericht keinen einfachen Gesprächsinhalt darstellen, wurden die Sachen zur erneuten Prüfung des Sprachvermögens der Klägerinnen anhand des vorstehenden Maßstabs zurückverwiesen.

Betriebsbereich für Notfallrettung durch Private

In Nordrhein-Westfalen umfasst der Betriebsbereich für die Notfallrettung durch Private grundsätzlich das Gebiet, das in einer Eintreffzeit von 8 Minuten (innerstädtisch) bedient werden kann.

OVG NRW, Beschluss vom 31. März 2003
- Az.: 13 B 16/03 -

Der Antragsteller betreibt Notfallrettung in einer nordrhein-westfälischen Stadt. In der Genehmigung hierzu hatte der Antragsgegner einen Betriebsbereich festgesetzt, dessen Grenzen von dem Rettungstransportwagen vom Betriebssitz des Antragstellers aus in weniger als 4 Min. zu erreichen waren. Betriebsbereich ist das Gebiet, in dem das private Unternehmen zur Entgegennahme von Beförderungsaufträgen berechtigt ist. Für die eigene Rettungswache, die neben dem Betriebssitz des Antragstellers liegt, hatte der Antragsgegner zuvor denselben Einsatzbereich festgesetzt. Die Orientierung hieran bei der Festlegung des Betriebsbereichs des Antragstellers sah das VG als sachgerecht an und lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Vergrößerung des Betriebsbereichs zu Gunsten des Antragstellers ab. Die Beschwerde des Antragstellers hatte Erfolg.

Der Antragsgegner wurde unter Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Genehmigungsbescheid zur Notfallrettung mit einem Rettungstransportwagen dahin abzuändern, dass dem Antragsteller für den fraglichen RTW ein Betriebsbereich zugewiesen wird, der durch die binnen 8 Minuten ab Eingang des Notrufes erreichbaren Grenzen (innerhalb von R.) bestimmt wird.

Der Einsatzbereich in der Notfallrettung ist von wesentlicher Bedeutung für die Ausübung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Eine unangemessene Beschränkung des Betriebsbereichs kann den Wert einer Genehmigung zum Notfalltransport, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht, reduzieren, ja aushöhlen. Soll von dem in NRW grundsätzlich sachgerechten Betriebsbereich mit den Grenzen, die in der Eintreffzeit von 8 Minuten (innerstädtisch) zu erreichen sind, abgewichen werden, müssen hierfür besondere - eine Einschränkung des Grundrechts rechtfertigende - Gründe vorliegen. So besagt auch die von dem Antragsgegner herangezogene Kommentierung zum Rettungsgesetz NRW durch Prütting (3. Aufl. 2001) in § 22 RZ 25 zutreffend: "Bei der Notfallrettung ergeben die Grenzen des Betriebsbereichs sich aus der Eintreffzeit am Notfallort". Unzutreffenderweise beruft sich der Antragsgegner auf die anschließende Kommentarstelle mit folgendem Wortlaut: "Ausgehend vom Betriebssitz des Unternehmens ist als Betriebsbereich ein Einsatzradius nach den Kriterien festzulegen, die der jeweilige Träger des Rettungsdienstes für seine Rettungswachenbereiche bestimmt hat." Diese Aussage ist im Lichte der Art. 3 und 12 GG dahin zu verstehen, dass der Maßstab für Privatunternehmer bei der Bestimmung des Betriebsbereichs kein ungünstigerer sein darf als derjenige, an dem sich der Träger des öffentlichen Rettungsdienstes selbst orientiert. Sollte mit der genannten Aussage auch die seltene Ausnahme gemeint sein, dass bei Einschränkung des Rettungswachenbereiches auf Grenzen, die in weniger als 8 Minuten zu erreichen sind, dieser auch für Privatunternehmer gelten soll, könnte dem der Senat nicht folgen.

Die Aussage des Antragsgegners, um die Hilfsfristen so kurz wie möglich zu halten, seien die Einsatzbereiche unter dem Gesichtspunkt der kürzesten Anfahrt optimiert worden, überzeugt dann nicht, wenn von einer geringeren Eintreffzeit als 8 Minuten ausgegangen wird, zumal wenn in anderen Rettungswachenbereichen andere Eintreffzeiten gelten. Eine solche besondere Niveaupflege könnte zwar der öffentliche Rettungsdienst vorsehen. Da aber gleichzeitig das Grundrecht auf Berufsausübung des Privatunternehmers eingeschränkt wird, ist in Nordrhein-Westfalen eine solche Inhaltsbestimmung der Genehmigung allenfalls unter ganz besonderen Sachgesichtspunkten hinnehmbar, die hier nicht vorliegen. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern es zu Verwirrungen kommen könnte, wenn der RTW der Antragstellerin auch außerhalb des für den Rettungswachenbereich vorgegebenen Gebietsbereich - allerdings nicht außerhalb des Stadtgebietes - Notfallopfer aufnehmen dürfte.

Unter den gegebenen Umständen erschien der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - bis zum Ende der Genehmigung, längstens bis zur endgültigen Entscheidung zum Nachteil der Antragstellerin in einem etwaigen Hauptsacheverfahren - nötig, um wesentliche Nachteile für die Antragstellerin bei der Ausübung ihres Grundrechts abzuwenden und um effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewähren.

© StGB NRW 2003

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