Heft Mai 2015

Erschließungsvertrag und Nachforderungen

Grundstückseigentümer, die sich mit der Gemeinde vertraglich über die von ihnen zu tragenden Erschließungskosten geeinigt haben, können nicht für Mehrkosten herangezogen werden, die im Wesentlichen inflationsbedingt entstanden sind (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteile vom 21. Januar 2015
- Az.:
9 C 1.14, 9 C 2.14, 9 C 3.14, 9 C 4.14, 9 C 5.14 -

Die beklagte Stadt Menden schloss Anfang der 1970er-Jahre mit den Klägern sog. Ablösungsverträge. Darin verpflichteten sich die Kläger, die auf ihre Baugrundstücke entfallenden anteiligen Erschließungskosten bereits vor Fertigstellung der Erschließungsstraße zu zahlen. Damit sollte der nach der endgültigen Herstellung der Straße an sich fällige Erschließungsbeitrag vollständig abgegolten sein.

Die Kläger zahlten daraufhin an die beklagte Stadt Beträge zwischen 3.283 DM und 4.144 DM. Die Straße wurde jedoch erst 2007 fertiggestellt. Mittlerweile hatte sich der Erschließungsaufwand von den ursprünglich veranschlagten 261.272 DM auf 407.172 Euro erhöht. Daraufhin zog die Beklagte die Kläger im Jahr 2012 - unter Anrechnung der in den 1970er-Jahren geleisteten Zahlungen - zu Erschließungsbeiträgen zwischen 4.069 Euro und 6.426 Euro heran.

Sie berief sich hierbei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1990, dem zufolge ein Nacherhebungsrecht besteht, wenn der auf das Grundstück entfallende Erschließungsbeitrag das Doppelte oder mehr als das Doppelte des vereinbarten Ablösungsbetrags ausmacht (sog. Missbilligungsgrenze). Das VG Arnsberg gab den dagegen gerichteten Klagen der Grundstückseigentümer statt und hob die angefochtenen Beitragsbescheide auf.

Die dagegen gerichteten Sprungrevisionen der beklagten Stadt wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. An der Missbilligungsgrenze hält das Gericht nicht fest. Die vorliegenden Fälle eines rein preissteigerungsbedingten Überschreitens dieser Grenze zeigten, dass diese zu unangemessenen Ergebnissen zulasten des Bürgers führen können. Auch soweit aus anderen, nicht preissteigerungsbedingten Gründen in Einzelfällen ein nicht mehr tolerierbares Missverhältnis zwischen der Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten und dem ihm vermittelten Vorteil bestehen sollte, bedürfe es keiner absoluten Grenze.

Den bundesrechtlichen Vorgaben sei vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen Rechnung zu tragen. Eine Steigerung des Erschließungsaufwandes, die im Wesentlichen inflationsbedingt ist, stelle danach ein ablösungstypisches Risiko dar und begründe keinen Anpassungsanspruch der Gemeinde.

Rundfunkbeitrag verfassungsgemäß

Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegnet keinen durchgreifenden europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Der durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sowohl für den privaten Bereich als auch für den nicht privaten Bereich ausgestaltete Rundfunkbeitrag ist keine verdeckte Steuer, die der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfiele (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Urteile vom 12. März 2015
- Az.:
2 A 2311/14, 2 A 2422/14 und 2 A 2423/14 -

Mit den Urteilen hat das Oberverwaltungsgericht NRW die Berufungen von drei Klägern zurückgewiesen, die sich gegen die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich durch den WDR gewandt hatten. Die klageabweisenden Urteile der VG Arnsberg und Köln wurden damit bestätigt. Die Kläger hatten insbesondere geltend gemacht, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV), der seit dem 1. Januar 2013 die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen darstellt, verfassungswidrig sei.

In der mündlichen Urteilsbegründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegne keinen durchgreifenden europarechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere sei er in allen seinen Regelungsteilen formell und materiell verfassungsgemäß. Die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung des Rundfunkbeitrags liege bei den Ländern. Der durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sowohl für den privaten Bereich als auch für den nicht privaten Bereich ausgestaltete Rundfunkbeitrag sei keine (verdeckte) Steuer, die der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfiele.

Auch wenn die Anknüpfung der Beitragserhebung an die Wohnung (im privaten Bereich) bzw. an die Betriebsstätte (im nicht privaten Bereich) allgemein gefasst sei, handele es sich noch um einen echten Beitrag. Der Rundfunkbeitrag bleibe eine Gegenleistung für die individuelle Empfangsmöglichkeit öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer speziellen, zweckgebundenen Finanzierungsfunktion nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel. Mit Blick auf seinen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung, der seinerseits verfassungsrechtlich garantiert sei, habe der Gesetzgeber typisierend annehmen dürfen, dass von der Rundfunkempfangsmöglichkeit üblicherweise in den gesetzlich bestimmten Raumeinheiten Wohnung und Betriebsstätte Gebrauch gemacht wird.

Besondere Härtefälle könnten über die ausnahmsweise Befreiungsmöglichkeit des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV gelöst werden. In materieller Hinsicht verstoße der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag namentlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Auch insoweit bewege sich der Gesetzgeber noch im Bereich einer zulässigen Typisierung als sachlichem Grund für die Anbindung der Beitragspflicht an die Wohnung bzw. die Betriebsstätte.

Dies gelte gerade unter Berücksichtigung sowohl der gesetzlich vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten und Ausnahmen als auch der degressiven Staffelung der Beitragspflicht für Betriebsstätten nach der Anzahl der Beschäftigten. Zuletzt seien auch die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehenen Nachweis- und Anzeigepflichten ebenso wie der einmalige Meldedatenabgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vereinbar. Aus den vorstehenden Gründen sei eine Vorlage der Sachen an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht gekommen.
Der Senat hat die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Schadenersatz bei verspäteter Beförderung

Hätte ein Beamter bei Zugrundelegung des hypothetischen und rechtmäßigen, d.h. auch das Haushaltsrecht berücksichtigenden Alternativverhaltens keine ernsthafte Beförderungschance gehabt, erhält er auch dann keinen Schadensersatz, wenn leistungsschwächer beurteilte Beamte befördert worden sind (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteil vom 19. März 2015
- Az.:
2 C 12.14 -

Die Klägerin ist Polizeibeamtin im Dienste Hamburgs. Sie wurde für die Beförderungsverfahren des Jahres 2008 nicht berücksichtigt, weil sie die von der Polizeibehörde hierfür geforderte Verweilzeit im bisherigen Amt eines Polizeikommissars von sieben Jahren noch nicht abgeleistet hatte. Dadurch sind andere Beamte mit schlechteren Leistungsbeurteilungen, aber längerer Standzeit im Amt befördert worden.

Die Schadensersatzklage der im Jahr 2009 - nach einer Verweildauer von sieben Jahren - beförderten Klägerin ist erfolglos geblieben. Das OVG hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, die Beklagte habe zwar den Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung der Klägerin in das Auswahlverfahren verletzt, weil die dafür geforderte Verweilzeit im bisherigen Amt von sieben Jahren deutlich zu lang gewesen sei. Auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Dienstherrn habe sie jedoch keine ernsthafte Beförderungschance besessen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Urteil des OVG verstößt zwar gegen revisibles Landesbeamtenrecht, weil das Gericht für die hypothetische Auswahlrangliste auf eine „Befähigungsgesamtnote“ abgestellt hat. Unabhängig hiervon hätte die Klägerin aber auch bei zutreffender Ermittlung des alternativen Beförderungsmodells der Beklagten keine ernsthafte Beförderungschance gehabt. Dies folgt daraus, dass auch im Rahmen der Betrachtung des rechtmäßigen Alternativverhaltens des Dienstherrn die limitierenden Vorgaben des Haushaltsrechts berücksichtigt werden müssen.

Durch die Besonderheiten des in Hamburg beschlossenen Haushalts wären daher bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht 397 Beamte befördert worden, sondern nur eine geringere, durch die haushaltsrechtlichen Vorgaben ausfinanzierte Zahl. Da die Klägerin auf einer hypothetischen, nach den dienstlichen Beurteilungen der Polizeibeamten erstellten Rangliste von den haushaltsrechtlich ausfinanzierten Stellen deutlich entfernt platziert gewesen wäre, hätte sie keine ernsthafte Chance auf die Vergabe eines Beförderungsamtes besessen.

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