Heft Mai 2010

Höhe der Leistungen unter Hartz IV

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) zu der Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II hat die verfassungswidrigen Regelungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber zum 31. Dezember 2010 weiterhin für anwendbar erklärt, sodass die Beschwerdeführer keine höheren Regelleistungen für zurückliegende Zeiträume beanspruchen können (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010
- Az.: - 1 BvR 395/09 -

Die Beschwerdeführer sehen die Höhe der Regelleistungen nach dem SGB II (sog. „Hartz IV-Gesetz“) für den Zeitraum von Januar bis Juni 2005 als zu niedrig an. Nach Erschöpfung des Rechtswegs haben sie Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) seien die für diesen Fall relevanten verfassungsrechtlichen Fragen für die Bemessung der Regelleistungen geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat die mittelbar angegriffenen Vorschriften des § 20 Abs. 2 und 3 SGB II a.F. für verfassungswidrig erklärt. Da die verfassungswidrigen Regelungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar sind, stehe fest, dass die Beschwerdeführer keine höheren Regelleistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum beanspruchen können.

Höhere Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum ergeben sich auch nicht aufgrund der in dem genannten Urteil geschaffenen Härtefallregelung, denn diese gilt nicht rückwirkend für Zeiträume, die vor der Verkündung dieses Urteils liegen. Von einer rückwirkenden Übergangsregelung hat das Bundesverfassungsgericht ebenso abgesehen wie von einer Verpflichtung des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen.

Anrechung des Kindergeldes auf Hartz IV-Leistungen

Die volle Anrechung des Kindergelds auf die Leistungen nach dem SGB II (sog. „Hartz IV-Gesetz“) ist verfassungsgemäß (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Beschluss vom 11. März 2010
- Az.: - 1 BvR 3163/09 -

Der 1994 geborene Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II und bezog Sozialgeld. Das Kindergeld wurde - wie in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich angeordnet - in voller Höhe als leistungsminderndes Einkommen auf das Sozialgeld angerechnet. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass das Kindergeld nur zur Hälfte hätte angerechnet werden dürfen: Die nicht anzurechnende Hälfte entspreche dem Betrag, den der Gesetzgeber bei zu versteuerndem Einkommen als Steuervergünstigung in Form des Kinderfreibetrags gewähre und mit dem er dem Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf für das Kind Rechnung trage. Wenn bei „Hartz IV“-Empfängern dieser Kinderfreibetrag mangels zu versteuernden Einkommens nicht zum Tragen komme, sei dies dadurch auszugleichen, dass das Kindergeld zur Hälfte anrechnungsfrei bleibe.

Nach erfolgloser Klage auf Nachzahlung vor den Sozialgerichten hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die vollständige Anrechnung des Kindergelds als leistungsminderndes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf „Hartz IV-Leistungen“ ist danach mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei nicht verletzt. Denn der Beschwerdeführer habe durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten. Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei es auch nicht geboten, das Kindergeld teilweise anrechnungsfrei zu stellen.

Zwar trage das Einkommensteuerrecht der Deckung des Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs eines Kindes durch Kinderfreibeträge Rechnung. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verlange aber keine Sozialleistungen, die den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für Kinder in gleichem Maße berücksichtigen wie das Steuerrecht. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09 u.a.) zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen nach dem „Hartz IV-Gesetz“ festgestellt.

Die volle Anrechnung des Kindergeldes wahre den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber, der bei zu versteuerndem Einkommen Steuervergünstigungen in Form von Kinderfreibeträgen gewährt, sei nicht verpflichtet, Sozialleistungen in vergleichbarer Höhe für Personen und deren Angehörige zu gewähren, die - wie im Fall des Beschwerdeführers - kein zu versteuerndes Einkommen erzielen. Auch sonst sei keine Ungleichbehandlung zu erkennen, da § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich Zahlung und Anrechnung des Kindergelds alle Kindergeldberechtigten und alle zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern gehörenden hilfebedürftigen Kinder gleich behandelt.

Verfassungsbeschwerden gegen Zweitwohnungsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung von Zweitwohnungsteuer bei einer „Residenzpflicht für Beamte“ und in einem sog. „Kinderzimmerfall“ nicht zur Entscheidung angenommen. Unter Zugrundelegung der bereits entwickelten maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze ist in beiden Fällen kein Verstoß gegen die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 GG gesehen worden (nichtamtliche Leitsätze).

BVerfG, Beschlüsse vom 17. Februar 2010
- Az.: 1 BvR 529/09 und 1 BvR 2664/09 -

Die Landeshauptstadt München erhebt aufgrund kommunaler Satzung eine Zweitwohnungsteuer in Höhe von 9 % des jährlichen Mietaufwands. Der Beschwerdeführer ist Polizeibeamter, der mit Hauptwohnsitz bei seiner Mutter im bayerischen X gemeldet ist. Sein Dienstherr verpflichtete ihn, einen Wohnsitz im Bereich des Münchner Verkehrsverbundes zu begründen, wo er seit Dezember 1998 eine Nebenwohnung hat. Die Stadt München setzte im Juni 2007 Zweitwohnungsteuer gegen den Beschwerdeführer für das Jahr 2006 und die Folgejahre fest.

Der zweite entschiedene Fall betrifft einen Studenten, der seit Juli 2006 in einem Studentenwohnheim an seinem Studienort in Aachen und zusätzlich noch in seinem ehemaligen Kinderzimmer im Haus seiner Eltern in der deutschen Stadt Y wohnt. Im Gebiet der Stadt Aachen gilt eine Satzung über die Erhebung von Zweitwohnungsteuer in Höhe von 10 % der Nettokaltmiete.

Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Erhebung der Zweitwohnungsteuer waren in beiden Fällen erfolglos. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde insbesondere die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu den Anforderungen an eine Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der Reichweite des Schutzes der Familie sowie zu den Voraussetzungen für die Annahme eines strukturellen Defizits bei der Steuererhebung hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Unter Zugrundelegung der bereits entwickelten maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat die 1. Kammer die Erhebung von Zweitwohnungsteuer für „Beamte mit Residenzpflicht“ (1 BvR 2664/09) und für Studenten in den sog. „Kinderzimmerfällen“ (1 BvR 529/09) nicht als Verstoß gegen die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 GG angesehen.

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