Heft Mai 2007

Weisungsgebundenheit der Ratsvertreter im Aufsichtsrat

Die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft begrenzt die Weisungsgebundenheit der vom Rat entsandten Vertreter im Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW.

OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2006
- Az.: 15 B 2625/06 -

Die Antragsteller sind Vertreter der Stadt T. im Aufsichtsrat der T. Versorgungsbetriebe GmbH. Sie wandten sich gegen einen ihr Stimmverhalten im Aufsichtsrat betreffenden Ratsbeschluss. Ihr Begehren blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Die Antragsteller haben den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller durch die im Antrag angesprochene Beschlussfassung in einem wehrfähigen Organrecht verletzt würden.

Allerdings ist § 113 Abs. 1 Satz 1 GO NRW grundsätzlich geeignet, wehrfähige Organrechte den Vertretern der Gemeinde im Aufsichtsrat zu vermitteln. Die dortige Regelung zielt nämlich zwar auf eine möglichst effektive Wahrnehmung der gemeindlichen Interessen in den Unternehmen und Einrichtungen, konkretisiert aber auch die Schranken, die der Ausgestaltung der Vertretung und Beteiligung der Gemeinden in den Unternehmen in deren Interesse gesetzt sind.

Die Regelung schließt darüber hinaus auch eine Schutzfunktion zugunsten der Vertreter im Aufsichtsrat ein, die insbesondere verhindern soll, dass diese gesellschaftsrechtlich unzulässigen Einwirkungen ausgesetzt werden.

Die Weisungsgebundenheit der Vertreter besteht nämlich nicht uneingeschränkt. Sie wird gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW überlagert durch die bundesrechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsrechts. Der von der Gemeindeordnung geforderte Einfluss der Kommune in der Gesellschaft findet seine Grenze in der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung der Vertreter der Gemeinde auf das Wohl der Gesellschaft.

Hiervon ausgehend ist die Auffassung der Antragsteller unzutreffend, sie unterlägen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Aufsichtsrates keinerlei Weisungen des Rates. Streitentscheidend ist vielmehr allein, ob die konkret in Rede stehende Weisung die vorstehend aufgezeigte Grenze überschreiten würde, indem sie der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung der Vertreter der Gemeinde auf das Wohl der Gesellschaft zuwiderlaufen würde. Dies ist nach Aktenlage offen.

Verfahrensfragen der Ratsarbeit

1. Die unberechtigte Mitwirkung von wegen Befangenheit nach §§ 31, 43 Abs. 2 GO NRW von der Abstimmung auszuschließenden Ratsmitgliedern verletzt keine im Kommunalverfassungsstreitverfahren durchsetzbaren organschaftlichen Rechte der anderen Ratsmitglieder oder einer Ratsfraktion (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung).

2. Zum Ausschluss der Öffentlichkeit von Ratssitzungen gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 GO NRW bei der Beratung über die Fusion von Sparkassen.

3. Die Rüge, der Rat habe einen Beschluss wegen unzureichender Informationen der Ratsmitglieder durch den Bürgermeister nicht fassen dürfen, erfordert im Kommunalverfassungsstreitverfahren, dass zuvor die Vertagung der Beschlussfassung beantragt worden ist.

OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006
- Az.: 15 B 817/04 -

Die Kläger, eine Ratsfraktion und ein Ratsmitglied, wandten sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats betreffend den Beitritt der Gemeinde zu einem Sparkassenzweckverband sowie die Vereinigung der Sparkasse der Gemeinde mit der Sparkasse einer Nachbarstadt. Hinsichtlich der Beratung über die Sparkassenfusion war die Öffentlichkeit von der Ratssitzung ausgeschlossen worden. Die Kläger rügten eine Mitwirkung befangener Ratsmitglieder bei der abschließenden Beschlussfassung, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit sowie eine unzureichende Information vor der Ratssitzung und beantragten die Feststellung einer Verletzung ihrer organschaftlichen Mitwirkungsrechte. Ihr Begehren blieb auch in der Berufungsinstanz hinsichtlich aller gerügter Verfahrensfehler ohne Erfolg.

Betreffend die Mitwirkung befangener Ratsmitglieder steht den Klägern schon kein wehrfähiges subjektives Organrecht zu. Aus der kommunalverfassungsrechtlichen Stellung erwächst weder einem Ratsmitglied noch einer Ratsfraktion ein im Rechtsweg verfolgbarer allgemeiner Anspruch darauf, dass der Rat nur - in formeller wie materieller Hinsicht - gesetzmäßige Beschlüsse fasst.

Die unberechtigte Mitwirkung eines wegen Befangenheit nach §§ 31, 43 Abs. 2 GO NRW von der Abstimmung auszuschließenden Ratsmitglieds verletzt auch im Übrigen keine im Kommunalverfassungsstreitverfahren durchsetzbaren Mitgliedschaftsrechte der anderen Ratsmitglieder oder einer Ratsfraktion. §§ 31, 43 Abs. 2 GO NRW begründen keine Rechte der anderen Ratsmitglieder oder einer Ratsfraktion, weil sie nicht deren Interessen zu dienen bestimmt sind. Vielmehr bezweckt der Ausschluss befangener Ratsmitglieder ausschließlich im öffentlichen Interesse die Sicherstellung einer unvoreingenommenen, nicht durch unsachliche Motive bestimmten Beschlussfassung des Rates.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Befangenheit eines Ratsmitglieds gerügt wird oder ob die Befangenheit mehrerer Ratsmitglieder geltend gemacht wird. Das Recht von Ratsfraktionen, ihre Ansichten öffentlich darzustellen und ggf. auf Verstöße gegen Befangenheitsvorschriften öffentlich hinzuweisen, schließt nicht das Recht ein, das Vorliegen dementsprechender Verstöße auf dem Rechtsweg prüfen zu lassen. Die Gewährung eines dahingehenden Klagerechts ist auch nicht zur Aufrechterhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Grundprinzipien erforderlich. Der Gemeinderat ist als Teil der vollziehenden Gewalt durch Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Gesetzesbindung wird nach dem nordrhein-westfälischen Gemeindeverfassungsrecht durch verschiedene Systeme, z. B. das Beanstandungsrecht des Bürgermeisters, ausreichend sichergestellt.

Soweit die Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit geltend machen, betrifft dies zwar - wie bereits ausgeführt - verfahrensrechtliche Vorgaben, deren Verletzung sowohl von Ratsmitgliedern als auch von Ratsfraktionen gerügt werden kann. Der geltend gemachte Rechtsverstoß liegt aber nicht vor, denn die in Rede stehende Beratung war nicht in öffentlicher Sitzung durchzuführen. Vielmehr war die Öffentlichkeit (gemäß § 6 Abs. 2 g) der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt N. ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen u.a. für Angelegenheiten, bei denen das Gemeinwohl der Behandlung in öffentlicher Sitzung entgegensteht. Dies ist hier der Fall.

Das Gemeinwohl stand einer Beratung der betreffenden Tagesordnungspunkte in öffentlicher Sitzung entgegen. Unter Gemeinwohl sind solche Interessen und Anliegen zu verstehen, die über die Interessen einzelner hinausgehen und die Interessen der örtlichen oder überörtlichen Gemeinschaft betreffen. Das Gemeinwohl gebietet den Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn Interessen und Belange des Bundes, des Landes, der Gemeinde oder anderer öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger durch eine öffentliche Verhandlung verletzt werden können. Die Sparkasse N. war ein öffentlich-rechtlicher Aufgabenträger im vorgenannten Sinne.

Sparkassen sind gemäß § 2 des Sparkassengesetzes (SpkG) rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und damit Träger öffentlich-rechtlicher Aufgaben. Die Interessen und Belange der Sparkasse N. konnten durch eine Behandlung der mit der Fusion verbundenen Fragen in öffentlicher Sitzung verletzt werden.

Die Geschäftsgeheimnisse der Sparkasse N. hätten durch eine öffentliche Beratung über die Fusion mit der Sparkasse T. verletzt werden können. Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen dieser Beratung Interna (personelle, wirtschaftliche usw.) zur Sprache kommen konnten, an deren Geheimhaltung gegenüber der Öffentlichkeit die Sparkasse N. ein schutzwürdiges Interesse hatte.

Entgegen der Ansicht der Kläger konnte der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht lediglich auf Teile der Beratung der Tagesordnungspunkte beschränkt werden. Eine derartige atomisierende Betrachtung ist den Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit fremd. Sie wird auch der Lebenswirklichkeit nicht gerecht.

Die von den Klägern geltend gemachte Verletzung organschaftlicher Mitwirkungsrechte durch den Ratsbeschluss liegt schließlich auch nicht vor unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Information durch den Bürgermeister. Dabei kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Gemeinderat aufgrund einer Verletzung der Informationspflicht des Bürgermeisters verpflichtet sein kann, von einer abschließenden Beschlussfassung in der Sache vorerst abzusehen. Jedenfalls können sich eine Ratsfraktion und ein Ratsmitglied auf eine insoweit bestehende Entscheidungssperre nur dann berufen, wenn sie eine Vertagung der Beschlussfassung beantragt haben. Dies folgt aus dem auf das Verhältnis zwischen kommunalen Organen oder Organteilen übertragbaren Grundsatz der Organtreue. Dieser begründet die Obliegenheit von Ratsfraktionen oder -mitgliedern, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer anstehenden Beschlussfassung aufgrund einer vermeintlich unzureichenden Information in der verfahrensrechtlich gebotenen Form rechtzeitig geltend zu machen. Wird diese Obliegenheit verletzt, so ist die spätere Geltendmachung der Rechtsverletzung gegenüber dem Gemeinderat treuwidrig und deshalb unzulässig.

Ortswechsel eines Franchisenehmers und Gewerbesteuer

Ein Franchisenehmer kann nach einem Ortswechsel für seinen neuen Markt den Abzug der Verluste aus dem alten Markt bei der Gewerbesteuer nicht geltend machen. Es handelt sich insoweit nicht mehr um dasselbe Unternehmen (nichtamtliche Leitsätze).

BFH, Urteil vom 7. November 2006
- Az.: VIII R 30/05 -

Geklagt hatte eine GmbH & Co. KG, die Franchisenehmer einer bekannten Handelskette ist. Sie schloss ihren Markt, der einen erheblichen Gewerbeverlust erzielt hatte, veräußerte den gesamten Warenbestand in einem Ausverkauf, verschrottete nahezu das gesamte Anlagevermögen und eröffnete rd. 600 km entfernt einen neuen Markt derselben Kette. Von den Mitarbeitern wurde nur der Marktleiter übernommen.

Die Distanz des Ortswechsels von ca. 600 km spielte bei dem zugrunde liegenden Verfahren beim VIII. Senat des Bundesfinanzhofs eine bedeutende Rolle. Der BFH hat entschieden, dass der Gewerbeverlust aus dem ersten Markt vom Gewerbeertrag des neuen Marktes nicht abziehbar ist, weil die Gewerbesteuer den Abzug davon abhängig macht, dass der Betrieb wirtschaftlich derselbe geblieben ist. Hier sei diese Voraussetzung schon wegen der großen Entfernung vom ersten Markt nicht mehr erfüllt. Das insoweit maßgebliche Gesamtbild werde entscheidend vom Wechsel des Kundenkreises, der Arbeitnehmerschaft und der Ausstattung des Marktes bestimmt. Auch das Warensortiment sei trotz gleicher Kette nicht zwangsläufig identisch.

© StGB NRW 2007

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