Heft Mai 2004

Erhöhung des Realsteuer-Hebesatzes durch Kommunalaufsicht

Der Erlass einer Hebesatzsatzung zur Durchsetzung der Anordnung der Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B durch die Kommunalaufsicht ist u.U. ein rechtswidriger Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung, weil damit das den Kommunen im Rahmen ihrer Finanzhoheit bundesgesetzlich eingeräumte Hebesatzrecht für die Erhebung von Grund- und Gewerbesteuer in unzulässiger Weise eingeschränkt wird (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteile vom 19. März 2004
– Az.: 4 K 3720/03 und 4 K 4460/03

Das Verwaltungsgericht Köln hat zwei Klagen der Stadt Meckenheim gegen den Rhein-Sieg-Kreis als Kommunalaufsichtsbehörde stattgegeben.

Der Kreis hatte im Juni 2003 die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 360 v.H. auf 381 v.H. angeordnet und nach Weigerung des Meckenheimer Rates, diese Anhebung vorzunehmen, die entsprechende Satzung selbst erlassen. In einem im letzten Jahr geführten Eilverfahren hatte die Kammer die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer kurzfristigen Entscheidung offen gelassen und den Antrag der Stadt Meckenheim abgelehnt, weil eine rechtswidrige Erhöhung der Grundsteuer auch später noch korrigiert werden könne.

Das Gericht hält einen derartigen Eingriff der Kommunalaufsicht in die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung jedenfalls in der zu entscheidenden Fallgestaltung für rechtswidrig, weil damit das den Kommunen im Rahmen ihrer Finanzhoheit bundesgesetzlich eingeräumte Hebesatzrecht für die Erhebung von Grund- und Gewerbesteuer in unzulässiger Weise eingeschränkt werde. Auch im Rahmen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung, zu der die Gemeinden gesetzlich verpflichtet sind, stehe ihnen bei der Festsetzung der betreffenden Hebesätze ein Spielraum zu, dessen Grenzen jedenfalls in Meckenheim nicht überschritten seien. Ob die Kommunalaufsicht im Hinblick auf die bundesgesetzlichen Vorgaben überhaupt Einfluss auf die kommunalen Hebesätze nehmen kann, hat die Kammer offen gelassen.

Gegen die Urteile kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster beantragt werden.

Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform

An der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Gewerbesteuergesetz bestehen keine ernstlichen Zweifel (nichtamtlicher Leitsatz).

BFH, Beschluss vom 3. Dezember 2003
- Az.: IV B 192/03

Als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform (und damit gewerbesteuerpflichtig) gilt die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (z.B. AG, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH), der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, unabhängig von der Art der Tätigkeit, § 2 Abs. 2 GewStG.

Gegen diese Regelungen waren immer wieder Zweifel hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit geltend gemacht worden. In einem Verfahren vor dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt hatte eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegen den Gewerbesteuerbescheid geklagt und Recht erhalten (Urteil vom 19. August 2003 - AZ 4 V 108/02). Das FG hatte ausgeführt, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Antragstellerin zur Gewerbesteuer heranzuziehen sei. Eine Personengesellschaft, zu der sich Angehörige eines freien Berufs zur Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit zusammengeschlossen hätten, könne freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tätig sein, wenn alle Gesellschafter in ihrer Person die Tatbestandsvoraussetzungen der Freiberuflichkeit erfüllten. Alle Gesellschafter der Antragstellerin einschließlich der GmbH erfüllten diese Voraussetzungen.

Das BFH hat dies anders gesehen und entschieden, dass an der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG keine ernstlichen Zweifel bestehen. Dies gelte auch für die Gewerbesteuerpflicht einer Mitunternehmerschaft, an der neben freiberuflich tätigen Mitunternehmern eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, deren Gesellschafter und (hier) Geschäftsführer wiederum sämtlich freiberuflich tätig sind.

Rechte fraktionsloser Ratsmitglieder

Aufgrund der kommunalen Organisationshoheit und seiner Geschäftsordnungsautonomie ist der Rat berechtigt, die Rechte fraktionsloser Ratsmitglieder gegenüber den sich aus der Gemeindeordnung ergebenden Rechten zu erweitern. Anders ist dies bei den Zuwendungen, die in der Gemeindeordnung abschließend geregelt sind (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Urteil vom 30. März 2004
- Az.: 15 A 2360/02

Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat entschieden, dass in Nordrhein-Westfalen einzelne Ratsmitglieder, die keiner Fraktion angehören, durch entsprechenden Ratsbeschluss das Recht erhalten können, Vorschläge für die Tagesordnung einer Ratssitzung zu machen (Initiativrecht) und als beratende Mitglieder in Ausschüsse gewählt zu werden. Demgegenüber dürfen solche Ratsmitglieder über die Aufwandsentschädigung und das Sitzungsgeld hinaus keine weiteren Zuwendungen erhalten.

Im Oktober 1999 hatte der Rat der Stadt Gelsenkirchen beschlossen,

1. für die Aufnahme eines Punktes in die Tagesordnung genüge der Antrag eines Ratsmitglieds, wenn es keiner Fraktion angehöre,

2. ein solches Ratsmitglied solle einen jährlichen Sockelbetrag von 3.000,-- DM und ggf. weitere Zuwendungen erhalten und schließlich

3. fraktionslose Ratsmitglieder zu beratenden Mitgliedern in verschiedenen Ausschüssen des Rates zu wählen.

Die Bezirksregierung Münster als Kommunalaufsichtsbehörde hob diese Beschlüsse auf mit der Begründung, sie verletzten zwingendes Recht der Gemeindeordnung. Gegen diese kommunale Aufsichtsmaßnahme hatte ein fraktionsloses Ratsmitglied erfolglos beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geklagt. Auf die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erhobene Berufung gab das OVG NRW der Klage mit dem o. g. Urteil in zwei von drei Punkten statt.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Aufgrund der kommunalen Organisationshoheit und seiner Geschäftsordnungsautonomie sei der Rat berechtigt, die Rechte fraktionsloser Ratsmitglieder mit den unter 1. und 3. genannten Beschlüssen gegenüber den sich aus der Gemeindeordnung ergebenden Rechten zu erweitern. Der Gemeindeordnung könne keine hinreichend eindeutige gesetzliche Regelung entnommen werden, die die Erweiterung des Initiativrechts oder die Wahl der beratenden Ausschussmitglieder hindere. Anders sei das bei den mit dem Beschluss zu 2. gewährten Zuwendungen. Die Gemeindeordnung regele die Entschädigung von Ratsmitgliedern abschließend; Aufwandsentschädigungen könnten danach ausschließlich bis zu der gesetzlich bestimmten Höhe gewährt werden.

Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen.

Kennzeichnung von großen Hunden mit Mikrochip

Die in § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW angeordnete generelle Verpflichtung, große Hunde im Sinne von § 11 Abs. 1 LHundG NRW fälschungssicher mit einem Mikrochip zu kennzeichnen, ist verhältnismäßig. Dies gilt auch dann, wenn der Hund bereits eine Tätowierung zur Kennzeichnung aufweist.

OVG NRW, Beschluss vom 05.03.2004
– Az.: 5 B 2640/03

Der Antragsteller ist Halter mehrerer großer Hunde i.S.v. § 11 Abs. 1 LHundG NRW, die bereits eine Tätowierung zur Kennzeichnung aufweisen. Die zuständige Ordnungsbehörde gab dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, seine Hunde gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW fälschungssicher mit einem Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Mit seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes machte der Antragsteller insbesondere geltend, die Verpflichtung zur Anbringung eines Mikrochips sei unverhältnismäßig. Das VG lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde war erfolglos.

Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners ist offensichtlich rechtmäßig.

Ermächtigungsgrundlage für die behördliche Anordnung, die Hunde fälschungssicher mit Mikrochip kennzeichnen zu lassen und dies gegenüber dem Antragsgegner nachzuweisen, ist § 12 Abs. 1 des am 01.01.2003 in Kraft getretenen Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeshundegesetz - LHundG NRW -) vom 18.12.2002 (GV.NRW. S. 656). Danach kann die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften des Landeshundegesetzes abzuwehren. Der Antragsteller, der Halter mehrerer großer Hunde i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG NRW ist, hat es entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW bisher unterlassen, seine Hunde fälschungssicher mit einem Mikrochip zu kennzeichnen und dies gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW angeordneten Kennzeichnungspflicht. Insbesondere erweist sich die generelle gesetzliche Verpflichtung zur Kennzeichnung großer Hunde i.S.v. § 11 Abs. 1 LHundG NRW mit Hilfe eines Mikrochips nicht als unverhältnismäßiger Eingriff, selbst wenn der Hund - wie hier - bereits eine Tätowierung zur Kennzeichnung aufweist. Es besteht ein unabweisbares ordnungsrechtliches Bedürfnis, bestimmte Hunde aufgrund der ihnen eigenen potenziell größeren Gefährlichkeit möglichst umgehend und dauerhaft einem Halter zuordnen zu können. Dies ist durch eine Tätowierung nicht gewährleistet.

Eine Tätowierung bietet nicht in gleicher Weise wie der geforderte Mikrochip die Möglichkeit zur schnellen Identifizierung und Zuordnung eines Hundes. Mit Hilfe des Mikrochips kann die zuständige Ordnungsbehörde unmittelbar den Halter feststellen. Schließlich lässt sich auch eine Manipulation der für die Tätowierung verwendeten Nummerncodes nicht ausschließen.

Der Gesetzgeber war nicht gehalten, von der vorgeschriebenen Kennzeichnungsmethode abzusehen, weil es in Einzelfällen - wie vom Antragsteller geschildert - zu Komplikationen nach der Implantation eines Mikrochips kommen mag. Es ist nicht ersichtlich, dass eine andere, gleich effektive Kennzeichnungsmethode insgesamt für die Tiere schonender wäre. Insbesondere ist nicht erwiesen, dass eine Kennzeichnung mit Hilfe einer Tätowierung regelmäßig mit weniger Schmerzen für das betroffene Tier verbunden wäre.

Der Einwand des Antragstellers, dass derzeit eine Identifizierung des jeweiligen Hundes außerhalb des Bereichs der für den Halter örtlich zuständigen Ordnungsbehörde mit Hilfe des Mikrochips nicht möglich sei, weil die im Landeshundegesetz vorgesehene zentrale Registrierungsbehörde nicht eingerichtet sei, übersieht § 5 DVO LHundG NRW vom 19.12.2003 (GV. NRW. 2004 S. 85). Danach ist das Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd zuständige Behörde für die zentrale Erfassung registrierter Hunde. Ihr hat die nach § 13 Satz 1 LHundG NRW zuständige Ordnungsbehörde die auf dem Mikrochip gespeicherte Nummer unter Angabe des Anlasses der Meldung unverzüglich zu übermitteln. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 DVO LHundG NRW dürfen die für den Vollzug des Landeshundegesetzes zuständigen Ordnungsbehörden im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben auf die zentral erfassten Daten zugreifen. Damit ist in absehbarer Zeit die landesweite Möglichkeit einer unmittelbaren Identifizierung kennzeichnungspflichtiger Hunde gewährleistet.

Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber nicht alle Hunde der Kennzeichnungspflicht unterwirft. Einer Differenzierung nach sachgemäßen Kriterien steht nichts im Wege. So ist es frei von Bedenken, wenn der Gesetzgeber erhöhte Anforderungen an die Haltung großer Hunde unabhängig von deren Rassezugehörigkeit stellt. Große Hunde sind typischerweise wegen ihrer Körpergröße und ihres Körpergewichts und der damit einher gehenden besonderen körperlichen Kraft potenziell eine größere Gefahr als kleine Hunde, soweit diese nicht bereits aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit gefährlich sind. Sachgemäß ist es, wenn der Gesetzgeber zur Bestimmung der maßgeblichen Größe an die Widerristhöhe bzw. das Gewicht des Hundes anknüpft. Wie bei jeder typisierenden Regelung kann dies zwar in Grenzfällen - wie vom Antragsteller in der Beschwerdeschrift aufgeführt - zu scheinbar ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen führen. Dies ist indes jeder an eine bestimmte Grenze anknüpfenden Regelung immanent und entzieht daher der notwendig typisierenden Vorschrift nicht die Rechtfertigung.

© StGB NRW 2004

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