Heft März 2020

Staatliche Kostenbeteiligung an gemeindlichen Entwässerungskanälen

Das Oberverwaltungsgericht hat in zwei Urteilen die Zahlungsklagen der Bundesrepublik Deutschland sowie des Landes Nordrhein-Westfalen gegen zwei Gemeinden am Niederrhein abgewiesen. Mit diesen Klagen hat die Straßenbauverwaltung die Rückerstattung von Zahlungen gefordert, die auf vertraglicher Grundlage als Beitrag zu den Kosten von gemeindlichen Kanalbaumaßnahmen an Bundesstraßen in den Jahren 2006 und 2010 erbracht worden waren. Im Gegenzug hatten sich die Gemeinden verpflichtet, das Oberflächenwasser „unentgeltlich“ aufzunehmen und abzuführen.

OVG NRW, Urteile vom 11.12.2019
- Az.: 9 A 1133/18 und 9 A 2622/18 -

Verträge dieser Art waren in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreitigkeiten. Klagen der Straßenbaulastträger (Bundesrepublik Deutschland für Bundesstraßen und Land Nordrhein-Westfalen für Landesstraßen), mit denen diese sich unter Hinweis auf den vertraglichen Gebührenverzicht gegen gleichwohl festgesetzte Niederschlagswassergebühren wendeten, blieben sämtlich ohne Erfolg. Einerseits, weil die Straßenentwässerung nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes und der jeweiligen gemeindlichen Satzung gebührenpflichtig ist, und andererseits, weil ein in zeitlicher und wertmäßiger Hinsicht unbestimmter Gebührenverzicht nach gefestigter Rechtsprechung nichtig ist. Letzteres war auch in den vorliegenden Fällen ausschlaggebend.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat von der Rückforderung der an die Kommunen geleisteten Pauschalbeträge für Landesstraßen abgesehen. Wegen der für Bundesstraßen geleisteten Zahlungen hat die Straßenbauverwaltung, die im Wege der Bundesauftragsverwaltung durch die Länder erfolgt, im Jahr 2016 auf Bitten des Bundesverkehrsministeriums in ca. 40 Fällen Klagen erhoben, die ganz überwiegend noch bei den verschiedenen Verwaltungsgerichten anhängig sind.

In den gestern entschiedenen zwei Berufungsverfahren hat der 9. Senat die klageabweisenden Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Ergebnis bestätigt: Die Verträge seien insgesamt nichtig, da die Kostenbeteiligung ohne den nichtigen Gebührenverzicht ersichtlich nicht gewährt worden wäre. Eine Rückforderung der geleisteten Zahlungen sei daher grundsätzlich in Betracht gekommen. Die Beklagten (Dienstleistungsbetrieb Xanten AöR bzw. Stadt Kleve) hätten jedoch zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben. Auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch finde die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist Anwendung. Diese beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsse. Das sei nach Auffassung des Senats nicht erst im Jahr 2013 der Fall gewesen, so dass die Ansprüche bei Klageerhebung im Jahr 2016 verjährt gewesen seien. Den Vertragsparteien seien die Umstände, aus denen die Nichtigkeit der Verträge folge, schon bei Vertragsschluss bekannt gewesen.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

 

Anspruch auf Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft trotz Ausreisepflicht

Ausländer haben trotz Ausreisepflicht einen Anspruch auf Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft. Das hat das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 12.12.2019 entschieden und damit einem Eilantrag einer Familie aus Albanien stattgegeben.

VG Köln, Beschluss vom 12.12.2019
- Az.: 20 L 2567/19 -

Die Antragsteller, ein Ehepaar und ihre zwei Kinder, sind vor wenigen Tagen aus ihrem Heimatland nach Deutschland eingereist. Sie wandten sich an das Ausländeramt der Stadt Köln und erklärten, keinen Asylantrag stellen zu wollen. Das Ausländeramt stellte ihnen eine so genannte Grenzübertrittsbescheinigung aus. Dabei handelt es sich um ein Dokument, in dem ausreisepflichtigen Personen eine Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt wird. Da die Familie nicht freiwillig ausreiste, leitete das Ausländeramt das Verfahren weiter an die zentrale Verteilungsstelle, damit diese den Antragsstellern eine Aufnahmeeinrichtung zuweist. Eine solche Zuweisung erfolgte jedoch zunächst nicht. Die Antragssteller wandten sich daher an eine Notschlafstelle der Stadt Köln, in der sie eine Nacht verbrachten. Am nächsten Tag mussten sie unter Verweis auf die Grenzübertrittsbescheinigung die Notschlafstelle verlassen.

Mit ihrem Eilantrag wollten die Antragsteller eine vorläufige Verpflichtung der Stadt Köln erreichen, sie bis zur Zuweisung zu einer Aufnahmeeinrichtung unterzubringen. Sie seien ansonsten obdachlos und müssten mit ihren Kindern auf der Straße schlafen. Die Stadt machte demgegenüber geltend, die Antragsteller seien ausreisepflichtig. Sie könnten ihrer Obdachlosigkeit durch eine Rückreise nach Albanien entgehen. Busse nach Tirana führen jeden Tag.

Das Gericht hat dem Antrag stattgegeben. Da die Antragssteller nicht in der Lage seien, sich aus eigenen Kräften eine Unterkunft zu verschaffen, sei die Stadt als Ordnungsbehörde verpflichtet, sie bis zu einer Zuweisung zu einer Aufnahmeeinrichtung in einer Obdachlosenunterkunft unterzubringen. Der Unterbringungsanspruch entfalle nicht durch die Ausreisepflicht oder die Grenzübertrittsbescheinigung. Vielmehr bestehe der Anspruch losgelöst von der ausländerrechtlichen Frage der Ausreisepflicht, solange die Obdachlosigkeit der Antragssteller bestehe und diese sich noch im Zuständigkeitsbereich der Stadt Köln aufhielten.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde einlegen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.

 

Keine melderechtliche Auskunftssperre für AfD-Politiker

Nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen steht einem Mitglied des Vorstandes des Landesverbandes der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Nordrhein-Westfalen kein Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister seines Wohnortes zu.

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 16.01.2020
- Az.: 17 K 2200/18 -

Der Kläger ist stellvertretender Sprecher des Landesverbandes der AfD. Er befürchtet unter Berufung auf seine Parteizugehörigkeit und eine Reihe von Übergriffen mutmaßlicher Linksextremisten auf Vertreter seiner Partei ebenfalls Opfer von Bedrohungen und Übergriffen zu werden. Mit seiner Klage verlangt er von seiner Heimatstadt Fröndenberg die Eintragung einer Auskunftssperre in deren Melderegister. Folge der Eintragung einer solchen Auskunftssperre ist, dass die Meldebehörde eine Auskunft insbesondere über die Wohnanschrift des Betroffenen, die grundsätzlich von jedermann voraussetzungslos eingeholt werden kann, nur nach dessen vorheriger Anhörung und nur dann erteilten darf, wenn eine Gefährdung des Betroffenen ausgeschlossen ist.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Die Kammer hat dazu ausgeführt, dass für die Eintragung einer Auskunftssperre nach bestehender Rechtslage strenge Vorgaben gelten, die im Falle des Klägers nicht erfüllt seien. Da der Kläger sich zur Begründung der vom Gesetz für eine Auskunftssperre geforderten Gefährdungslage ausschließlich auf seine Parteizugehörigkeit bzw. seine Funktionärstätigkeit für die AfD berufe, könne nach aktueller Rechtsprechung eine Auskunftssperre nur verlangt werden, wenn Tatsachen festgestellt werden könnten, die die Gefahrenprognose rechtfertigten, dass jedes Parteimitglied bzw. jeder Parteifunktionär in einer vergleichbaren Gefährdungslage ist. Dies konnte das Gericht nicht feststellen. Zwar sei aktuell eine generelle gesellschaftliche Tendenz zur Verunglimpfung und Bedrohung von politischen Verantwortungsträgern auszumachen. Jedoch belege weder das vom Kläger vorgelegte Zahlenmaterial noch die durch das Gericht ergänzend eingeholten Zahlen u.a. des Landeskriminalamtes, dass in Nordrhein-Westfalen jeder politische Funktionsträger egal welcher Parteizugehörigkeit ungeachtet seiner konkret-individuellen Umstände mit Übergriffen aus dem gegnerischen politischen Lager rechnen müsse. Konkrete individuelle Umstände aus seinem politischen Tätigkeits- oder Lebensumfeld, die für ihn eine hinreichende Gefahrenlage begründen würden, vermochte der Kläger im Übrigen nicht darzulegen.

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