Heft Juli-August 2018

Sonn- und Feiertagsschutz I

Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestätigt das OVG Münster die erstinstanzliche Entscheidung des VG, das vorläufig festgestellt hatte, Verkaufsstellen im Stadtgebiet der Stadt Kreuztal dürften am 29.04.2018 nicht auf der Grundlage der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen im Jahr 2018 öffnen. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2018
- Az.: 4 B 571/18 -

Die Beschwerde der betroffenen Stadt wurde abgewiesen. Die Ladenöffnung sei offensichtlich nicht im öffentlichen Interesse gerechtfertigt.

Durch ordnungsbehördliche Verordnung hat die Stadt Kreuztal die Ladenöffnung für einen bestimmten Sonntag auf der Grundlage des Ende März 2018 in Kraft getretenen neuen Ladenöffnungsgesetzes im ganzen Stadtgebiet freigegeben. Die Ladenöffnung steigere die überörtliche Sichtbarkeit der Stadt als attraktiver und lebenswerter Standort. Darüber hinaus diene die Ladenöffnung dem Erhalt und der Stärkung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots, das sich insbesondere in der Konkurrenz zu digitalen Einkaufsmöglichkeiten behaupten müsse.

Der Rat der Stadt hat sich damit auf im Gesetz bezeichnete öffentliche Interessen berufen und hielt es deshalb nicht für erforderlich, die Ladenöffnung räumlich zu beschränken. Auf einen Zusammenhang mit dem am Sonntag in der Innenstadt geplanten Frühlingsfest wurde die Verordnung ausdrücklich nicht eigenständig gestützt. Das Verwaltungsgericht hat die Verordnung mit Beschluss vom 24.04.2018 für offensichtlich unwirksam und nichtig gehalten. Dagegen hat die Stadt am Nachmittag des 26.04.2018 Beschwerde eingelegt.

Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hatte damit erstmals Gelegenheit, sich mit dem neuen Ladenöffnungsgesetz zu befassen. Er hat ausgeführt, die Neuregelung habe mit dem Erfordernis eines „öffentlichen Interesses“ an der Ladenöffnung dem verfassungsrechtlich verbürgten Sonn- und Feiertagsschutz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung tragen wollen. In der Gesetzesbegründung werde ausdrücklich hervorgehoben, dass Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz eines rechtfertigenden Sachgrundes bedürfen und sie für die Öffentlichkeit klar erkennbar bleiben müssen.

Ob ein verfassungsrechtlich tragfähiger Sachgrund bestehe, sei von der örtlichen Ordnungsbehörde im Einzelfall zu prüfen und zu begründen. Durch die Neuregelung hätten die kommunalen Verordnungsgeber lediglich bei sonntäglichen Ladenöffnungen im Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen von der Notwendigkeit einer Besucherprognose befreit werden und im Übrigen zusätzliche öffentliche Belange anführen können sollen. Es könnten aber weiterhin nur gewichtige, im Einzelfall festzustellende und in einer Abwägung dem gebotenen Sonn- und Feiertagsschutz gegenüberzustellende öffentliche Interessen die ausnahmsweise Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag rechtfertigen.

Die pauschale Behauptung, die beabsichtigte Ladenöffnung diene den im Gesetz beispielhaft aufgeführten Zielen oder liege sonst im öffentlichen Interesse, sei danach unzureichend. Insbesondere seien die im Ladenöffnungsgesetz definierten öffentlichen Interessen in ihrer Zielrichtung sehr weit gefasst und daher letztlich stets in allgemeiner Weise berührt und insoweit nicht geeignet, einen als solchen für die Öffentlichkeit erkennbaren Ausnahmecharakter der Ladenöffnung zu begründen.

Vielmehr müssten die genannten Interessen nach den konkreten Verhältnissen in der betreffenden Kommune in dem für die Ladenöffnung vorgesehenen Bereich zumindest in besonderer Weise betroffen sein. Weiterhin müsse es sich jedenfalls um Belange handeln, die tatsächlich über das bloße Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse potenzieller Käufer an einer Ladenöffnung hinausgingen.

Diesen Anforderungen genüge die Freigabe der Ladenöffnung im gesamten Gebiet der Stadt Kreuztal offensichtlich nicht. Sie ergäben sich im Wesentlichen bereits aus der sehr ausführlichen Gesetzesbegründung zum neuen Ladenöffnungsgesetz, auf die die antragstellende Gewerkschaft ver.di die Stadt schon vor der Beschlussfassung hingewiesen habe.

Es seien nicht ansatzweise öffentliche Belange mit Ausnahmecharakter und hinreichendem Gewicht aufgezeigt worden, die eine Ladenöffnung im gesamten Stadtgebiet rechtfertigen könnten. Mit Blick auf das stattfindende Frühlingsfest hätten besondere Gründe allenfalls im Bereich der Innenstadt vorgelegen. Dies habe der Senat jedoch angesichts der vom Rat beschlossenen Loslösung der Verkaufsöffnung von der Veranstaltung nicht zu beurteilen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Sonn- und Feiertagsschutz II

Am Sonntag, 27.05.2018, durften bestimmte, straßenmäßig genau bezeichnete Geschäfte in Remscheid anlässlich der 16. Remscheider Motorshow geöffnet sein. Dagegen mussten die Geschäfte im Allee-Center teilweise geschlossen bleiben, weil sie von der Verordnung der Stadt Remscheid nicht erfasst sind. Dies hat das Oberverwaltungsgericht in einem von der Gewerkschaft ver.di gegen die Freigabe der Ladenöffnung angestrengten Eilverfahren unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf entschieden. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Beschluss vom 25.05.2018
- Az.: 4 B 707/18 -

Ähnlich wie zuvor das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte auch der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts zunächst Zweifel daran, ob der räumliche Geltungsbereich der Verordnung ausreichend bestimmt geregelt ist. Auch unter Heranziehung aller anerkannter Auslegungsmethoden blieben Zweifel, welche Verkaufsstellen genau von der Satzung erfasst sein sollten.

Sie ließen sich geltungserhaltend nur dadurch auflösen, dass unter Verkaufsstellen „im Bereich der Alleestraße“ lediglich solche verstanden würden, die zweifelsfrei von der beschlossenen Formulierung erfasst seien. Öffnen dürften deshalb nur solche Geschäfte, die direkt an der Alleestraße lägen und von dort aus unmittelbar zugänglich seien. Nicht dazu gehörten Einzelhandelsbetriebe im Allee-Center, die von der Alleestraße aus für Kunden nicht unmittelbar, sondern ausschließlich über den Center-Eingang zugänglich seien.

Gegen die Gültigkeit der Freigabe der Ladenöffnung in dem so umgrenzten räumlichen Bereich bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Veranstaltung der Motorshow sei nach Charakter, Größe und Zuschnitt geeignet, den öffentlichen Charakter des Tages in dem von der Ladenöffnung umfassten Bereich der Alleestraße bis einschließlich Markt maßgeblich zu prägen und damit die vorgesehene Ausnahme von der Regel der Sonntagsruhe zu rechtfertigen.

Nach den unbestrittenen und auch im Internet recherchierbaren Angaben der Stadt würden im Rahmen der zum 16. Mal stattfindenden Motorshow auf der Alleestraße über 150 Fahrzeuge von Autohäusern aus Remscheid und dem Bergischen Land präsentiert. Auf dem Theodor-Heuss-Platz werde ein Programm im Rahmen der Aktionstage „Mobil in Remscheid“ angeboten. Besucher könnten sich an Informationsständen etwa über das Fahrradfahren oder die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs erkundigen. Verschiedene Autohäuser präsentierten Fahrzeuge mit emissionsarmen Antrieben. In einem Bewegungsparcours könnten Besucher das Fahren mit einem „Segway“ erlernen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Schülerfahrtkosten

Die in Wegberg wohnenden Eltern einer zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 sieben Jahre alten Tochter haben keinen Anspruch darauf, dass die Stadt ihnen für dieses Schuljahr Fahrkosten für den Schulweg ihres Kindes zu der rund 1,75 km entfernten Grundschule erstattet. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Urteil vom 16.05.2018
- Az.: 19 A 1453/16 -

Den Erstattungsantrag der Eltern hatte die Stadt mit der Begründung abgelehnt, der Schulweg sei nicht besonders gefährlich. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Eltern stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Berufung der Stadt hatte Erfolg. Der 19. Senat hat zur Begründung ausgeführt, es fehle an der für einen Erstattungsanspruch erforderlichen besonderen Gefährlichkeit des Schulweges. Ein Schulweg sei insbesondere dann besonders gefährlich, wenn er überwiegend entlang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führe oder wenn eine verkehrsreiche Straße ohne besondere Sicherung für Fußgänger überquert werden müsse.

Beides sei vorliegend nicht gegeben. Weder die konkrete Verkehrs- und Beleuchtungssituation noch die von Klägern angeführten Fälle krimineller Übergriffe im Wegberger Stadtgebiet führten dazu, dass der Schulweg im vorliegenden Fall besonders gefährlich gewesen sei. Die Zugehörigkeit einer Schülerin oder eines Schülers zu einem nach Alter und/oder Geschlecht definierten „risikobelasteten Personenkreis“ biete keine geeignete Grundlage für die Annahme einer besonderen Gefährlichkeit des Schulweges, weil aus diesen Merkmalen nicht abzuleiten sei, dass die Gefahr, auf dem Schulweg Opfer einer Straftat zu werden, erheblich über dem Durchschnitt liege.

In diesem Punkt hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung geändert. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.

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