Heft Juli-August 2014

Gemeindefinanzierungs-Gesetz 2011 verfassungskonform

Die Verfassungsbeschwerden der Gemeinden Alpen, Ascheberg, Everswinkel, Havixbeck, Hünxe, Hürtgenwald, Kranenburg, Lippetal, Nachrodt-Wiblingwerde, Nordkirchen, Nottuln, Ostbevern, Rödinghausen, Rosendahl, Senden, Sonsbeck, Südlohn, Spenge, Wadersloh, Wettringen, Wilnsdorf sowie der Städte Beverungen, Billerbeck, Bornheim, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Coesfeld, Drensteinfurt, Dülmen, Erftstadt, Halver, Hörstel, Höxter, Lichtenau, Linnich, Lüdinghausen, Meschede, Neuenrade, Nideggen, Oelde, Olfen, Sassenberg, Rietberg, Willich, Xanten (VerfGH 14/11) und der Gemeinden Heek, Heiden, Legden, Raesfeld, Reken, Schöppingen, Velen sowie der Städte Ahaus, Bocholt, Borken, Gescher, Rhede, Stadtlohn und Vreden (VerfGH 9/12) gegen einzelne Bestimmungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2011 hatten vor dem Verfassungsgerichtshof NRW keinen Erfolg.

VerfGH, Urteile vom 6. Mai 2014
- Az.: 14/11 und 9/12 -

Mit ihren Verfassungsbeschwerden hatten die Beschwerdeführerinnen geltend gemacht, das Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 verletze sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Die Verteilung der Finanzmittel auf die Kommunen beruhe auf gravierenden methodischen Fehlern. Insbesondere durch die deutliche Höhergewichtung des Soziallastenansatzes und seine ausschließliche Verortung auf Ebene der Gemeinden komme es zu einer massiven Fehlverteilung zulasten des kreisangehörigen Raums und innerhalb der Kreise.

Die Finanzausstattung reiche nicht aus, um die Kosten für kommunale Pflicht- und Selbstverwaltungsaufgaben zu decken. Der Gesetzgeber habe es versäumt, den konkreten kommunalen Finanzbedarf zu ermitteln und den Finanzausgleich anzupassen. Dies gelte vor allem für den Bereich der seit Jahren angestiegenen Kosten für Soziallasten. Die Beschwerdeführerinnen im Verfahren VerfGH 14/11 hatten überdies die Höhe der Finanzausgleichsmasse insgesamt für unzureichend gehalten.

Der Verfassungsgerichtshof NRW hat die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Dem Gesetzgeber stehe ein weiter Gestaltungsspielraum zu, in welcher Art und in welchem Umfang er den gemeindlichen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung erfülle und nach welchem System er im Wege des Finanzausgleichs ergänzend zu sonstigen kommunalen Einnahmen Finanzmittel auf die Kommunen verteile.

Der Umfang der im Finanzausgleich 2011 insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel sei vertretbar bemessen worden. Um die für eine eigenverantwortliche kommunale Aufgabenwahrnehmung erforderliche finanzielle Mindestausstattung sicherzustellen, müsse der notwendige Ausgabenbedarf für die Erfüllung aller Pflichtaufgaben und eines Minimums an freiwilligen Aufgaben nicht betragsmäßig abgeschätzt werden. Der den Kommunen nach Art. 79 Satz 2 der Landesverfassung - LV NRW - zu gewährende Finanzausgleich stehe unter dem Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes.

Weder aus Art. 79 Satz 2 LV NRW noch aus Art. 28 Abs. 2 und 3 GG ergebe sich die Pflicht zur Gewährung einer Mindestfinanzausstattung im Sinne einer „absoluten“ Untergrenze, die selbst bei einer extremen finanziellen Notlage des Landes nicht unterschritten werden dürfe. Unter Berücksichtigung der äußerst angespannten finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes könne der Verfassungsgerichtshof nicht feststellen, dass eine den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechende aufgabenangemessene Mindestausstattung unterschritten worden sei.

Nach sachverständiger Beurteilung, der sich der Gesetzgeber angeschlossen habe, hätten trotz stark gestiegener Sozialausgaben keine Anzeichen für einen signifikanten Anstieg aller kommunaler Aufgaben im Verhältnis zu den Aufgaben des Landes bestanden, denen der Gesetzgeber hätte Rechnung tragen müssen. Seiner Beobachtungs- und Anpassungspflicht bezogen auf erkennbare Belastungsverschiebungen sei der Gesetzgeber nachgekommen, indem er finanzwissenschaftlichen Sachverstand hinzugezogen habe.

Die vom Land im GFG 2011 zur Verfügung gestellten Finanzmittel seien auch verfassungskonform auf die einzelnen Kommunen verteilt worden. Die deutliche Höhergewichtung des Soziallastenansatzes und seine Berücksichtigung ausschließlich auf Gemeindeebene verstießen nicht deshalb gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot, weil sie gegenüber den Vorjahren erhebliche Umverteilungen zulasten des kreisangehörigen Raums und innerhalb der Kreise hervorgerufen hätten.

Das beachtliche Ausmaß der Veränderungen beruhe darauf, dass die Sozialbedarfe über viele Jahre hinweg angestiegen seien, während die nach gutachtlicher Bewertung gebotene Anpassung des Soziallastenansatzes erst mit einiger Verzögerung und dann 2011 und 2012 in nur zwei Schritten vorgenommen worden sei. Im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens hätten umfangreiche aktuelle sachverständige Untersuchungen vorgelegen, die sich intensiv mit den Kerneinwänden der kommunalen Spitzenverbände bezogen auf die Verteilungssystematik - auch innerhalb der Kreise - befasst hätten. Das hierauf gestützte Verteilungssystem sei nicht schon deshalb verfassungswidrig, weil eine andere auch vertretbare sachverständige Auffassung zu abweichenden Ergebnissen gekommen sei.

RWE Power und Entgelt für Wasserentnahme

Die Festsetzung eines Wasserentnahmeentgelts in Höhe von ca. 10 Mio. Euro zulasten der RWE Power AG auf Grundlage des Wasserentnahmeentgeltgesetzes aus dem Jahr 2011 ist rechtmäßig (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteil vom 1. April 2014
- Az.: 14 K 6024/11 -

Die Klägerin ist Betreiberin der Braunkohletagebaue Garzweiler, Hambach und Inden. Um Braunkohle gewinnen zu können, ist es u. a. erforderlich, dort vorhandenes Grundwasser zu fördern. Dieses Sümpfungswasser wird z. T. zur Kühlwasserversorgung von Kraftwerken, zur Brauch- und Trinkwasserversorgung und für die Ökoversorgung von Feuchtgebieten und Oberflächengewässern genutzt. Ein Teil wird ungenutzt in die Erft, Rur und Inde eingeleitet. 2011 förderte die Klägerin insgesamt 546 Mio. Kubikmeter Grundwasser, wovon ungefähr ein Drittel ungenutzt in die genannten Flüsse eingeleitet wurde.

Mit mehreren Bescheiden setzte das beklagte Land NRW für das Jahr 2011 insgesamt Wasserentnahmeentgelte in Höhe von ca. 10 Mio. Euro fest, wobei sich die Summe der ungenutzten Sümpfungswässer davon auf ungefähr 3,4 Mio. Euro belief. Die Klägerin hält das entsprechende Wasserentnahmeentgeltgesetz aus dem Jahr 2011 aus mehreren Gründen für verfassungswidrig. Insbesondere verstoße die Erhebung des Entgelts unabhängig davon, ob das Grundwasser nach der Förderung genutzt werde, gegen das Grundgesetz. Ein allenfalls mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil für die Klägerin berechtige jedenfalls nicht zur Erhebung des Entgelts. Dadurch werde sie in ihrer Berufsfreiheit verletzt und gegenüber anderen vergleichbaren Abgabenschuldnern schlechter gestellt.

Das Gericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Ebenso wie bei der Vorgängerregelung des Gesetzes aus dem Jahr 2004 liege kein Verstoß gegen die Verfassung vor. Der Gesetzgeber sei den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht geworden. Die Erhebung des Entgelts könne unabhängig von der konkreten Nutzung des Wassers erfolgen, da die Konzeption des Wasserentnahmeentgelts allein auf die Entnahme abstelle und zunächst nicht danach schaue, welcher Nutzung das Wasser in der Folge zugeführt werde.

Dass der Gesetzgeber dann für spezielle Nutzungen Privilegierungen geschaffen habe, ändere hieran nichts, da ihm insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Die Klägerin könne auch nicht mit der Streichung der bisher bestehenden Privilegierung für Sümpfungswässer argumentieren, da dies eine Frage von wirtschaftlichen Subventionen sei. Über deren Entstehung und Fortbestand könne der Gesetzesgeber relativ frei entscheiden, solange dies nicht willkürlich geschehe. Diese Anforderungen seien vorliegend erfüllt.

Bemühen um Vermietung und Grundsteuererlass

Hinreichende Vermietungsbemühungen als Voraussetzung für einen Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (hier: Steuerjahr 2010) sind regelmäßig bezüglich gewerblich genutzter Objekte bei einer Bewerbung über das Internet anzunehmen, während es bei zu Wohnzwecken genutzten Objekten zusätzlicher Anzeigen in den Printmedien bedarf.

OVG NRW, Urteil vom 20. März 2014
- Az.: 14 A 1513/12 -

Der Kläger verfügt über eine Immobilie, die teils zu gewerblichen Zwecken, teils zu Wohnzwecken genutzt wird. Einen Antrag auf Grundsteuererlass wegen wesentlicher Ertragsminderung lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger die Ertragsminderung aufgrund unzureichender Vermietungsbemühungen zu vertreten habe. Der hiergegen gerichteten Klage hat das VG stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erlass der Grundsteuer für das Jahr 2010 nicht zu. Der Kläger habe die Ertragsminderung für die Wohneinheit im zweiten Obergeschoss zu vertreten, sodass die für einen Erlass notwendige Ertragsminderung um mehr als 50 v. H. nicht erreicht wird.

Welche Vermietungsbemühungen im Einzelnen erforderlich sind, um ein Vertretenmüssen der Rohertragsminderung auszuschließen, lasse sich nur begrenzt abstrakt beschreiben. Allerdings sei es unabdingbar, dass der Grundstückseigentümer das Objekt durch Vermietungsangebote überhaupt an den Markt bringt. Dem ist der Kläger durch das Schalten von Anzeigen im Internet nachgekommen. Welche Vermietungsbemühungen nach Art und Umfang als hinreichend anzusehen sind, um ein Vertretenmüssen der Rohertragsminderung auszuschließen, sei grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls.

Bei der Prüfung des Einzelfalls sei hinsichtlich des in Rede stehenden Objekts die Art seiner Nutzung, seine Größe, aber auch seine Lage zu berücksichtigen, weil sich daraus ermessen lasse, welcher potenzielle Interessentenkreis für eine Vermietung überhaupt in Frage kommt.

Nach diesen Maßstäben bemesse sich auch die Frage, inwieweit neben einer Nutzung des Internets Anzeigen in den Printmedien erforderlich sind. Dabei sei die Tatsache in Rechnung zu stellen, dass sich das Wirtschaftsleben durch das Internet grundlegend gewandelt habe. In starkem und wachsendem Umfang würden diese Beziehungen nicht geknüpft durch persönlichen Kontakt in einem Ladengeschäft, sondern durch Sichtung von Angeboten im Internet.

Maßgebliche Bedeutung für die Frage, ob neben einer Internetbewerbung zusätzlich die Bewerbung in Printmedien erforderlich ist, komme der Verbreitung und Nutzung des Internets zu.

Die Entwicklung im Privatbereich zeichne sich durch einen kontinuierlichen Anstieg des Internetzugangs aus, der allerdings erst im Jahre 2012 vier Fünftel der Haushalte erreichte. Hinsichtlich der tatsächlichen Internetnutzung war selbst im Jahre 2013 weniger als die Hälfte der älteren Generation erreichbar. Deutlich günstiger noch stellen sich die Verhältnisse im gewerblichen Bereich dar.

Angesichts dieser Zahlen sei für den hier in Rede stehenden Steuerzeitraum wegen der weitreichenden Erschließung durch das Internet und der offensichtlichen technischen Vorteile einer Bewerbung durch dieses Medium zu fordern, dass im Regelfall immer eine Bewerbung über das Internet erfolgen muss, um einen Ertragsausfall nicht vertreten zu müssen. Eine zusätzliche Bewerbung durch Printmedien ist demgegenüber bei der beabsichtigten Vermietung von Gewerberäumen nicht mehr zumutbar. Bei dem Angebot von Gewerbeobjekten kann im Regelfall nicht ernsthaft angenommen werden, dass eine zusätzliche Printwerbung weitere Interessentenkreise erschließt.

Bei der Vermietung von Wohnungen sei die Schaltung von Printanzeigen jedoch regelmäßig nicht unzumutbar und deshalb erforderlich. Zwar könne auch hier festgestellt werden, dass die Erschließung der interessierten privaten Kreise durch Internetzugang und dessen tatsächliche Nutzung inzwischen beträchtlich ist, sodass die Immobiliensuche überwiegend über dieses Medium erfolgen dürfte. Es könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zugang jedenfalls im hier in Rede stehenden Steuerzeitraum immerhin über ein Fünftel der Haushalte nicht erfasst hat und die umfassende Ansprechbarkeit der älteren Generation bis heute deutlich verfehlt wird.

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