Heft Januar-Februar 2019

Einsichtnahme des Rates in Gewerbesteuerakten

Das OVG hat der Fraktion der Grünen im Rat der Gemeinde Kranenburg den Anspruch auf Einsicht in Gewerbesteuerakten im Streitfall verwehrt und damit nicht nur das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert, sondern auch seine frühere gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Urteil vom 06.11.2018
- Az.: 15 A 2638/17 -

Die Ratsfraktion hatte beantragt, Einsicht in die Gewerbesteuerakten der 30 größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde in den Jahren 2012, 2013 und 2014 zu erhalten. Sie wollte sie zur Erarbeitung eines Gewerbeansiedlungskonzepts nutzen. Der Bürgermeister hatte diesen Antrag unter Hinweis auf das Steuergeheimnis abgelehnt.

Diese Verweigerung der Akteneinsicht hat das Oberverwaltungsgericht als rechtmäßig bestätigt. Zwar stehe Gemeinderatsfraktionen nach der Gemeindeordnung NRW grundsätzlich ein umfassendes Akteneinsichtsrecht zu, so das Gericht, damit sie ihre Kontrollbefugnis gegenüber der Verwaltung effektiv wahrnehmen könnten. Allerdings werde dieses Akteneinsichtsrecht unter anderem durch das bundesrechtlich geregelte Steuergeheimnis beschränkt, das vorliegend dem geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch entgegenstehe.

Durch die Akteneinsicht würden der Fraktion geschützte Steuerdaten der Gewerbetreibenden ungerechtfertigt offenbart. Die Fraktion könne sich nicht darauf berufen, das Steuergeheimnis werde durch die Akteneinsicht eines Ratsmitglieds nicht berührt, weil der Rat zur Kontrolle der Verwaltung berufen und Ratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet seien, wie erstinstanzlich noch das VG Düsseldorf argumentiert hatte. Das Steuergeheimnis schütze, von den gesetzlich geregelten Ausnahmen abgesehen, vor einer Weitergabe von Steuerdaten an jede andere Person oder Einrichtung.

Dies gilt sogar innerhalb der Verwaltung. Insoweit halte das Gericht an seiner gegenteiligen Rechtsprechung aus dem Jahr 1997 nicht mehr fest. Vorliegend sei die Weitergabe der Gewerbesteuerdaten gerade nicht durch einen der gesetzlichen Ausnahmetatbestände zugelassen. Insbesondere bestehe kein zwingendes öffentliches Interesse für die Offenbarung geschützter Daten nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO. Das Gewerbeansiedlungskonzept, das die Klägerin mithilfe der aus den Gewerbesteuerakten gewonnenen Informationen erarbeiten wolle, habe dafür kein hinreichendes Gewicht.

Die Rechtsprechungsänderung des OVG hat überregionale Bedeutung. Die nunmehr unterstrichene enge Anbindung von Akteneinsichtsrechten in Kommunen an das Steuergeheimnis entspricht im Übrigen auch der langjährigen Beratungspraxis des Städte- und Gemeindebundes NRW.

Ladenöffnungsgesetz NRW restriktiv ausgelegt

In einem nachträglich begründeten Beschluss vom 2. November 2018 hat das OVG eine Entscheidung des VG Köln bestätigt, wonach die Durchführung eines Kunsthandwerkermarkts zu St. Martin („Roisdorfer Martinimarkt“) auf dem Parkplatz eines großen Möbelmarkts in Bornheim die Öffnung zweier an dem Parkplatz liegender Möbelmärkte am 4. November 2018 (Sonntagnachmittag) nicht rechtfertigte. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Beschluss vom 02.11.2018
- Az.: 4 B 1580/18 -

In der Begründung hat das OVG nach eigener Darstellung Grundsätzliches zu der mit dem „Entfesselungspaket I“ eingeführten Neuregelung über verkaufsoffene Sonntage ausgeführt und die Voraussetzungen, unter denen die Sonn- und Feiertagsöffnung zulässig ist, näher präzisiert. Mit dem Gesetz sollte der stationäre Einzelhandel durch erweiterte Möglichkeiten zur Freigabe sonntäglicher Ladenöffnungen im zunehmenden Wettbewerb insbesondere mit dem Online-Handel sowie mit Konkurrenz aus dem benachbarten Ausland gestärkt werden.

Neben der schon bisher gegebenen Möglichkeit, an Sonn- und Feiertagen bei örtlichen Veranstaltungen auch Ladenöffnungen zu gestatten, erlaubt die Neuregelung deshalb unter anderem Öffnungen, die „dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots“ oder „zentraler Versorgungsbereiche dienen“, die „der Belebung der Ortszentren dienen“ oder die „die überörtliche Sichtbarkeit der jeweiligen Kommune steigern“.

Zugleich ist die Zahl zulässiger verkaufsoffener Sonntage auf höchstens acht und innerhalb jeder Gemeinde insgesamt nicht mehr als 16 Sonn- und Feiertage erhöht worden. Das OVG hat nach ausführlicher Würdigung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und in Fortführung seiner Rechtsprechung klargestellt, dass das durch das Grundgesetz gewährleistete Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes nur dann gewahrt werde, wenn die nunmehr sehr weit gefassten gesetzlichen Voraussetzungen für Ladenöffnungsfreigaben an Sonn- und Feiertagen einschränkend ausgelegt würden.

Das stets zu wahrende Regel-Ausnahme-Verhältnis beim Sonn- und Feiertagsschutz werde nicht schon eingehalten, wenn einer der gesetzlich bezeichneten Sachgründe in allgemeiner Weise gegeben sei, weil dies „regelmäßig“ der Fall sei. Stattdessen habe jede Gemeinde zusätzlich im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und zu begründen, ob die für die Ladenöffnung angeführten Gründe ausreichend gewichtig seien, um eine Ausnahme von der Arbeitsruhe am Sonntag zu rechtfertigen. Dies sei auch aus Gründen der Wettbewerbsneutralität unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten.

Ausgehend davon hat das Gericht die besonderen sachlichen Voraussetzungen, die das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei einer Sonntagsöffnung gewährleisten können, anhand der gesetzlichen Voraussetzungen präzisiert. Bei örtlichen Veranstaltungen gelte weiterhin, dass diese gegenüber der typischen werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen müssten, auch wenn nicht notwendig eine Besucherprognose anzustellen sei.

Deshalb müsse sich die Gemeinde in einer für die gerichtliche Überprüfung nachvollziehbaren und dokumentierten Weise Klarheit über Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung verschaffen. Das grundsätzliche Bestreben des Gesetzgebers, einen vielfältigen stationären Einzelhandel angesichts eines sich verschärfenden Wettbewerbs zu sichern und zu stärken, reiche ebenso wenig wie das generelle Konkurrenzverhältnis zum Online-Handel in seiner allgemeinen Form aus, weil diese in grundsätzlich gleicher Weise ganzjährig für den Einzelhandel einer jeden Kommune bestünden.

Damit das Interesse an einem vielfältigen Einzelhandel in Kombination mit anderen Sachgründen das erforderliche Gewicht für eine Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes erlangen könne, müssten besondere örtliche Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen) belegbar gegeben sein, die eine Durchbrechung der Arbeitsruhe sowie eine Begünstigung bestimmter Verkaufsstellen auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wettbewerbsneutralität rechtfertigen könnten. Hierzu bedürfe es zudem eines schlüssig verfolgten gemeindlichen Gesamtkonzepts, im Rahmen dessen verkaufsoffene Sonntage geeignet erschienen, den damit verfolgten legitimen Zielen jenseits des Umsatzinteresses des Handels zu dienen.

Das OVG hat außerdem darauf hingewiesen, dass die danach erforderliche Gewichtung von Sachgründen für geplante Verkaufsstellenöffnungen anhand der Rechtsprechung ausreichend rechtssicher ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich sei. Rechtsunsicherheit und ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand würden vor allem dort erzeugt, wo die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht wirklich umgesetzt würden oder Kommunen versuchten, mit Hilfe der gesetzlich neu geschaffenen Sachgründe den verfassungsrechtlichen Rahmen zulässiger Sonntagsöffnungen maximal auszuschöpfen.

Die Freigabe der Ladenöffnung zweier großer Möbelmärkte im vorliegenden Fall sei danach weder wegen des dort stattfindenden kleinen Martinimarkts zulässig, noch wegen der Absicht, den örtlichen Möbelstandort zu stärken und überörtlich sichtbar zu machen. Es bestünden keine Zweifel, dass der Martinimarkt gerade deshalb im Gewerbegebiet durchgeführt werde, um eine sonntägliche Öffnung zweier Möbelmärkte zu ermöglichen.

Auch Anzeichen für örtliche Fehlentwicklungen oder ausgleichsbedürftige besondere Standortnachteile seien angesichts des von einem Markt erst vor wenigen Jahren gewählten strategisch günstigen Standorts im Großraum Köln/Bonn nicht ersichtlich. Die standortbedingte Wettbewerbslage für den Möbelhandel im Stadtgebiet von Bornheim habe sich durch die Schließung eines Bonner Traditionsmöbelhauses im vergangenen Jahr nicht verschlechtert, sondern wegen des Wegfalls eines nahe gelegenen Konkurrenten verbessert.

Haftung bei Entrichtung von Bettensteuer

Ist nicht vorgesehen, dass ein zur Abführung der „Bettensteuer“ verpflichteter Beherbergungsunternehmer (Entrichtungspflichtiger) eine Steueranmeldung abzugeben hat, kann gegen ihn bei einer Verletzung der Entrichtungspflicht nur ein Haftungsbescheid ergehen, unabhängig davon, ob er die Steuer beim Steuerschuldner (Übernachtungsgast) vereinnahmt hat oder nicht (Fortführung von OVG NRW, Beschluss vom 13.2.2018 - 14 A 1866/17 -). (Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 08.08.2018
- Az.: 14 B 610/18 -

Die Antragstellerin hatte im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gerügt, sie könne als Entrichtungspflichtige durch die Antragsgegnerin nicht unmittelbar im Wege der Steuerfestsetzung, sondern nur im Wege der Haftung herangezogen werden. Dies hat das OVG nach summarischer Prüfung bestätigt. Die im Rahmen der kommunalen Satzung vorgesehene Entrichtungspflicht des Betreibers des Beherbergungsbetriebs sei im Lichte der Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG i.V.m. § 43 Satz 2 AO auszulegen. Steuerentrichtungspflichtiger in deren Sinne ist derjenige Beteiligte des Steuerrechtverhältnisses, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die von einem anderen geschuldete Steuer einzubehalten und für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten.

Der Entrichtungspflichtige ist zwar nach § 33 Abs. 1 AO Steuerpflichtiger, aber nicht zugleich Steuerschuldner, sondern schuldet nur die Abführung der Steuer des Dritten. Der Entrichtungsanspruch des Fiskus sei daher auch nicht mit einem Steueranspruch i.S.d. § 37 Abs. 1 AO gleichzusetzen. Das Gesetz sehe demgemäß auch keine Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen durch einen Steuerentrichtungs(schuld-)bescheid vor, wie bereits durch OVG-Beschluss vom 13. Februar 2018 (Az. 14 A 1866/17) bekräftigt. Dies gelte auch unabhängig davon, ob der Entrichtungspflichtige die Steuer wie vorliegend zwar beim Steuerschuldner einkassiert hat, sie aber nicht abführt, oder ob er sie bereits nicht eingezogen hat.

Entsprechendes gelte für sonstige Pflichtverletzungen etwa im Zusammenhang mit der Abgabe der Steuererklärung. Durch Bescheid geltend machen könne die Antragsgegnerin vorliegend demzufolge allein einen Haftungsanspruch. Verfahrensmäßig könne dies jedenfalls durch einen Haftungsbescheid nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG i.V.m. § 191 AO geschehen. Von der Möglichkeit, den materiellen Haftungsanspruch stattdessen auch im Wege der Steuerfestsetzung durch einen sogenannten Nachforderungsbescheid nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO geltend zu machen, könne die Antragsgegnerin hingegen keinen Gebrauch machen, weil sie in ihrer Satzung keine Verpflichtung zur Steueranmeldung durch den Entrichtungspflichtigen vorgesehen habe.

Ihr komme deshalb im Übrigen auch nicht zugute, dass eine Steueranmeldung des Entrichtungspflichtigen als fingierter Festsetzungsbescheid nach § 168 Satz 1 AO unmittelbar gegen diesen wirke. Bei den angefochtenen Bescheiden handele es sich allerdings nicht um Haftungsbescheide. Da Haftungsschuld und Steuerschuld wesensmäßig verschieden sind, müsse eindeutig erkennbar sein, ob der Adressat als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird.

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