Heft Januar-Februar 2016

NRW-Beamtenbesoldung verfassungsgemäß

Die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe A 9 in den Jahren 2003 und 2004 sowie A 12 und A 13 im Jahr 2003 in Nordrhein-Westfalen sind mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015
- Az.: 2 BvL 19/09, 2 BvL 20/14, 2 BvL 5/13, 2 BvL 20/09 -

Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts waren insgesamt vier Verfahren der konkreten Normenkontrolle zur Verfassungsmäßigkeit der A-Besoldung von Beamtinnen und Beamten. Bestimmte Sätze anderer Bundesländer wurden zum Teil bestätigt (Niedersachsen), zum Teil aber auch als verfassungswidrig verworfen (Sachsen). Der Beschluss knüpft im Wesentlichen an das Urteil zur Besoldung der Richter und Staatsanwälte (R-Besoldung) vom 5. Mai 2015 an, dessen Maßstäbe auf die A-Besoldung weitestgehend übertragbar sind.

Inhaltlich wurde darum gestritten, ob die Höhe der Besoldungssätze der Beamtinnen und Beamten hinreichend oder zu niedrig bemessen sei. Der verfassungsrechtliche Entscheidungsmaßstab dafür, unterstrich das Gericht, ergebe sich aus Art. 33 Abs. 5 GG.

Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG gehöre das Alimentationsprinzip, das den Dienstherren dazu verpflichte, Beamte und ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen einen ihrer Position angemessenen Lebensunterhalt zu garantieren. Bei der praktischen Umsetzung komme dem Gesetzgeber aber ein weiter Entscheidungsspielraum zu.

Die Gerichte prüfen insoweit nur auf evidente Sachwidrigkeit, das heißt auf die Frage, ob die Bezüge der Beamten evident unzureichend sind. Dies müsse, so das Gericht, anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung konkreter Vergleichsgruppen geprüft werden. Im Rahmen dieser Gesamtschau orientierte sich das Gericht - im Rahmen einer ersten Prüfungsstufe - insbesondere an folgenden fünf Parametern:

  • Deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst in dem jeweils betroffenen Land
  • Deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land
  • Deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land
  • Systeminterner Besoldungsvergleich (Verbot, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen)
  • Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder

Eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation besteht nach Ansicht des zweiten Senats dann, wenn drei oder mehr dieser Parameter nach genauerer Prüfung auf unzureichende Bezüge hindeuten.

Im Rahmen einer zweiten Prüfungsstufe könne diese Vermutung im Rahmen einer Gesamtabwägung dann durch Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien widerlegt bzw. erhärtet werden. Als weitere Kriterien nennt der Beschluss etwa die besondere Qualität und Verantwortung eines Amtsträgers, das Niveaus der Beihilfe- und Versorgungsleistungen sowie den Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft.

Sei danach von einer grundsätzlich verfassungswidrigen Unteralimentation auszugehen, könne diese im Rahmen einer dritten Prüfungsstufe allerdings ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Soweit eine Kollision mit anderen Verfassungsgütern vorliege, sei im Wege der Abwägung ein Ausgleich herzustellen (sog. Grundsatz der praktischen Konkordanz). Verfassungsrang habe insoweit auch das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG („Schuldenbremse“), dem der Gesetzgeber bei der Anpassung der Besoldung Rechnung tragen müsse. Allerdings vermöchten weder die Finanznot öffentlicher Haushalte noch das besondere Treueverhältnis des Beamten allein, eine nach den ersten beiden Prüfschritten als zu niedrig zu beurteilende Besoldung zu rechtfertigen. Andernfalls ginge der Schutz des Alimentationsprinzips ins Leere.

Finanzielle Rechtfertigungsgründe unterliegen nach Aussage des Gerichts vielmehr strengen Voraussetzungen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen könne zur Bewältigung von Ausnahmesituationen (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG) nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines besonders zu begründenden schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung sei.

Im Übrigen genieße die Alimentation des Beamten einen relativen Normbestandsschutz. Kürzungen oder andere Einschnitte seien nur durch solche Gründe sachlich zu rechtfertigen, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen. Zu solchen systemimmanenten Gründen könnten finanzielle Erwägungen zwar hinzutreten. Sparanstrengungen seien aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung zu werten, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dienten.

Für eine Festlegung der Besoldungshöhe träfen den Gesetzgeber insgesamt weitreichende Ermittlungs- und Erklärungspflichten, die sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen müssten.

Die in dem Beschluss durchgeführte konkrete Überprüfung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe A 9 in den Jahren 2003 und 2004 sowie der Besoldungsgruppe A 12 und A 13 im Jahr 2003 in Nordrhein-Westfalen ergab, dass keiner der Parameter der ersten Prüfungsstufe einen Verstoß gegen den absoluten Schutz des Alimentationsprinzips indizierte.

Status eines Gastes zur Sperrstunde

Gast ist jede Person, die mit dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis des Betriebsinhabers zur Inanspruchnahme der dem Publikum gebotenen Leistungen des Betriebes in die Betriebsräume aufgenommen wird. Auch Personen, die im Interesse von Beschäftigten in den Gasträumen verweilen, etwa weil sie diese am Ende ihrer Arbeitszeit abholen wollen, sind Gäste, wenn sie bei ihrem Warten die Annehmlichkeiten der Gaststätte in Anspruch nehmen (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Beschluss vom 03.12.2015
- Az.:
4 B 762/15 -

Gestritten wurde im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzersuchens um die Rechtsansicht der Antragstellerin, am 14.03.2015 hätten sich nach dem Beginn der Sperrzeit um 01.00 Uhr keine „Gäste“ mehr in ihrer Gaststätte befunden. Mit folgenden Orientierungssätzen stellt das OVG klar, unter welchen Voraussetzungen tatsächlich von Gästen im Rechtssinne ausgegangen werden kann und wann dementsprechend eine Deklarierung von Gästen als eigener Privatbesuch durch den Gastwirt keinen Erfolg haben kann:

1. Gast ist jede Person, die mit dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis des Betriebsinhabers zur Inanspruchnahme der dem Publikum gebotenen Leistungen des Betriebes in die Betriebsräume aufgenommen wird. Ein Verzehr muss mit der Aufnahme nicht verbunden sein. Ausreichend ist schon die Inanspruchnahme der mit den Räumen verbundenen Bequemlichkeit oder der Möglichkeit der Unterhaltung, etwa des Billardspiels im Schankraum.

2. Beschäftigte des Betriebes, die sich dort betriebsbedingt aufhalten, sind dagegen in der Regel nicht Gäste.

3. Keine Gäste sind auch sogenannte „Privatgäste“ des Gastwirts, bei denen sich die Bewirtung vorwiegend als Folge einer außerhalb des Schankwirtschaftsbetriebes liegenden persönlichen Beziehung, einem freundschaftlichen oder verwandtschaftlichen Verhältnis darstellt.

4. Allerdings werden Schankgäste nicht bereits dadurch zu „Privatgästen“, dass sie der Betriebsinhaber als solche deklariert.

5. Ein Betriebsinhaber muss sich darüber im Klaren sein, dass andere Personen als seine Beschäftigten, denen er nach Beginn der Sperrstunde den Aufenthalt in seinen Betriebsräumen gestattet, im Rahmen der Gaststättenaufsicht grundsätzlich als Gäste seiner Gastwirtschaft zu betrachten sind. Die ohnehin nicht leichte Kontrolle der Einhaltung der Sperrstunde wäre sonst erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht.

6. Zur sachgerechten Handhabung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) sind die Tatsachengerichte (nur) verpflichtet, hinreichend konkret dargelegten Einwänden eines Beteiligten nachzugehen und den Sachverhalt - ggf. auch unter Mitwirkung der Beteiligten - weiter aufzuklären, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist.

Erdrosselnde Wirkung einer Sexsteuer

Eine Steuer darf mit Rücksicht auf das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht die zulässige Ausübung eines Berufs erdrosseln. Das ist dann der Fall, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Daraus folgt, dass es nicht auf die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Klägers ankommt. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine steuerbedingte Tendenz zum Absterben der Bordellbranche im jeweiligen Ort erkennbar ist.

OVG NRW, Beschluss vom 18.11.2015
- Az.:
14 A 1761/15 -

Im Rahmen eines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des VG Düsseldorf (v. 16. Juni 2015, Az: 25 K 3099/14) hatte das OVG NRW über die Höhe einer festgesetzten kommunalen Sexsteuer zu entscheiden, die die Klägerin für unverhältnismäßig und erdrosselnd hielt. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

Das Gericht stellte klar, dass die Einlassung zur Unverhältnismäßigkeit der Steuer nicht durchgreife, da eine Steuer - anders als eine Vorzugslast - grundsätzlich gegenleistungslos erhoben werde, so dass damit schon von Gesetzes wegen keinerlei Vorteile verbunden seien. Eine Steuer diene vielmehr der Einnahmeerzielung und verfolge dabei gegebenenfalls auch Lenkungszwecke. Darüber hinaus sei auch für eine etwaige erdrosselnde Wirkung der Steuer weder etwas Relevantes vorgetragen worden, noch sei dies sonst ersichtlich.

Eine unzulässige Erdrosselungssteuer könne auch nicht damit begründet werden, dass die Aufsummierung der Steuerforderung für mehrere Jahre den wirtschaftlichen Ruin bedeutete. Schließlich treffe auch die Rechtsansicht der Klägerin nicht zu, dass die Steuer durch den Steuerbescheid rückwirkend erhoben worden sei. Das Gericht stellt klar, dass die Steuer mit der Verwirklichung des Steuertatbestands entstehe (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO), also der vorliegend einschlägigen Satzung gemäß mit der gezielten Einräumung zu sexuellen Vergnügungen in Einrichtungen bzw. dem Betrieb des Bordells.

Mit den Steuerbescheiden werde diese normativ bereits entstandene Steuer nur noch festgesetzt. Sofern dabei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, die Festsetzungsfrist auszunutzen - also den Zeitraum von vier Jahren nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO) -, so sei dies unbedenklich. Stattdessen wäre es, so das Gericht, Sache der Klägerin gewesen, nach dem Handelsgesetzbuch entsprechende Rückstellungen zu bilanzieren und für die erforderliche Liquidität zu sorgen.

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