Heft Januar-Februar 2007

Anrechnung des Mittagessens auf Grundsicherungsleistungen

Die Sozialämter dürfen von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz keine Beträge für das in der Werkstatt für behinderte Menschen kostenfrei angebotene Mittagessen abziehen. Das kostenfrei angebotene Mittagessen führt nicht zu einer Minderung des monatlichen Bedarfs, der durch die Leistungen des Grundsicherungsgesetzes abgedeckt werden soll (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Urteil vom 29. November 2006
- Az.: 21 A 1565/05 -

Der Kläger, der wegen einer schweren Behinderung voll erwerbsgemindert ist, arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Dort nimmt er regelmäßig ein Mittagessen ein, für das er keinen Kostenbeitrag zahlen muss. In den Jahren 2003 und 2004 erhielt er Leistungen nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Grundsicherungsgesetz. Das Sozialamt der Stadt Lünen zog von diesen Leistungen monatlich 45 Euro für das Mittagessen ab. Auch der Kreis Unna hielt diese Anrechnung im Widerspruchsverfahren für rechtens. Hiergegen wandte sich der Kläger. Seine Klage hatte im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen keinen Erfolg. Der Berufung des Klägers hat das OVG nunmehr mit dem o. g. Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das dem Kläger in der Werkstatt für behinderte Menschen kostenfrei angebotene Mittagessen führe nicht zu einer Minderung des monatlichen Bedarfs, der durch die Leistungen des Grundsicherungsgesetzes abgedeckt werden solle. Eine individuelle Ermittlung des jeweiligen Bedarfs sei weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck des Grundsicherungsgesetzes, das lediglich pauschalierte Leistungen vorsehe, vereinbar. Es sei auch nicht zulässig, das Mittagessen als Einkommen anzurechnen. Denn das Mittagessen werde im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen angeboten und sei damit eine Sozialleistung nach dem Bundessozialhilfegesetz, die nicht zum Einkommen zähle. Das Gesetz schreibe vor, unter welchen - vor allem wirtschaftlichen - Voraussetzungen der Landschaftsverband als überörtlicher Träger der Sozialhilfe einen Kostenbeitrag für das Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen verlangen könne. Wenn diese Voraussetzungen - wie hier - nicht vorlägen, solle ein behinderter Mensch nicht auf dem Weg der Kürzung der ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen schließlich doch die Kosten hierfür tragen müssen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Gebühren für Straßenreinigung bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken

Grundstücke innerhalb geschlossener Ortslagen, die landwirtschaftlich genutzt werden, allerdings baulich nutzbar sind, sind zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteil vom 20. Oktober 2006
- Az.: 27 K 6990/04 -

Das VG Köln hat mit Urteil vom 20.10.2006 festgestellt, dass Grundstücke innerhalb geschlossener Ortslagen, die landwirtschaftlich genutzt werden, allerdings baulich nutzbar sind, zu Straßenreinigungsgebühren heranzuziehen sind. Damit bestätigt das VG die Rechtsauffassung der Geschäftsstelle, wie sie in den „Mitteilungen“ lfd. Nr. 351 von Mai 2004 veröffentlicht worden war. Unter den Erschließungsbegriff des Straßenreinigungsgesetzes fallen danach auch landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, für die planungsrechtlich - sei es wegen einer Festsetzung im B-Plan oder wegen ihrer Lage im Innenbereich - die Möglichkeit der Bebaubarkeit besteht. Mit dieser Begründung hatte die beklagte Gemeinde in dem Rechtsstreit den Gebührenbescheid aufrecht erhalten.

Das VG Köln stellt fest, dass ein Grundstück nach der Rechtsprechung des OVG NRW im Sinne der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 StrReinG NRW von der gereinigten Straße erschlossen wird, wenn es von der Straße rechtlich und tatsächlich für Fahrzeuge oder auch nur fußläufig eine Zugangsmöglichkeit hat und dadurch schlechthin eine innerhalb geschlossener Ortslage übliche und sinnvolle wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ermöglicht wird. Hieraus folge, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück einen speziellen Vorteil aus der Straßenreinigung hat und damit straßenreinigungsrechtlich als erschlossen anzusehen ist, nicht allein auf die aktuelle tatsächliche Nutzung des Grundstücks, sondern auf dessen gegenwärtige objektive Nutzungsmöglichkeit abzustellen sei. Die Grundstücke der Klägerin lägen sämtlich im Bereich eines rechtskräftigen Bebauungsplans, der dort überbaubare Flächen entlang der Erschließungsstraßen ausweise. Durch die objektiv mögliche Bebaubarkeit der Grundstücke sei eine gegenwärtige Nutzungsmöglichkeit eröffnet, die bei entsprechender Zugänglichkeit der Flächen eine typisch wirtschaftliche und sinnvolle Grundstücksnutzung innerhalb geschlossener Ortslagen darstelle. Unabhängig davon, ob der Eigentümer die bauliche Nutzungsmöglichkeit realisiere, erfahre das Grundstück nunmehr durch die Straßenreinigung - im Gegensatz zu einer bloßen landwirtschaftlichen Nutzbarkeit des Grundstücks - einen speziellen, sich auf das geordnete Zusammenleben der örtlichen Gemeinschaft auswirkenden Vorteil, weil die Straßenreinigung in diesem Fall der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Grundstücks zugute komme. In diesem Fall könne es auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber den anderen Gebührenpflichtigen für die Erhebung der Gebühren nicht ausschlaggebend sein, ob der Eigentümer die objektiv gegebene Nutzbarkeit des Grundstücks realisiere oder nicht.

Verwendung von Erlösen aus Cross-Border-Leasing

Einnahmen aus einem sog. Cross-Border-Leasing-Geschäft (CBL-Geschäft) müssen nicht zur Verminderung von Gebühren im Gebührenhaushalt eingesetzt werden (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 23. November 2006
- Az.: 9 A 1029/04 -

Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat entschieden, dass Einnahmen aus einem so genannten Cross-Border-Leasing-Geschäft (CBL-Geschäft) nicht zur Verminderung von Entwässerungsgebühren eingesetzt werden müssen.

Die Stadt Gelsenkirchen hatte 2002 im Rahmen eines CBL-Geschäfts mit einem US-Investor über ihr Kanalnetz einen Erlös von ca. 12,38 Millionen Euro erzielt. Das Geschäft bestand aus einem komplizierten Vertragswerk, das dem US-Investor ermöglichte, auf der Grundlage des damaligen amerikanischen Steuerrechts erhebliche Steuervorteile zu erlangen. Hiervon gab der Investor einen Teilbetrag an die Stadt weiter, die diesen in den allgemeinen Haushalt einstellte. In der Folgezeit zogen verschiedene Grundstückseigentümer gegen die Heranziehung zu Entwässerungsgebühren vor Gericht. Sie beanstandeten, dass die Stadt die hohe Einnahme aus dem CBL-Geschäft nicht zur Minderung der Gebühren eingesetzt habe.

Der 9. Senat gab nunmehr der Stadt Recht. Zur Begründung stellte er entscheidend darauf ab, dass die einmalige Einnahme keine hinreichende Verknüpfung zu den durch das Kanalnetz verursachten Kosten aufweise. Der Erlös aus dem CBL-Geschäft sei betriebsfremd. Der Gebührenzahler dürfe nur mit den durch die Abwasserentsorgung entstehenden betriebsbedingten Kosten belastet werden. Dementsprechend müsse eine betriebsfremde Einnahme bei der Gebührenberechnung außer Betracht bleiben. Zugleich hat das Gericht betont, dass der allgemeine Haushalt mögliche finanzielle Risiken des CBL-Geschäfts aufzufangen habe. Diese dürften konsequenterweise auch nicht auf den Gebührenzahler abgewälzt werden.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

© StGB NRW 2007

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