Heft Januar-Februar 2006

Zweitwohnungsteuer für berufsbedingte Nebenwohnung eines Verheirateten

Die Zweitwohnungsteuersatzungen der Städte Hannover und Dortmund sind nichtig, soweit die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, besteuert wird. Die Erhebung der Zweitwohnungsteuer auf die Innehabung von Erwerbszweitwohnungen durch Verheiratete diskriminiert die Ehe und verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005
- Az.: 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03 -

Die Landeshauptstadt Hannover erhebt seit 1994 eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Zweitwohnung ist nach der Zweitwohnungsteuersatzung Hannover jede Wohnung, die dem Eigentümer oder Mieter als Nebenwohnung neben der Hauptwohnung dient. Nach den maßgeblichen Meldegesetzen, auf die die Satzung verweist, ist Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung. Bei einer verheirateten Person, die nicht dauernd getrennt von ihrer Familie lebt, ist nicht die von ihr, sondern die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung die Hauptwohnung. Die seit 1998 geltende Satzung der Stadt Dortmund über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer ist mit der Zweitwohnungsteuersatzung Hannover inhaltlich weitgehend identisch.

Die beiden Beschwerdeführer hatten jeweils an ihrem Beschäftigungsort in Hannover bzw. Dortmund eine Wohnung gemietet, um von dort aus werktags ihren Arbeitsplatz zu erreichen. An den Wochenenden und den arbeitsfreien Tagen wohnte jeder der Beschwerdeführer in seiner ehelichen Wohnung an einem anderen Ort. Die Landeshauptstadt Hannover bzw. die Stadt Dortmund veranlagten die Beschwerdeführer für die Zweitwohnung am Erwerbsort zu einer Zweitwohnungsteuer. Ihre dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich.

Zum von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten ehelichen Zusammenleben gehört die Entscheidung der Eheleute, zusammenzuwohnen und die gemeinsame Wohnung auch bei einer beruflichen Veränderung eines Ehegatten, die mit einem Ortswechsel verbunden ist, aufrechtzuerhalten. Ändert sich der Beschäftigungsort eines Ehegatten, so dass dieser seiner Arbeit nicht mehr von der bisherigen gemeinsamen Wohnung aus nachgehen kann, hat dies in aller Regel nicht zur Folge, dass die gemeinsame Wohnung aufgegeben wird. Die Innehabung einer aus beruflichen Gründen gehaltenen Zweitwohnung ist sonach die notwendige Konsequenz der Entscheidung zu einer gemeinsamen Ehewohnung an einem anderen Ort.

Durch die Zweitwohnungsteuer, die für den Begriff der Zweitwohnung an die melderechtlichen Vorschriften anknüpft, wird die Entscheidung steuerlich belastet, die gemeinsame eheliche Wohnung nicht aufzulösen und bei Wahrung des Fortbestands der gemeinsamen Wohnung am bisherigen Ort nur eine Zweitwohnung zu begründen. Es ist nämlich für Verheiratete ausgeschlossen, die Wohnung am Beschäftigungsort trotz deren

vorwiegender Nutzung zum Hauptwohnsitz zu bestimmen und damit der Heranziehung der Zweitwohnungsteuer zu entgehen; für sie bestimmen die maßgeblichen Meldegesetze zwingend die vorwiegend genutzte Wohnung der Familie zum Hauptwohnsitz. Von der steuerlichen Belastung durch die Zweitwohnungsteuer werden dagegen solche Personen nicht erfasst, die nicht infolge einer ehelichen Bindung von der Verlegung ihres Hauptwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort abgehalten werden. Die Zweitwohnungsteuer stellt daher eine besondere finanzielle Belastung des ehelichen Zusammenlebens dar.

Diese Benachteiligung ist nach Auffassung des BVerfG nicht gerechtfertigt. Allein die Tatsache, dass die Steuer als Aufwandsteuer von allen Inhabern von Zweitwohnungen ungeachtet ihres Personenstandes und des Zwecks der Innehabung erhoben wird, reiche dafür nicht aus. Die formal eheneutrale Anknüpfung der Steuer sei keine hinreichende Rechtfertigung. Denn es werde für den steuerlichen Tatbestand an ein Verhalten angeknüpft, das spezifischer Ausdruck einer verfassungsrechtlich geschützten Form des ehelichen Zusammenlebens ist.

Verlustverrechnung bei Tochtergesellschaften im Ausland

Ein Unternehmen kann nur dann Verluste ausländischer Tochtergesellschaften im Inland geltend machen, wenn es diese Möglichkeit in dem Land, wo die Tochtergesellschaften angesiedelt sind, nicht hat (nichtamtlicher Leitsatz).

EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2005
- Az.: Rechtssache C-446/03 -

Nach dem Urteil in der Rechtssache Marks & Spencer sind die Mitgliedstaaten nur dann zur Berücksichtigung der Verluste von Auslandstöchtern der inländischen Konzernmütter verpflichtet, wenn die Tochtergesellschaft die im Staat ihres Sitzes für den von dem Abzugsantrag erfassten Steuerzeitraum sowie frühere Steuerzeiträume vorgesehene Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlustverrechnungen ausgeschöpft hat. Dazu zählt gegebenenfalls auch die Übertragung der Verluste auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die Tochtergesellschaft in früheren Zeiträumen erwirtschaftet hat. Es darf auch keine Möglichkeit bestehen, dass die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft im Staat ihres Sitzes für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten, insbesondere im Fall der Übertragung der Tochtergesellschaft auf ihn, berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich, dass die EU-Mitgliedstaaten es einer Konzernmutter grundsätzlich verwehren können, Verluste ausländischer Tochtergesellschaften mit Gewinnen im Inland steuersparend zu verrechnen, wenn diese Verluste auch am ausländischen Sitz der Tochterfirmen steuerlich hätten berücksichtigt werden können. Hierzu sieht es der EuGH als ausreichend an, dass das dortige Steuerrecht diese Möglichkeiten grundsätzlich vorsieht.

Der EuGH kommt damit zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 7. April 2005. Dieser hatte argumentiert, dass eine grenzüberschreitende Verrechnung der Verluste ausländischer Tochtergesellschaften auf die Ergebnisse der Muttergesellschaft dann möglich sein muss, wenn die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft nicht im Staat ihrer Niederlassung vorgetragen werden können.

Das begrenzende Urteil des EuGH hat nach erster Einschätzung zur Folge, dass in der Mehrzahl der Fälle die EU-Mitgliedstaaten die Verluste nicht berücksichtigen müssen. Hinzu kommt, dass die Entscheidung britisches Steuerrecht betrifft und sich deshalb nicht unmittelbar auf die entsprechenden deutschen steuerrechtlichen Regelungen übertragen lässt. Insofern zeigten sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Dr. Barbara Hendricks erleichtert. Beide äußerten in Reaktion auf das Urteil, dass die Gefahr von Steuerausfällen in Milliardenhöhe für den deutschen Staat nach dem Urteil nicht mehr bestehe.

Entscheidungen zum großflächigen Einzelhandel

Ein Einzelhandelsbetrieb ist als großflächig einzuordnen, wenn er eine Verkaufsfläche von 800 qm überschreitet. Ist dies der Fall, ist das Vorhaben grundsätzlich nur in Kern- und Sondergebieten zulässig (nichtamtliche Leitsätze).

BVerwG, Urteile vom 24. November 2005
- Az.: 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 und 4 C 8.05 –

Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrere Entscheidungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben getroffen.

Das Gericht war in mehreren Verfahren mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Merkmale eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes zu bejahen sind. Im ersten Verfahren war insbesondere zu klären, ab welcher Größenordnung ein Einzelhandelsbetrieb als großflächig anzusehen ist. In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Einzelhandelsbetrieb als großflächig einzuordnen ist, wenn er eine Verkaufsfläche von 800 qm überschreitet. Ist dies der Fall, ist das Vorhaben grundsätzlich nur in Kern- und Sondergebieten zulässig.

In die Verkaufsfläche einzubeziehen sind alle Flächen, die vom Kunden betreten werden können oder die er – wie bei einer Fleischtheke mit Bedienung durch Geschäftspersonal – einsehen, aber aus hygienischen und anderen Gründen nicht betreten darf. Dabei kommt es nicht auf den Standort der Kassen an, so dass auch der Bereich, in den die Kunden nach der Bezahlung der Waren gelangen, einzubeziehen ist. Nicht zur Verkaufsfläche gehören dagegen die reinen Lagerflächen und abgetrennte Bereiche, in denen beispielsweise die Waren zubereitet und portioniert werden.

In mehreren weiteren Verfahren war zu klären, unter welchen Voraussetzungen Flächen im selben Gebäude, auf denen unterschiedliche Waren verkauft werden, als Teile eines einheitlichen Einzelhandelsbetriebs anzusehen und damit bei der Berechnung der „Großflächigkeit“ zu berücksichtigen sind. Dabei ging es in zwei Verfahren um die Einbeziehung eines – bautechnisch und in den Betriebsabläufen jeweils eigenständigen – Backshops und eines Zeitschriftengeschäfts in ein Lebensmittelgeschäft. Das OVG Brandenburg hat beide Ladengeschäfte bei der Ermittlung der Verkaufsfläche einbezogen und auf diese Weise eine maßgebende Fläche von mehr als 800 qm errechnet. Dem ist das BVerwG gefolgt. In einem weiteren Verfahren wurde um die Zusammenrechnung eines Getränkefachhandels mit einem Lebensmitteldiscounter gestritten. In diesem Fall hat die Vorinstanz (OVG NRW) eine Addition der Flächen als unzulässig angesehen. Das hat das BVerwG bestätigt.

© StGB NRW 2006

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