Heft Dezember 2012

Erhöhung der Grundsteuer

Den Gemeinden kommt bei der Festsetzung des Hebesatzes der Realsteuern ein weiter kommunalpolitischer Ermessensspielraum zu, der allein durch das Willkürverbot begrenzt ist. Die Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B in Selm auf 825 Prozentpunkte ist rechtlich nicht zu beanstanden (nichtamtliche Leitsätze).

VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Oktober 2012
- Az.:
5 K 1137/12 u.a. -

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in mehreren von insgesamt noch ca. 150 anhängigen Verfahren gegen die Stadt Selm entschieden, dass die Anhebung des Hebesatzes der für die mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke maßgeblichen Grundsteuer B von bislang 445 % auf nunmehr 825 % rechtmäßig ist, und die dagegen erhobenen Klagen abgewiesen.

Die Kläger machten im Wesentlichen geltend, die auf dem fast verdoppelten Hebesatz beruhende Steuer führe zu einer unzumutbaren Belastung und entfalte eine unzulässige „Erdrosselungswirkung“. Der gewählte Hebesatz sei im bundesweiten Vergleich neuer „Spitzenreiter“ und durch den Rat willkürlich, unsachlich und gleichheitswidrig gewählt worden. Insbesondere habe die Stadt die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A für landwirtschaftlich genutzte Gebäude gleichheitswidrig nicht entsprechend angehoben.

Die Kammer führt zur Begründung aus, dass den Gemeinden auch bei der Festsetzung des Hebesatzes seit jeher ein weiter kommunalpolitischer Ermessensspielraum zukomme, der allein durch das Willkürverbot begrenzt sei. Weder das Gericht noch der jeweilige Steuerpflichtige seien daher befugt, ihre eigenen für richtig oder sachgerecht gehaltenen Vorstellungen an die Stelle des hierzu berufenen und entsprechend legitimierten Satzungsgebers zu setzen.

Das Gericht hat weder eine willkürliche Erhöhung des Hebesatzes noch eine unverhältnismäßige oder „erdrosselnde“ finanzielle Belastung der Grundeigentümer festgestellt. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sei nicht zu erkennen: Zum einen scheide nach der föderalen Struktur der Bundesrepublik ein Vergleich mit den Hebesätzen anderer Gemeinden von vornherein aus. Zum anderen seien Gewerbesteuer und Grundsteuer A schon kraft Bundesrechts unabhängig von der Grundsteuer B zu betrachten.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig und werden in Kürze unter www.nrwe.de veröffentlicht.

Lückenschluss der Autobahn A 33

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage des BUND (Landesverband Nordrhein-Westfalen) gegen den Bau des letzten Teilstücks der Autobahn A 33 zwischen Bielefeld-Steinhagen und Borgholzhausen abgewiesen.

BVerwG, Urteil vom 6. November 2012
- Az.:
9 A 17.11 -

Mit dem Gesamtprojekt soll eine Lücke der Autobahnverbindung zwischen der A 30 im Norden und der A 2 im Südosten geschlossen werden. Der klagende Naturschutzverein hat gegen das Projekt zahlreiche naturschutzrechtliche Einwände erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht ist ihnen nicht gefolgt.

Im Mittelpunkt des Klageverfahrens stand die Frage, ob das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ verträglich ist. Soweit es um den Schutz im Gebiet vorkommender Fledermäuse und von Vögeln geht, hat das Gericht die Verträglichkeit bejaht. Den durch den Bau und den Betrieb der Autobahn entstehenden Kollisionsrisiken und Störungen begegnet die Planung mit einem umfänglichen Schutzkonzept durch die Errichtung von Querungshilfen, Leitstrukturen und Sperreinrichtungen. Diese Maßnahmen sind geeignet, Beeinträchtigungen wirksam zu vermeiden.

Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot einer erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets liegen hier vor. Für das planfestgestellte Vorhaben streiten zwingende Gründe des Schutzes der Gesundheit der Menschen. Das gilt sowohl angesichts der hohen Luftschadstoffbelastung in der bestehenden Ortsdurchfahrt von Halle als auch im Hinblick auf die große Zahl schwerster Verkehrsunfälle, zu denen es in den letzten Jahren gekommen ist.

Die vom klagenden Naturschutzverein genannten Alternativen für die Trasse sind nicht zumutbar. Eine Abdeckung, insbesondere im Bereich des FFH-Gebietes, wäre angesichts geschätzter Mehrkosten von 95 Mio. Euro unverhältnismäßig teuer. Ein Tunnel im Norden scheidet wegen erheblicher Risiken für die Trinkwasserversorgung aus. Eine Trogvariante durch das Wohngebiet Schlammpatt wäre für die Menschen dort nicht hinnehmbar.

Der Eingriff in Natur und Landschaft ist auch im Übrigen zulässig. Die Planfeststellungsbehörde hat die Eingriffswirkungen des Vorhabens und die Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen ihres vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsspielraums beanstandungsfrei bestimmt.

Metallzaun im Landschafts-Schutzgebiet

Eine 2 m hohe Metallzaunanlage kann nicht mehr als ortsüblicher Weidezaun angesehen werden und stellt in einem Landschaftsschutzgebiet einen Verstoß gegen den Landschaftsplan dar (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Arnsberg, Urteil vom 10. Oktober 2012
- Az.:
1 K 1547/10 -

Der Kreis hatte die Klägerin durch Ordnungsverfügung aufgefordert, einen ca. 400 m langen und 2 m hohen Stabgitterzaun zu beseitigen, der überwiegend auf ihr gehörenden und landwirtschaftlich genutzten Grundstücken angelegt worden war. Die Behörde stützte ihre Anordnung darauf, dass der geltende Landschaftsplan eine Errichtung von Zäunen im Landschaftsschutzgebiet ausdrücklich untersage; anderes gelte nur für ortsübliche Forstkultur- oder Weidezäune. Die Zaunanlage beeinträchtige das Landschaftsbild und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich.

Die Klägerin wandte gegen die Verfügung u. a. ein, dass die betroffenen Grundstücke jedenfalls zum Teil gar nicht unter Landschaftsschutz stünden, weil der Landschaftsplan nur Außenbereichslagen erfasse und lediglich Waldflächen unter Schutz gestellt worden seien. Der Zaun sei notwendige Nebenanlage zur landwirtschaftlichen Nutzung; seine Errichtung sei erforderlich gewesen, weil die Anbaufläche in der Vergangenheit von Unbefugten betreten worden sei, die dort Schäden verursacht hätten. Schließlich sei sie, die Klägerin, nur teilweise Eigentümerin der betroffenen Grundstücke.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kreis die angefochtene Verfügung aufgehoben, soweit die Klägerin zur Beseitigung des Zauns auf den nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken verpflichtet worden war; dieser Teil machte allerdings nur ca. ¼ des gesamten streitigen Zauns aus. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen. Unzweifelhaft sei, dass die Grundstücke, auf denen der Zaun stehe, zum Außenbereich gehörten und damit den Regelungen des Landschaftsplans unterfielen. Sie lägen auch innerhalb des rechtmäßig festgesetzten Landschaftsschutzgebiets, das durch zeichnerische Darstellung eindeutig umschrieben sei und nicht nur Waldflächen erfasse.

Da die streitige Anlage aufgrund ihrer Höhe und Beschaffenheit nicht mehr als ortsüblicher Weidezaun angesehen werden könne, liege ein Verstoß gegen den Landschaftsplan vor. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung oder Ausnahmegenehmigung. Insbesondere sei der Zaun nicht mit Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar. Er wirke wie eine künstliche, als Fremdkörper erscheinende hohe Barriere und beeinträchtige daher das Landschaftsbild und die Bewegungsmöglichkeiten der Wildtiere in beträchtlicher Weise.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Über einen Antrag auf Zulassung der Berufung hätte das OVG NRW in Münster zu entscheiden.

Klage gegen Versuchsreihen des CERN

Aus der grundgesetzlichen Pflicht, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, folgt keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, in der von der Klägerin begehrten Weise auf die Delegierten im Rat des CERN einzuwirken. In Anbetracht der Sicherheitsberichte des CERN aus den Jahren 2003 und 2008 sei ein Gefährdungspotential des Protonenbeschleunigers LHC nach dem Stand der Wissenschaft ausgeschlossen (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2012
- Az.:
16 A 591/11-

Die Klägerin wandte sich gegen Versuchsreihen des CERN („Organisation Européenne pour la Recherche Nucléaire“), der in Genf seinen Sitz hat. Die Organisation betreibt dort Anlagen, die der physikalischen Grundlagenforschung dienen. Unter anderem sollen in einem Protonenbeschleuniger Teilchen mit hoher Energie aufeinander geschossen werden, um auf diese Weise den so genannten „Urknall“ zu simulieren. Nach überwiegender wissenschaftlicher Meinung birgt der Versuchsaufbau am CERN kein Gefahrenpotenzial. Die Klägerin bezweifelte die Richtigkeit der Sicherheitsanalysen und befürchtete, dass bei den Experimenten so genannte „Schwarze Löcher“ entstehen könnten, die im weiteren Verlauf zur Zerstörung allen irdischen Lebens führen könnten.

Die Klägerin begehrte zunächst im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Bundesrepublik Deutschland aufzugeben, die in den Rat des CERN entsandten Delegierten zu einer Initiative gegen die weitere Inbetriebnahme des Protonenbeschleunigers LHC mit einer Energie von mehr als 2 bis 3,5 Tera-Elektronenvolt anzuweisen. Den Antrag lehnte das VG Köln im September 2008 ab (13 L 1123/08), weil die von der Klägerin befürchtete Gefahr von der überwiegenden wissenschaftlichen Meinung verneint werde. Die hiergegen beim OVG erhobene Beschwerde (20 B 1433/08) blieb ohne Erfolg; das Bundesverfassungsgericht nahm ihre Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2502/08) nicht zur Entscheidung an. Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Das OVG hat den hiergegen gerichteten Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt und damit das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt. Aus der grundgesetzlichen Pflicht, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, folge keine Verpflichtung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, in der von der Klägerin begehrten Weise auf die Delegierten im Rat des CERN einzuwirken. In Anbetracht der Sicherheitsberichte des CERN aus den Jahren 2003 und 2008 sei ein Gefährdungspotential des Protonenbeschleunigers LHC nach dem Stand der Wissenschaft ausgeschlossen. Objektive Zweifel an der Richtigkeit der Sicherheitsberichte seien weder schlüssig dargelegt noch ersichtlich.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

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