Heft April 2019

Zuwendungen an NPD-Fraktion im Gemeinderat

Gewährt eine Gemeinde den Fraktionen im Gemeinderat Zuwendungen, darf sie Fraktionen verfassungsfeindlicher, aber nicht verbotener Parteien oder Wählervereinigungen nicht davon ausschließen. (Orientierungssatz)

BVerwG, Urteil vom 27.06.2018
- Az.: BVerwG 10 CN 1.17 -

Die Antragsteller, eine kommunale NPD-Fraktion und deren Mitglieder, hatten sich im Normenkontrollverfahren gegen eine Satzung der Antragsgegnerin, einer Stadt in Hessen, gewandt. Diese gewährte den Gemeinderatsfraktionen Zuwendungen zu den Aufwendungen für die Fraktionsgeschäftsführung. Die angegriffene Satzung schloss Fraktionen „aus Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien/Vereinigungen“ von solchen Zuwendungen aus. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hatte die Ausschlussregelung für unwirksam erklärt.

Die Revision der Stadt hatte nur teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Normenkontrollanträge der einzelnen Fraktionsmitglieder als unzulässig zurückgewiesen, weil die angegriffene Vorschrift nur Rechte der Fraktion und nicht auch Rechte ihrer Mitglieder regelt. Den Normenkontrollantrag der Fraktion hat es dagegen als zulässig und begründet eingestuft.

Eine solche Ausschlussregelung sei rechtswidrig, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) verletze. Die Gemeinden seien zwar nicht zu Fraktionszuwendungen verpflichtet, müssten aber alle Fraktionen gleich behandeln, wenn sie solche Zuwendungen gewähren. Der Ausschluss von Fraktionen verfassungsfeindlicher, nicht verbotener Parteien und Vereinigungen sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt und diene keinem verfassungsrechtlich zulässigen Zweck. Kommunale Fraktionen gehörten als Untergliederungen der Gemeindevertretung zur kommunalen Verwaltung. Zuwendungen zur Fraktionsgeschäftsführung seien dazu bestimmt, die Fraktionsarbeit in der Gemeindevertretung zu finanzieren. Die Verteilung dieser Zuwendungen müsse sich am Bedarf der Fraktionsgeschäftsführung orientieren. Die Zugehörigkeit der Fraktionsmitglieder zu einer Partei oder Vereinigung stehe damit in keinem sachlichen Zusammenhang.

Überdies sei die kommunalrechtliche Benachteiligung von Fraktionen nicht verbotener Parteien oder Wählervereinigungen nach Art. 21 und Art. 9 GG unzulässig. Dem „NPD-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts vom 17.01.2017 - 1 BvB 1/13 - sei nichts anderes zu entnehmen. Aus der - inzwischen umgesetzten - Möglichkeit, verfassungsfeindliche Parteien durch Verfassungsänderung von staatlicher Finanzierung auszuschließen, seien keine Befugnisse der Gemeinden gegenüber den Gemeinderatsfraktionen abzuleiten. Fraktionszuwendungen dienten nicht der Finanzierung eventuell „hinter“ den Fraktionen stehender Parteien. Fraktionen seien Teil der Staatsorganisation. Im Gegensatz dazu seien die Parteien im gesellschaftlichen Bereich politisch tätig. Fraktionszuwendungen dürften auch nicht zur Parteienfinanzierung zweckentfremdet werden. Dies sei durch Kontrollen des Zuwendungsgebers sicherzustellen.

 

Überlassung einer Stadthalle an Landtagsfraktion

Die Entscheidungsfreiheit einer Kommune über den Zugang zu ihrer Stadthalle ist auch im Verhältnis zu einer Landtagsfraktion jedenfalls durch das allgemeine Willkürverbot begrenzt. Die Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. (Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 28.06.2018
- Az.: 15 B 875/18 -

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat der Stadt Troisdorf aufgegeben, der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag die Stadthalle im Juli 2018 zur Verfügung stellen. Es hat damit den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt. Die AfD-Landtagsfraktion plante für den 02.07.2018 eine Veranstaltung mit dem Titel „AfD Fraktion vor Ort - Bürgerdialog“ und wollte dafür die Stadthalle der Stadt Troisdorf nutzen. Die Stadt hatte die Überlassung mit der Begründung abgelehnt, wegen aktueller Bauarbeiten im Bereich zwischen der Stadthalle und dem Rathaus sowie zu erwartender Gegendemonstrationen und des Erfordernisses eines unbehelligten Besucherverkehrs zu dem an diesem Tag bis 19 Uhr geöffneten Rathaus sei eine Veranstaltungsdurchführung an diesem Termin in der Gesamtschau nicht vertretbar.

Diese Erwägungen hat der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts nicht als tragfähig erachtet. Insbesondere sei es nach Lage der Dinge möglich, dass die zuständige Versammlungsbehörde etwaige Gegendemonstrationen - in Kooperation mit deren Veranstalter sowie gegebenenfalls auch mit der Stadt - in räumlicher Hinsicht so plant, dass es auch angesichts der Baustellensituation zu keinerlei Gefährdungslage kommt. Bei einer Stadthalle handele es sich um eine öffentliche Einrichtung. Stelle eine Kommune diese im Rahmen der durch ihre bisherige Vergabepraxis geformten konkludenten Widmung für die Durchführung von (politischen oder anderen) Veranstaltungen zur Verfügung, entstehe dadurch auch jenseits der einfachgesetzlichen Bestimmungen ein Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 3 GG in seiner Ausprägung als allgemeines Willkürverbot in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. D

ieses allgemeine Willkürverbot - als Element des das Grundgesetz beherrschenden Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) - gelte auch im Verhältnis von öffentlich-rechtlich verfassten Rechtspersönlichkeiten untereinander, weswegen offenbleiben könne, ob eine Landtagsfraktion wie die Antragstellerin sich im Außenrechtsverhältnis des geltend gemachten Zulassungsanspruchs aufgrund ihrer in § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Sätze 1 bis 3, Abs. 6 Satz 1 FraktG NRW ausgeformten Rechtsstellung (in gleichsam analoger Anwendung) wie die politische Partei, die sie im Parlament abbildet, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 21, Art. 38 GG berufen kann.

Jedenfalls sei die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang Zugang zu ihrer Stadthalle gewährt wird, auch im Verhältnis zu einer Landtagsfraktion durch das allgemeine Willkürverbot begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und-entscheidung müsse durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Dies zugrunde gelegt, stehe der Antragstellerin ein Zulassungsanspruch dem Grunde nach zu. Die Antragsgegnerin habe die Stadthalle in der Vergangenheit sowohl politischen Parteien als auch Fraktionen für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt. Die Antragsgegnerin habe damit eine entsprechende Vergabepraxis/konkludente Widmung der Stadthalle begründet, von der sie nicht ohne sachlichen Grund zu Ungunsten der Antragstellerin abweichen dürfe.

Einen derartigen sachlichen Grund habe die Antragsgegnerin nicht dargetan. Sie habe die Ablehnung der Überlassung der Stadthalle im Wesentlichen damit begründet, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Bauarbeiten zwischen der Stadthalle und dem Rathaus, der Gegendemonstrationen/Proteste, die anlässlich der von der Antragstellerin geplanten Veranstaltung zu erwarten seien, sowie des Erfordernisses eines unbehelligten Besucherverkehrs zu dem an diesem Tag bis 19 Uhr geöffneten Rathaus stelle die Veranstaltungsdurchführung an diesem Termin eine nicht anspruchsbegründende „Sondernutzung“ dar.

Diese Einwände trügen die Versagung des Zulassungsanspruchs der Antragstellerin bei summarischer Betrachtung indes nicht. Da es keinen Anspruch auf Erweiterung der Kapazität gebe, scheide ein Überlassungsanspruch zwar etwa aus, wenn die betreffende Stadthalle wegen Wartungs- und Renovierungsarbeiten für Veranstaltungen mit Publikumsverkehr generell nicht zur Verfügung stehe.

Eine solche Situation liege jedoch nicht vor. Die Antragsgegnerin habe ihre Stadthalle nicht für die Dauer der besagten Bauarbeiten geschlossen, sondern halte sie ungeachtet der Bauarbeiten für verschiedenste (Publikums-)Veranstaltungen auch aktuell geöffnet. Zum anderen rechtfertige die Befürchtung, dass es anlässlich der geplanten Veranstaltung zu Gegendemonstrationen kommen werde, grundsätzlich ohnehin nicht die Versagung der Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung.

Bevorzugung ortsansässiger Schüler/innen

Das Verfahren zur Aufnahme in den Jahrgang 5 der Gesamtschule Heiligenhaus zum Schuljahr 2017/2018 ist laut dem zuständigen Oberverwaltungsgericht rechtswidrig durchgeführt worden, weil die damalige Leiterin der Gesamtschule ortsansässige Schülerinnen und Schüler bevorzugt aufgenommen hat. Deshalb hat die Mutter eines in Essen wohnhaften Schülers, dessen Aufnahmeantrag abgelehnt worden war, einen Anspruch auf erneute Entscheidung über die Schulaufnahme. (Orientierungssätze)

OVG NRW, Urteil vom 23.01.2019
- Az.: 19 A 2303/17 -

Bei dem im Februar 2017 durchgeführten Aufnahmeverfahren lag, wie in den Jahren zuvor, ein Überhang von Anmeldungen vor. Ausweislich des zugehörigen Verfahrensprotokolls zog die Schulleiterin als Aufnahmekriterien heran: 1. ausgewogenes Verhältnis der Schülerleistungen, 2. ausgewogenes Verhältnis von Jungen und Mädchen, danach Losverfahren. Für die Anwendung des erstgenannten Kriteriums wurden zwei Leistungsgruppen gebildet. Der Sohn der Klägerin, der aufgrund der Noten im maßgeblichen Halbjahreszeugnis in der 4. Klasse in die Leistungsgruppe 2 fiel, hatte im Aufnahmeverfahren keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die klageabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert und die Gesamtschule zur Neubescheidung des Aufnahmeantrags verpflichtet.

Die Auswertung von Verfahrensunterlagen für die Schuljahre 2014/2015 bis 2017/2018 habe zu der Überzeugung geführt, dass die damalige Schulleiterin der Gesamtschule ortsansässige Schülerinnen und Schüler bevorzugt habe, obwohl für eine solche Handhabung keine rechtliche Grundlage bestehe. Die Aufnahmequoten der auswärtigen Schülerinnen und Schüler seien für die Leistungsgruppen 2, in denen der Anmeldeüberhang deutlich ausgeprägt war, regelmäßig signifikant niedriger ausgefallen. Lediglich in einem der vier Aufnahmeverfahren seien die Aufnahmequoten bei den Ortsansässigen und Auswärtigen ausgewogen gewesen. Damit habe sich eine in einer Sitzung des Bildungsausschusses des Rates der Stadt Heiligenhaus verlautbarte entsprechende Aussage der Stadt, man sei seitens der Gesamtschule erkennbar bemüht, Heiligenhauser Schülern Priorität einzuräumen, in der Sache bestätigt.

Zudem habe die Schulleiterin auch die Aufnahmekriterien der Leistungsheterogenität und des ausgewogenen Geschlechterverhältnisses nicht konsequent und damit ermessensfehlerhaft angewendet. Diese Fehler hätten sich auf die Nichtaufnahme des Sohnes der Klägerin allerdings nicht ausgewirkt. Bei der erneuten Durchführung des Aufnahmeverfahrens müsse die Gesamtschule die rechtlichen Maßgaben des Gerichts beachten. Dazu gehöre auch die Gewährleistung einer hinreichenden Transparenz. Habe der Kläger in diesem Verfahren Erfolg, müsse er in die gegenwärtig besuchte Jahrgangsstufe 6 aufgenommen werden.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

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