Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 568/2008 vom 21.08.2008

Verwaltungsgericht Düsseldorf zum Vertrag mit Straßenbaulastträger

Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 16.06.2008 (Az.: 5 K 2746/08 – nicht rechtskräftig) entschieden, dass eine Stadt berechtigt ist, die vertragliche Vereinbarung mit einem Straßenbaulastträger über die Straßenoberflächenentwässerung zu kündigen.

Die beklagte Stadt hatte mit dem Straßenbaulastträger (hier: Landesbetrieb Straßenbau NRW) im Jahr 1961 einen Vertrag geschlossen, wonach die Stadt die widerrufliche Erlaubnis erhielt, in der Landesstraße einen Kanal zu bauen und zu betreiben. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt, die Abwässer der Straße dauernd und unentgeltlich in den Kanal aufzunehmen. Im Januar 2005 bat die Stadt um Vertragsanpassung im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit der Entwässerungsleistung der Stadt. Die anschließenden Gespräche und Verhandlungen blieben ohne Ergebnis. Daraufhin kündigte die Stadt im September 2006 den Vertrag zum 01.01.2007. Der Straßenbaulastträger widersprach der Kündigung. Die beklagte Stadt hielt an ihrer Kündigung fest und hörte den Straßenbaulastträger im Hinblick auf den Erlass eines Gebührenbescheides zur Erhebung einer getrennten Regenwassergebühr für die in Rede stehenden Straßenflächen an. Daraufhin erhob der Straßenbaulastträger im April 2008 Klage gegen die Stadt mit dem Begehren, festzustellen, dass die Kündigung des Vertrages unwirksam sei.

Das VG Düsseldorf gab diesem Klageantrag mit Urteil vom 16.06.2008 nicht statt und stellte fest, die Kündigung des Vertrages durch die beklagte Stadt sei wirksam. Im Wesentlichen weist das VG Düsseldorf darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch keine Verpflichtung zur Erhebung einer Regenwassergebühr bestanden hatte, was nunmehr durch das Urteil des OVG NRW vom 18.12.2007 (Az.: 9 A 3548/04) für alle Städte und Gemeinden in NRW verpflichtend festgestellt worden sei. Auch die beklagte Stadt habe bereits zum 01.01.2002 die Regenwassergebühr eingeführt.

§ 6 Abs. 1 KAG NRW gebe für Entwässerungsgebühren eine Erhebungspflicht vor, die auch den Kläger als Eigentümer eines (Straßen-)Grundstücks treffe, das in einen städtischen Kanal entwässert (vgl. hierzu auch grundlegend: OVG NRW, Urt. v. 07.10.1996 – Az.: 9 A 4145/94 -, sowie BVerwG, Beschl. v. 06.03.1997 – Az.; 8 B 246/96). Mit der Einführung der Regenwassergebühr durch die beklagte Stadt hätten sich damit die Verhältnisse im Hinblick auf den im Jahr 1961 geschlossenen Vertrag maßgeblich geändert. Die Einführung und Erhebung einer Regenwassergebühr nach dem Flächenmaßstab habe nämlich zur Folge, dass auch Straßengrundstücke erstmals erkennbar gebührenpflichtig geworden seien. Mit dieser Änderung trat – so das VG Düsseldorf – im Hinblick auf die Gebührenerhebungspflicht damit erstmals zwingend die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Wert der gebührenrelevanten Entwässerungsleistung (die in der entsprechenden Gebührensumme ausgedrückt sei) und der Gegenleistung des Straßenbaulastträgers (Gestattung zur Verlegung der städtischen Kanals in dem Straßengrundstück) in den Blickpunkt. Dieses Verhältnis habe beim Vertragsschluss im Jahre 1961 keine Rolle gespielt, weil es zu diesem Zeitpunkt keine Gebührenpflicht für die Ableitung von Straßenoberflächenwasser in einen städtischen Kanal gegeben habe.

Eine vertragliche Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit der Einleitung von Straßenoberflächenwasser in den städtischen Kanal sei aber – so das VG Düsseldorf - im Hinblick auf

- die Pflicht zur Erhebung einer Regenwassergebühr,
- dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und
- des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG (wonach alle Benutzer einer Abwasserentsorgungseinrichtung an deren Finanzierung gleichmäßig zu beteiligen sind),
nur zulässig, wenn der Abgabenschuldner den betroffenen Abgabenhaushalt als Ausgleich eine adäquate (= äquivalente) und spezielle Gegenleistung erbringt. Um diese Anforderung zu erfüllen, sei bei einem Gebührenverzicht der Verzichtszeitraum nach dem wirtschaftlichen Wert der vom Benutzer gebotenen Gegenleistung zeitlich zu begrenzen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.11.1971 – Az.: II A 38/70 -, KStZ 1972, S. 72).

Nach dem VG Düsseldorf ist der beklagten Stadt ein Festhalten an der unentgeltlichen Entwässerung der Straßenoberfläche des Straßenbaulastträgers – sowie es im Vertrag vereinbart ist – nicht zumutbar, weil es an einer adäquaten Gegenleistung fehlt. Insoweit weist das VG Düsseldorf im Wesentlichen darauf hin, dass die beklagte Stadt in ihrem Kündigungsschreiben nachvollziehbar und vom Kläger unbeanstandet dargelegt habe, dass - bezogen auf das Jahr 2006 – ein erstmals dauerhaft eingeräumtes Gestattungsrecht zur Verlegung eines öffentlichen Kanals in der Straße nach den für diese Rechte üblichen Werten mit einer Einmalzahlung in Höhe von ca. 106.000 Euro vergütet worden wäre (15.640 qm durch die Kanalnutzung belastete Grundstücksfläche x 6,80 Euro/qm als einmalige Abfindung).

Bei dieser Bewertung ging die beklagte Stadt ausweislich ihrer Verwaltungsvorgänge von einem Wert des Straßenlandes aus, der sich aus 20 % des Grundstückswertes für Bauerwartungsland ergibt. Dieser für den Kläger günstige Ansatz gibt nach dem VG Düsseldorf keinen Anlass zu Bedenken. Umgerechnet auf eine jährliche Abfindung über einen angemessenen Zeitraum von 20 Jahren (= 5 %) wäre die Leistung des Klägers daher mit ca. 5.300 Euro jährlich zu bewerten. Der Wert der von der beklagten Stadt gebotenen Entwässerungsleistung liege demgegenüber aber allein im Jahr 2006 bereits bei einem Betrag von ca. 36.984 Euro (38.525 qm entwässerter Straßenfläche x 0,96 Euro/qm/Jahr Niederschlagswassergebühr). Da der Wert der städtischen Leistung – selbst bezogen auf eine Gestattungsentschädigung nach den Wertverhältnissen des Jahres 2006 – den Wert einer einmaligen Entschädigung für die Gestattungsleistung in knapp drei Jahren aufzehren würde und die jährlichen Leistungen in einem Verhältnis von ca. 7 : 1 zu Lasten der Stadt stünden, könne von einer adäquaten Gegenleistung tatsächlich keine Rede mehr sein.

Außerdem liege in diesem Missverhältnis zwischen dem Wert der Entwässerungsleistung und dem der Gegenleistung des Straßenbaulastträgers im Hinblick auf die Gestattung der Verlegung des öffentlichen Kanals in seiner Straße eine gravierende Äquivalenzstörung, die als Beeinträchtigung der Geschäftsgrundlage des Dauerschuldverhältnisses ein Festhalten an dem Vertag ebenfalls für die beklagte Stadt unzumutbar werden lasse und die Folgen des § 60 VwVfG (entsprechend) auslöse. Insoweit sei auch der beklagten Stadt eine Vertragsanpassung nicht zuzumuten, zumal sich der Straßenbaulastträger als Kläger den Anpassungsbemühungen der Stadt, deren Berechtigung jeder wirklich denkende Vertragspartner verständlicherweise einsehen müsse, verschlossen und keine ernstliche Bereitschaft gezeigt habe, die bestehende grobe Äquivalenzstörung im Vertragsverhältnis zu beheben.

Es wird nunmehr abzuwarten sein, wie das OVG NRW hierzu entscheiden wird.

Az.: II/2 24-21

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