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StGB NRW-Mitteilung 521/2008 vom 21.08.2008

Umbettung einer Leiche wegen Umzug des überlebenden Ehegatten

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit Urteil vom 29.04.2008 (Az.: 19 A 2896/07) eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob eine Umbettung wegen eines Umzugs des Ehemanns zulässig ist. Im konkreten Fall zog der Ehemann der Verstorbenen aus gesundheitlichen Gründen zu seiner Tochter in einen 250 km entfernten Ort.

Das OVG hat ausgeführt, ein wichtiger Grund liege vor, wenn das Interesse an der Umbettung ausnahmsweise die durch Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Totenruhe überwiege. Die unantastbare Würde des Menschen wirke über dessen Tod hinaus und gebiete eine würdige Bestattung und den Schutz der Totenruhe. Dieser Schutz genieße angesichts des Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz nicht nur höchsten Verfassungsrang, sondern entspreche darüber hinaus allgemeinen Sittlichkeits- und Pietätsempfinden und den Interessen des öffentlichen Gesundheitswesens. In § 7 Abs. 1 Bestattungsgesetz, wonach jeder die Ehrfurcht vor Toten zu wahren und die Totenwürde zu achten habe, habe er zudem eine einfachgesetzliche Ausprägung im Landesrecht erfahren. Gerate er in Konflikt mit dem Recht der Angehörigen des Verstorbenen auf Totenfürsorge, so genieße er regelmäßig den Vorrang.

Die mit der Umbettung verbundene Störung der Totenruhe könne gerechtfertigt sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der Umsetzung erklärt habe. Fehle ein solches Einverständnis, könne auch ein entsprechender mutmaßlicher Wille beachtlich sein. Dieser setze voraus, dass zumindest Tatsachen und Umstände gegeben seien, aus denen der diesbezügliche Wille der Verstorbenen mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden könne. Davon könne auszugehen sein, wenn nur die Umbettung die von Ehegatten erkennbar gewünschte gemeinsame Bestattung ermögliche oder wenn der Verstorbene beispielsweise aufgrund eines tödlichen Unfalls nicht an dem Ort beigesetzt worden sei, der seinem erkennbaren Willen entspreche. Lasse sich ein Einverständnis der Verstorbenen mit der Umbettung nicht feststellen, komme es unter Berücksichtigung aller sonstigen Umständen des Einzelfalles darauf an, ob das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung nach allgemeiner Verkehrsauffassung schutzwürdig sei und seine Gründe so gewichtig seien, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten müsse.

Ein wichtiger Grund könne demnach im Einzelfall auch dann vorliegen, wenn das Recht auf Totenfürsorge in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. Denn dann könne auch die Würde des Verstorbenen, die sich auch auf die Totenfürsorge wie Grabpflege und Totengedenken beziehe, nicht hinreichend zur Geltung kommen. In diesem Zusammenhang sei auch zu prüfen, ob der gemachte Anspruch der herrschenden sittlichen Auffassung entspreche und ob der Wunsch des Angehörigen auf andere Weise nicht erfüllt werden könne.

Im konkreten Fall hat das Gericht keinen ausdrücklichen Willen der Ehefrau des Klägers hinsichtlich einer Umbettung festgestellt. Auch konnte der Senat das mutmaßliche Einverständnis der Verstorbenen mit der Umbettung ihrer sterblichen Überreste im Fall des Umzugs des Klägers nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.

Weiter führt das OVG aus, auch der vom Kläger geltend gemachte Umstand, sein Recht auf Totenfürsorge sei durch den Umzug seiner Tochter in das ca. 250 km entfernte C. in Rheinland-Pfalz erheblich eingeschränkt, führe nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 der Friedhofssatzung. Dass der Kläger aufgrund seines Umzugs das Grab seiner verstorbenen Ehefrau nicht in einer seinen Bedürfnissen und Wünschen entsprechenden Weise besuchen und pflegen könne, stelle einen für ihn gewichtigen und grundsätzlich anerkennenswerten Aspekt dar, der sich gegenüber dem Schutz der Totenruhe aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz hier jedoch nicht durchsetzen könne.

Ein Umzug aufgrund veränderter Lebensumstände wie altersbedingter Gesundheitsverschlechterungen oder des – verständlichen – Wunsches, den Lebensabend bei den Kindern zu verbringen, stelle für sich genommen regelmäßig keinen wichtigen Grund für eine Umbettung des verstorbenen Ehepartners dar. Andernfalls würde der grundsätzliche und im Regelfall gebotene Schutz der Totenruhe weitgehend leer laufen. Denn es stelle sich nicht etwa als Ausnahmefall, sondern als gleichsam typisches Phänomen dar, dass ältere Menschen, die nicht mehr alleine zu leben imstande seien, ihren bisherigen Wohnsitz aufgeben und entweder zu ihren Kindern oder sonstigen Anverwandten ziehen oder sich in eine Seniorenunterkunft begeben. Dies sei in vielen Fällen beim Ableben eines Ehegatten und bei der Entscheidung für einen bestimmten Bestattungsort nicht absehbar. Die Frage eines Umzugs stelle sich vielmehr erst dann, wenn es dem Hinterbliebenen nicht gelinge, sich mit dem Verlust seines Ehepartners abzufinden und in der veränderten Lebenssituation alleine zu Recht zu kommen. Angesichts der Veränderungen in der demografischen Struktur der Bevölkerung bestünde bei genereller Annahme eines wichtigen Grundes im Fall eines Umzugs die Gefahr einer mit dem Recht auf Totenruhe nicht in Einklang zu bringenden erheblichen Zunahme an Umbettungen.

Az.: IV/2 873-00

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