Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 591/1996 vom 20.12.1996

Sitzung des Finanzplanungsrates

Auf Einladung und unter Leitung von Bundesfinanzminister Waigel kam am 20. November 1996 der Finanzplanungsrat zu seiner 84. Sitzung in Bonn zusammen. Nach Eröffnung durch den Bundesfinanzminister und der Billigung der Ergebnisniederschrift der letzten Sitzung erläuterte Staatssekretär Ludewig vom Bundeswirtschaftsministerium die konjunkturelle Lage und wirtschaftliche Entwicklung 1997. Im Jahre 96 habe sich die wirtschaftliche Entwicklung seit dem 2. Quartal eindeutig nach oben entwickelt. Das Wachstum im 2. Quartal gegenüber dem 1. Quartal betrage 1,5 %. Die Indikatoren besagten, daß sich die konjunkturelle Erholung weiter positiv fortsetzen werde. Die Daten aus dem ifo-Konjunkturtest seien nach oben gerichtet. Dies gelte für die Auftragseingänge, insbesondere aus dem Ausland, ebenso wie für die Exportentwicklung und die Industrieproduktion. Der Rückgang bei der Kapitalauslastung sei zu einem Stillstand gekommen; eine leichte Aufwärtsentwicklung sei erkennbar. Die Bundesregierung habe deshalb die Erwartungen und Projektionen nach oben korrigieren können. Sie gehe jetzt für das Jahr 1996 von einem Wachstum von 1 - 1,25 % aus. Bezogen auf das Jahr 1997 sei mit einem Einschwenken auf einen mittelfristigen Wachstumspfad zu rechnen. Der Staatssekretär bezog sich hier ausdrücklich auf das Sachverständigengutachten und das Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Auch 1997 würden die Exporte die Hauptstütze der zu erwartenden Wachstumsimpulse sein. Dennoch könne nicht mit einer sofortigen nachhaltigen Besserung auf dem Arbeitsmarkt gerechnet werden. Dies sei alarmierend.

Bezüglich der Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern stellte der Staatssekretär zunächst fest, daß die leicht nach unten sich entwickelnde Wachstumsentwicklung überzeichnet ist. Entscheidend für eine weitere positive Entwicklung ist die Entwicklung bei den Lohnstückkosten, die derzeit ein Drittel über dem Westniveau liegen. Man benötige in Ostdeutschland eine eigenständige Lösung in vielen Bereichen, um die wirtschaftliche Dynamik zurückgewinnen zu können. Dabei spiele auch das Jahressteuergesetz 1997 und die hierin vorgeschlagenen Reformen im Bereich der Unternehmensbesteuerung eine wichtige Rolle.

Anschließend erläuterte Professor Issing die Geldpolitik der Bundesbank. Sie befindet sich seit Monaten in einem ruhigen Fahrwasser. In Europa sei eine starke Konvergenz der Kapitalmärkte festzustellen. Die Zinskurve sei ungewöhnlich steil. Dies sei Ausdruck einer expansiven Geldpolitik. Die Wechselkursentwicklung habe sich entspannt. Die Preissteigerungsrate befinde sich im europäischen Vergleich am unteren Ende, allerdings in einem dichten Umfeld.

In der anschließenden Diskussion wies der Hamburger Finanzsenator Runde vor allem auf die dramatische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hin. Er warnte vor einer zu starken Korrektur bei den Lohnstückkosten im Osten. Dies könne eine nicht beabsichtigte Wanderungsbewegung von Ost nach West auslösen. Die Entkoppelung der Wachstumsentwicklung von der Beschäftigungsentwicklung bezeichnete er als dramatisch. In seiner Antwort stimmte Staatssekretär Ludewig dem Zusammenhang zwischen Wachstum und Erwerbstätigkeit ausdrücklich zu.

Nach Auffassung des Sächsischen Finanzministers Milbradt ist die Entwicklung Osten besorgniserregend.

Entscheidend für eine weitere positive Entwicklung im Osten sei die Schließung der Kapitallücke. Hier sei eine Finanzierung von Außen dringend nötig. Der Staat müsse insbesondere im Bereich der Infrastruktur weitere Förderleistungen erbringen. Eine Verbesserung der Produktivität setze eine Verbesserung der Kapitalausstattung unabdingbar voraus. In diesem Zusammenhang kritisierte Milbradt die Festlegung des Mindestlohns im Baubereich Ost auf 15,11 DM. Der Aufbau Ost setze weitere zusätzliche Anstrengungen seitens des Bundes voraus, die jedoch nicht unbedingt über das bisherige Maß hinausgehen müßten.

Der Bundesfinanzminister machte in diesem Zusammenhang noch einmal unmißverständlich klar, daß die Bundesregierung eine Aufweichung der Maastricht-Kriterien unter allen Umständen verhindern werde, um einen höheren Kapitalmarktzins in Deutschland zu vermeiden. Dies wäre ein zu hoher Preis. Nach Auffassung der Bundesregierung könne allein die Konvergenz den Zeitplan bestimmen. Der europäische Stabilitätspakt sei unmittelbar mit dem EWS 2-System verbunden. Zur Not müsse man beim nächsten Europäischen Rat in Dublin einen Dissens in Kauf nehmen und weiter verhandeln.

Staatssekretär Stark wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß ein höherer Kapitalmarktzins in Deutschland erhebliche negative volkswirtschaftliche Effekte auch hinsichtlich des Arbeitsmarktes hätte. Er informierte über Untersuchungen führender Wirtschaftsforschungsinstitute, wonach die Arbeitslosigkeit in Kontinentaleuropa zu 80 % auf strukturellen Ursachen beruhe.

Staatssekretär Overhaus vom Bundesfinanzministerium erläuterte sodann die Haushaltsentwicklung 1996 sowie die Haushaltsplanungen 97, insbesondere auch die Defizite von Bund, Ländern und Gemeinden. Der Bundesfinanzminister informierte über die wesentlichen Eckdaten des Bundeshaushaltes 1997: Die Ausgaben belaufen sich auf 439,9 Mrd DM. Dies bedeutet gegenüber dem Soll von 1996 ein Rückgang von 2,5 %. Die Nettoneuverschuldung beträgt 53,3 Mrd DM; die investiven Ausgaben 1997 belaufen sich auf 59,6 Mrd DM. Der Bund habe konsequent alle Einsparmöglichkeiten zur Begrenzung der Nettokreditaufnahme genützt.

Der Zuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit soll auf 4,1 Mrd DM, der Mehraufwand des Bundes für die Arbeitslosenhilfe auf 2,3 Mrd DM festgelegt werden. Mit 6,1 Mrd DM habe der Bundeszuschuß zur Rentenversicherung eine deutliche Steigerung erfahren. Die Beitragserhöhung auf 20,3 % sei einkalkuliert. Die verbleibende Defizitlücke von 3 Mrd DM habe man durch eine globale Minderausgabe von 2 Mrd DM über alle Ressorts verteilt geschlossen. Hinzu kämen zahlreiche Einzelkürzungen, die sich auf 900 Mio DM summierten.

Der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt 97 betrage 35,3 %. Von einem Abbau des Sozialstaates, so Waigel, könne also keine Rede sein. Der Bundesfinanzminister äußerte sich zufrieden über die Entwicklung der Landeshaushalte. Die Steigerungsraten auf der Ausgabenseite würden im Rahmen dessen liegen, was man auf der letzten Sitzung des Finanzplanungsrates im Juni 1996 vereinbart habe: eine Begrenzung auf 2 v.H.. Auch die Entwicklung bei der Kreditfinanzierungsquote sei erfreulich. Kontrovers wurde die Frage der Mehreinnahmen bei der Erbschaftsteuer diskutiert. Während der Bund von insgesamt 3,2 Mrd DM (1,6 Mrd DM in 97 und 1,6 Mrd DM im Rahmen eines Nachholeffektes aus 96) ausgeht, halten die Länder allenfalls ein Volumen von 1,6 Mrd für realistisch.

Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände machten zunächst darauf aufmerksam, daß der in der Projektion des BMF unterstellte Konsolidierungsprozeß bei der Entwicklung der Gemeindehaushalte nur gelingen könne, wenn Bund und Länder vor weiteren Aufgabenerschwerungen bzw. Kostenverlagerungen absehen würden. Die Projektion bei den sozialen Leistungen sei fraglich. Mit Blick auf die erheblich geringeren Einspareffekte bei der Pflegeversicherung sei eher mit einem leichten Plus als mit einem leichten Minus zu rechnen. Auch werde der für 1996 bei den Sachinvestitionen mit - 4,5 % unterstellte Einbruch deutlich höher ausfallen (1. Halbjahr 1996: - 8 %). Weiterhin wurde ein voller Ausgleich bei der Vermögensteuer angemahnt. In bezug auf die derzeitige Diskussion um die Reform der Gewerbesteuer bezweifelten die kommunalen Vertreter die Kassenwirksamkeit der Schattenwirkungen in den Jahren 97 und 98. Diese sei nur gewährleistet, wenn die Geltendmachung der Gewerbekapitalsteuerabschaffung durch Vorauszahlungsanpassungen von den Steuerverwaltungen der Länder generell verknüpft werde mit einer automatischen Gegenrechnung der positiven Schattenwirkungen. Auf die Frage, ob die Länder bereit seien, entsprechend ihrem Anteil an der Umsatzsteuer den gemeindlichen Anteil mit zu finanzieren, verwies der nordrhein-westfälische Finanzminister Schleußer auf den Umstand, daß die Problematik im Bundesrat noch nicht beraten worden sei. Im übrigen hätten sich die Länder, wenn es um den Ausgleich für die Kommunen gehe - hierbei verwies er auf den Familienleistungsausgleich - immer "solidarisch" verhalten.

Im Rahmen der Diskussion zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien mahnten die kommunalen Vertreter die Teilnahme der Kommunen an den Bund-Länder-Gesprächen an.

Der Bundesfinanzminister erneuerte diesbezüglich erneut seinen Vorschlag, den derzeitigen Defizitrahmen von 2,5 % hälftig auf Bund und Länder aufzuteilen. Finanzminister Schleußer verwies auf den noch bestehenden Abstimmungsbedarf bei den Ländern. Er bezweifelte gleichzeitig die verfassungsrechtliche Kompetenz des Bundes zur Verabschiedung eines nationalen Stabilitätspaktes in Form eines Gesetzes. Unstreitig sei, daß die Länder an der innerstaatlichen Umsetzung beteiligt werden müßten. In der darauffolgenden Diskussion waren sich Bund und Länder einig, daß die Gespräche unverzüglich fortgesetzt werden müßten. Der Bundesfinanzminister bot den Kommunen bilaterale Gespräche auf Fachebene an. Auch die Länder erklärten ihre diesbezügliche Bereitschaft. Bei der weiteren Diskussion um die Reform der Gewerbesteuer machten die kommunalen Vertreter noch einmal darauf aufmerksam, daß der vom Bund angebotene Umsatzsteueranteil von 1,9 % zu niedrig sei. Der Finanzminister beklagte sich, daß die Länder bis heute keine Daten über die Gewerbekapitalsteuer zur Verfügung gestellt hätten. Er stehe zu seiner Zusage, den Gemeinden einen vollen und fairen Ausgleich zu gewähren. Er werde mit den kommunalen Spitzenverbänden weitere Gespräche führen.

Az.: V-900-04

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