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StGB NRW-Mitteilung 189/2021 vom 02.03.2021
OVG Schleswig: Widerruf einer Zuwendung nur bei formalen Fehlern i. d. R. ermessensfehlerhaft
Das OVG Schleswig hat in einem Beschluss vom 18. Dezember 2020 – A LA 179/20 – mit erfreulicher Klarheit entschieden, dass der Widerruf einer gegenüber Kommunen gewährten Zuwendung durch Dritte nur dann rechtmäßig ist, wenn der Widerruf dieses Verwaltungsakts den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt. Dies bedingt stets, dass die den Widerruf geltend machende Behörde den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkennt und wahrnimmt sowie auch prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt.
I. Entscheidung des OVG Schleswig
In dem vom OVG Schleswig entschiedenen Fall wurde vom Gericht angenommen, dass rechtlich nicht die Voraussetzungen eines Widerrufs vorliegen. Das galt, obwohl eine Kommune bei der Beschaffung des Feuerwehrlöschfahrzeugs gegen Vergabevorschriften verstoßen hatte und damit eine Auflage des Bewilligungsbescheides nicht erfüllt war.
Wie auch bereits das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung vom 06. April 2017 - 12 A 134/16 - vom OVG Schleswig voll inhaltlich bestätigt wurde, geht auch das Obergericht davon aus, dass der vollständige Widerruf eines Bewilligungsbescheides immer nur dann rechtmäßig ist, wenn er ermessensfehlerfrei erfolgt.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt nach dem OVG Schleswig, dass die Behörde auch in Fällen des intendierten Ermessens den ihr zustehenden Ermessenspielraum erkennt und wahrnimmt sowie prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht kommt. Dabei kann nach dem Gericht u. a. auch die Schwere der Pflichtverstöße beachtlich sein (s. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22.02).
Im vorliegenden Fall hätte nach Auffassung des OVG Schleswig Anlass zu Ermessenerwägungen bestanden, weil es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Verstößen gegen das Vergaberecht überwiegend um formale Fehler, speziell um Dokumentationsmängel handelte. Bei diesen sind aber Auswirkungen auf den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht annähernd erkennbar.
Das OVG Schleswig folgert hieraus, dass bei derartigen Verstößen vom Regelfall abweichende Umstände vorliegen, die eine andere Entscheidung als den vollen Widerruf des Zuwendungsbescheides möglich machen und daher ermessensfehlerfrei hätten gewürdigt werden müssen.
II. Anmerkung
Die jüngere Entscheidung des OVG Schleswig vom 18. Dezember 2020 ist aus kommunaler Sicht uneingeschränkt zu begrüßen. Sie macht in erfrischender Klarheit deutlich, dass ein Vergabeverstoß einer Kommune nicht zwingend und i. S. einer 1:1-Schlussfolgerung zur Rückforderung einer gewährten Zuwendung führt. Denn gerade unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss die die Rückforderung geltend machende Behörde stets ihren Ermessensspielraum ausschöpfen. Bei rein formalen Vergabefehlern, wie etwa reinen Dokumentationsmängeln, liegt daher kein Grund vor, eine Zuwendung zurückzufordern. Diese Vergabeverstöße, die ohne Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das Zuwendungsziel erreichen, können keinen Widerruf der Zuwendung bewirken. Daher muss dem Zuwendungsempfänger zur Abwendung der Rückforderung stets der Nachweis der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung möglich sein.
Az.: 21.1.4.4-002/005 we