Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 765/2002 vom 05.12.2002

OVG NRW zur Sanierungsverfügung für Abwasserleitung

Das OVG NRW hat mit Beschluß vom 16.10.2002 (Az: 15 B 1355/02) entschieden, daß die Befugnis zum Betrieb der öffentlichen Einrichtung "Abwasserbeseitigungsanlage" die Ermächtigung umfaßt, das Benutzungsrecht generell durch Satzung oder Sonderverordnung und im Einzelfall durch Verwaltungsakt zu regeln (sog. Anstaltsgewalt). Dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren lag der Sachverhalt zugrunde, daß eine Gemeinde den Eigentümern eines Grundstückes (den Antragstellern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes) eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung zugesandt hatte, mit der ihnen aufgegeben wurde, die Anschlußleitung zum gemeindlichen Entwässerungskanal zu reparieren (Sanierungsverfügung).

Das OVG NRW führt aus, die angegriffene Verfügung sei rechtmäßig und finde ihre Rechtsgrundlage in den §§ 7 bis 9 GO NRW, § 53 Abs. 1 Landeswassergesetz NRW i.V.m. mit der Entwässerungssatzung der Gemeinde. Nach § 8 Abs. 1 GO NRW schafften die Gemeinden die erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. § 9 Satz 1 GO ermögliche für bestimmte Einrichtungen der Volksgesundheit, u.a. der Kanalisation, sogar die Statuierung eines Anschluß- und Benutzungszwangs. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Landeswassergesetz NRW betreiben die Gemeinden die zur Abwasserbeseitigung notwendigen Anlagen. Aus diesen Vorschriften ergebe sich – so das OVG NRW -, daß zu den zulässigerweise errichteten öffentlichen Einrichtungen auch die öffentliche Abwasseranlage gehöre. § 7 Abs. 1 Satz 1 GO NRW erlaube den Gemeinden, in ihren Angelegenheiten, also auch die öffentliche Abwasseranlage, durch Satzung zu regeln. Zwar ermächtige diese Vorschrift nicht zum Erlaß von Satzungen, die in Freiheit und Eigentum der Satzungsunterworfenen eingreife. Jedoch umfasse die Befugnis, eine öffentliche Einrichtung zu betreiben, auch die Ermächtigung, das Benutzungsverhältnis generell durch Sonderverordnung oder - wie hier – durch Satzung und im Einzelfall durch Verwaltungsakte zu regeln (sog. Anstaltsgewalt).

Die beklagte Gemeinde habe hier auch in Form einer hoheitlichen Verfügung handeln dürfen. Es gehe nämlich um die Konkretisierung der dem Benutzer einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung obliegenden Pflichten, hier der Pflicht zur Instandhaltung von Zuleitungen zur öffentlichen Abwasseranlage, die, ohne daß es auf eine ausdrückliche Ermächtigung ankomme, durch Verwaltungsakt (hier: der Sanierungsverfügung) verfügt werden könne (vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluß vom 03.11.2000 – 15 A 4686/00 – S. 2 des Amtlichen Umdrucks; Urt. v. 07.03.194 – 22 A 7453/92 -, NWBZ-RR 1995, S. 244. ). Allerdings stütze sich die Gemeinde wie die Überschrift "Ordnungsverfügung" in der Sanierungsverfügung zeige, zu Unrecht auf § 14 OBG NRW. Die Ermächtigungsgrundlage liege nicht in den Befugnissen der (örtlichen) Ordnungsbehörde begründet, sondern in der Anstaltsgewalt der Gemeinde als Betreiberin der öffentlichen Einrichtung. Jedoch führe dieser Irrtum nicht zur Rechtswidrigkeit der Sanierungsverfügung. Denn die in einem Verwaltungsakt (hier: der Sanierungsverfügung) niedergelegten Erwägungen könnten nur dann zur Rechtswidrigkeit führen, wenn sie einen Ermessensfehler darstellten (§ 40 VwVfG NRW). Das sei hier auszuschließen, da die angegriffene Sanierungsverfügung sich zu Recht in der Sache auf die entwässerungsrechtliche Instandhaltungspflicht stütze und lediglich zu Unrecht zusätzlich eine formelle Ermächtigungsgrundlage in § 14 OBG NRW im Sinne einer unselbständigen Ordnungsverfügung annehme.

Die Grundstückseigentümer treffe entwässerungsrechtlich die Pflicht, die Anschlußleitung instand zu halten. Dieses sei zwar der Entwässerungssatzung nicht ausdrücklich zu entnehmen. Jedoch bedürfe es keiner ausdrücklichen satzungsrechtlichen Zuweisung der Pflicht, Anschlußleitungen zu unterhalten, an den Eigentümer eines Grundstücks. Grundsätzlich müsse derjenige, der sich im eigenen (Sonder-)Interesse an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen wolle oder müsse, selbst (auf eigene Kosten) den Anschluß herstellen und instand halten, wenn dieser Anschluß nicht selbst Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sei. Einer feststellenden Übertragung dieser Pflicht zur Durchführung einer (Sanierungs)Handlung auf den Anschlußnehmer und der Regelung einer damit korrespondierenden Kostentragungspflicht bedürfe es nicht (vgl. OVG NRW, Urt. v. 10.10.1997 – 22 A 2742/94 -, NWVBL 1998, S. 198). Hier seien die Anschlußleitungen (Grundstücksanschlußleitungen und Hausanschlußleitungen) nach der Entwässerungssatzung der Gemeinde nicht Teil der öffentlichen Abwasseranlage. Nach dieser so festzustellenden allgemeinen Unterhaltungspflicht bestehe im konkreten Fall auch die Pflicht zur Vornahme der festgesetzten Instandsetzungsarbeiten. Die Anschlußleitungen sei nämlich in der Weise beschädigt, daß die Grundstücksanschlußleitung nicht ordnungsgemäß in den öffentlichen Kanal münde und die Anschlußleitung im weiteren Verlauf undicht und in der Achse verschoben sei. Die Instandsetzungspflicht der Grundstückseigentümer sei deshalb nicht ausgeschlossen, weil der Anschluß früher und möglicherweise von vornherein in der jetzt vorgefundenen Form von der Gemeinde selbst hergestellt worden sei. Maßgeblich für die Unterhaltungspflicht sei die heutige Rechtslage. Worauf die Reparaturbedüftigkeit der Anschlußleitung zurückzuführen sei, sei keine Frage nach der Person des Instandsetzungspflichtigen, sondern allenfalls eine Schadensersatzfrage, die hier keine Rolle spiele. Gleiches gelte für die angebliche Ursache der Schäden, die in einem ungeeigneten Straßenausbau liegen solle.

Die angegriffene Sanierungsverfügung sei als Verwaltungsakt auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Hierfür sei es zum einen erforderlich, daß der Adressat erkennen können, was von ihm gefordert werde. Zum anderen müsse die Sanierungsverfügung inhaltlich eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zur ihrer zwangsweisen Durchsetzung bilden. Ob ein Verwaltungsakt diese hinreichende Bestimmtheit besitze, sei durch die Auslegung seines verfügenden Teils im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzulegen. Unter Anlegung dieses Maßstabes sei zwar der verfügende Teil des angegriffenen Verwaltungsaktes, der nur die Reparatur der Hausanschlußleitung aufgebe, wenig aussagekräftig. Jedoch ergebe sich der Umfang der vorzunehmenden Reparaturarbeiten aus dem Untersuchungsbericht vom 30.08.2000, der im einzelnen die schadhaften Stellen aufzeige und der den Grundstückseigentümern zugänglich gemacht worden sei. Daraus ergebe sich außerdem, daß es entgegen dem Text der Sanierungsverfügung, der nur von der Reparatur einer Hausanschlußleitung spreche, auch die Reparatur der Grundstücksanschlußleitung bis zum öffentlichen Kanal gehe. Für die Grundstückseigentümer sei daher der Inhalt der angegriffenen Verfügung in Verbindung mit dem Untersuchungsbericht bestimmt genug.

Nach dem OVG NRW konnte weiterhin die Verfügung zur Sanierung auch für sofort vollziehbar erklärt werden, weil bei der Abwägung des öffentlichen Interesses an der sorfortigen Vollziehung der Sanierungsverfügung gegenüber dem privaten Interesse der Grundstückseigentümer an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse überwiege. Zum einen sei die Sanierungsverfügung offensichtlich rechtmäßig. Zum anderen bestehe bei einem weiterem Zuwarten bis zur Bestandskraft des Bescheides (der Sanierungsverfügung) die Gefahr einer Umweltbeeinträchtigung durch in das Erdreich auslaufendes Schmutzwasser, während die Pflicht zur Reparatur der Anschlußleitung vor Bestandskraft der Verfügung lediglich zu einer vorzeitigen finanziellen Belastung der Antragsteller führe, die im Falle der Aufhebung der Sanierungsverfügung im Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) rückgängig gemacht werden könne.

Az.: II/2 24-30 qu/g

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