Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 444/2020 vom 03.06.2020

OVG Nordrhein-Westfalen: Für Außenbereichssatzung sind Nachbarbelange nicht abwägungsrelevant

Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 05.04.2019 - 7 D 64/17 - festgestellt, dass auch Eigentümer und Betriebsinhaber landwirtschaftlicher Grundstücke im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung (s. § 35 Abs. 6 BauGB) nicht befugt sind, die Satzung einer gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen zu lassen.

Sachverhalt

Der Eigentümer und Betriebsinhaber eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks wandte sich gegen eine Außenbereichssatzung, deren Geltungsbereich auch seine Betriebsgrundstücke umfasste. Mit diesem Planungsinstrument können Gemeinden die Zulässigkeit von Wohnbebauung und Ansiedlung kleinerer Handwerks- und Gewerbebetriebe im Außenbereich insoweit ermöglichen, als ihnen bestimmte Belange, wie beispielsweise anderslautende Ausweisungen im Flächennutzungsplan, nicht entgegengehalten werden können.

Der Erlass einer Außenbereichssatzung ist jedoch an enge Voraussetzungen geknüpft. So darf sich eine solche Satzung nur auf bereits bebaute Bereiche im Außenbereich erstrecken, die zum einen Wohnbebauung von einem Gewicht aufweisen müssen und zudem nicht mehr überwiegend durch Landwirtschaft geprägt sind. Der klagende Landwirt befürchtete, dass es durch heranrückende neue Wohnbebauung zu betrieblichen Einschränkungen kommt, da u. a. im Verfahren kein Geruchsgutachten eingeholt worden war.

Entscheidung

Zwar ist der Normenkontrollantrag gegen eine Außenbereichssatzung statthaft; allerdings fehlt es an der daneben erforderlichen Antragsbefugnis. Weder aus dem Grundstückseigentum noch aus privaten oder betrieblichen Belangen kann eine Verletzung eigener Rechte abgeleitet werden. Eine Außenbereichssatzung hat ausschließlich eine positive, die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben unterstützende, aber keine negative Wirkung für den einbezogenen Grundeigentümer.

Die Satzung beschränkt nicht die Nutzungsbefugnisse für das Grundstück; sie lässt die Anwendbarkeit von § 35 Abs. 1 BauGB für privilegierte Vorhaben unberührt. Nur bestimmte öffentliche Belange werden als Genehmigungshindernis ausgeschlossen. Andere, auch private oder betriebliche Belange sind von der Satzung nicht betroffen und daher regelmäßig nicht in die Abwägung zu einem Satzungsbeschluss einzustellen. Sie sind im Rahmen nachgelagerter Genehmigungsverfahren zu prüfen.

Praxishinweis

Für Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB kommt es damit zu einem recht kuriosen Ergebnis: Normenkontrollverfahren gegen diese Satzungen sind zwar einerseits statthaft; es wird jedoch andererseits in jeder denkbaren Konstellation an der Antragsbefugnis fehlen, so dass Normenkontrollanträge aus diesem Grund stets unzulässig bleiben müssen. Der Rechtsschutz gegen Außenbereichssatzungen ist damit praktisch entfallen. Gleiches dürfte für Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB gelten.

Für die betroffenen Eigentümer und Betriebsinhaber wird dadurch der Rechtsschutz eingeschränkt. Sie werden darauf verwiesen, gegen eine heranrückende Wohnbebauung in jedem Einzelfall vorzugehen. Dabei wird jedoch nicht mehr geprüft, ob die Außenbereichssatzung als solche rechtmäßig ergangen ist. Mit Blick auf das Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gibt es insoweit ein Spannungsverhältnis zu Art. 19 Abs. 4 GG. Dieser verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen und den Zugang zu den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG, NJW 2017, 1939).

Für die planende Gemeinde und neue Bauprojekte erhöhen sich aber auf Basis der Entscheidung die Rechts- und die Investitionssicherheit signifikant, da eine gerichtliche Kontrolle der strengen gesetzlichen Voraussetzungen de facto nicht stattfindet.

Az.: 20.1.1.8-002/002 jae

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