Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 615/1997 vom 20.12.1997

Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts

Der Deutsche Bundestag hat am 28.11.1997 in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts verabschiedet.

Durch den Einfluß der kommunalen Seite ist der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Vergleich zu den ersten Reformentwürfen letztlich wesentlich verändert worden. Die intensiven Bemühungen der kommunalen Spitzenverbände und des VKU zur Berücksichtigung der Interessen der Kommunen und ihrer Unternehmen haben im einzelnen zu folgenden Ergebnissen geführt:

I. Inhaltliche Bewertung

1. Zukunft der kommunalen Kraft-Wärme-Kopplung

Die besondere Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung und der erneuerbaren Energien wird bei der Definition der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Zielsetzungen des Energiewirtschaftsgesetzes besonders herausgehoben (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2).

Die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen sind zur Durchleitung nicht verpflichtet, wenn sie nachweisen, daß ihnen "die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 nicht möglich oder nicht zumutbar ist" (§ 3 c Abs. 1 Satz 2). Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist bei der Beurteilung dieser Zumutbarkeit "besonders zu berücksichtigen, inwieweit dadurch Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und ressourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien verdrängt und ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Anlagen verhindert würde".

Diese Schutzklausel ist unvollkommen. Sie leidet insbesondere darunter, daß der Stellenwert der Kraft-Wärme-Kopplung und der regenerativen Energien im einzelnen Konfliktfall vom Abwägungsermessen der Kartellbehörden und Gerichte abhängig ist. Zwar ist es gelungen, das Gewicht von KWK und erneuerbaren Energien besonders hervorzuheben. Von den Unternehmen sind aber schwierige Nachweispflichten zu erfüllen. Rechtsstreitigkeiten dürften vorprogrammiert sein.

2. Vergabe von Wegerechten

Im Interesse der KWK und der Nutzung erneuerbarer Energien wurde durchgesetzt, daß die Gemeinden auch die Vergabe von Wegerechten für konkurrierende Doppelleitungen verweigern können. Diese Ausnahmeregelung ist allerdings bis Ende 2005 befristet (§ 8 Abs. 1 Satz 2). Aus allgemeinen ökologischen und ökonomischen Gründen kann die Vergabe von Wegerechten zur Vermeidung überflüssiger Doppelleitungen nicht verweigert werden.

3. Regelungskompetenz der Kommunen

Der Deutsche Bundestag hat die nachfolgende Entschließung zur kommunalen Regelungskompetenz für die örtliche Energieversorgung gefaßt:

"Der Deutsche Bundestag bekräftigt die aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht abgeleiteten Rechte der Gemeinden auf dem Gebiet der örtlichen Energieversorgung, wie sie sich aus der Rechtsprechung zu Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ergeben. Das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts läßt diese Rechte unberührt, wobei die allgemeine unternehmerische Betätigungsfreiheit auf demGebiet der Energieversorgung gewahrt bleibt."

Zur Frage der kommunalen Regelungskompetenz für die örtliche Energieversorgung hatte die kommunale Seite - gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß v. 16.5.1989) und anderer Bundesgerichte sowie auf das Gutachten von Prof. Dr. Karl Heinrich Friauf (Energierechtsreform und kommunale Energieversorgung) - darauf verwiesen, daß eine ordentliche, gesicherte und umweltverträgliche Energieversorgung als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge in dem gem. Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabenbestand der Städte und Gemeinden fällt. Die kommunale Seite hatte daher die Aufnahme der kommunalen Regelungskompetenz in das Energiewirtschaftsgesetz gefordert. Die (deklaratorische) Verankerung der Regelungskompetenz im Gesetz selbst konnte nicht erreicht werden. Dies wäre wichtig gewesen, um gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse (Service Public) durchzusetzen.

4. Alleinabnehmersystem

Durch § 3 d ist das in der Stromrichtlinie vorgesehene Alleinabnehmersystem als Alternative zum verhandelten Netzzugang (§ 3 c) anerkannt worden. Der verhandelte Netzzugang und die sog. Netzzugangsalternative stehen aber anders als in der Richtlinie, nach der beide Systeme gleichberechtigt sind, in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Alleinabnehmer benötigt eine Bewilligung der zuständigen Behörde. Die Bewilligung setzt voraus, daß "zu erwarten ist, daß dieser Netzzugang zu gleichwertigen wirtschaftlichen Ergebnissen und daher zu einer direkt vergleichbaren Marktöffnung sowie zu einem direkt vergleichbaren Zugang zu den Elektrizitätsmärkten führt." Diese Voraussetzung ist auch in der Stromrichtlinie enthalten (Erwägungsgrund (12) ) sowie Art. 3 Abs. 1 Satz 2.

Nach § 3 e gilt das Alleinabnehmersystem nur bis Ende 2005. Im Jahr 2003 hat das Bundesministerium für Wirtschaft dem Deutschen Bundestag über die Erfahrungen mit den Wettbewerbswirkungen der Regelungen zum verhandelten Netzzugang und zur Netzzugangsalternative zu berichten. In einem Prüfverfahren soll dann vom Bundestag neu entschieden werden, ob Änderungen der Regelung des Netzzugangs erforderlich sind. Bei Bewährung des Alleinabnehmersystems dürfte durchaus die Möglichkeit einer gesetzlichen Verlängerung bestehen.

5. Konzessionsabgabe

Die Gefahr einer deutlichen Verringerung des Konzessionsabgabeaufkommens konnte erheblich verringert werden. Zusätzlich zu den im Entwurf schon ursprünglich enthaltenen Vorkehrungen

- Recht zur Verweigerung von Wegerechten, solange das Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Zahlung der Höchstsätze verweigert bzw. eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgabe noch nicht erzielt ist (§ 8 Abs. 1 Satz 3) und

- Konzessionsabgabe auch für durchgeleitete Energie (§ 9 Abs. 3)

konnte die kommunale Seite durchsetzen, daß die vertraglich vereinbarte Konzessionsabgabe auch noch 1 Jahr nach Ablauf des Konzessionsvertrages gezahlt werden muß (§ 9 Abs. 4).

Dennoch ist das Konzessionsabgabeaufkommen zumindest langfristig gefährdet. Durch den Wegfall der Ausschließlichkeit, die ein wesentlicher Teil der Gegenleistung war, dürfte die Konzessionsabgabe unter Druck geraten.

6. Regionale Strompreisdifferenzierung

Die Möglichkeit, daß Regional- und Verbundunternehmen unterschiedliche Preise für Stadt und Land anbieten und somit Druck auf die Preisgestaltung der Stadtwerke ausüben oder Netzübernahmen verhindern, konnte weitgehend ausgeschlossen werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 sind "unterschiedliche Allgemeine Tarife für verschiedene Gemeindegebiete nicht zulässig, es sei denn, daß hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird, dadurch für keinen Kunden eine Preiserhöhung entsteht und die Preisunterschiede für alle Kunden zumutbar sind".

Unterschiedliche Preissenkungen sind allerdings im Rahmen des Zumutbaren zulässig.

7. Braunkohleverstromung

Für die Braunkohleverstromung in den neuen Bundesländern (Art. 4 § 3) besteht eine Sonderregelung. Die Aufnahme der Kraft-Wärme-Kopplung in diese Bestimmung, also deren Gleichbehandlung mit der Braunkohle, konnte nicht durchgesetzt werden.

8. Allgemeine Übergangsfristen

Es ist nicht gelungen, allgemeine Übergangsfristen im Sinne der von der Richtlinie vorgeschlagenen Stufenregelung (Art. 19), die einen schonenden Übergang in ein System freien Wettbewerbs ermöglicht hätten, einzufügen.

9. Stromeinspeisungsgesetz

Hinsichtlich des Stromeinspeisungsgesetzes sind folgende Regelungen vorgesehen:

- Keine Absenkung der Vergütung für Windstrom

- Einbeziehung des Stroms aus Biomasse

- Die Netzbetreiber sind abnahmevergütungspflichtig. Mehrkosten aus Abnahmevergütung können bei Rechnungslegung der Verteilung oder Übertragung zugeordnet und beim Durchleitungsentgelt in Ansatz gebracht werden.

- Härteklausel:
5%-Deckelung für jede Versorgungsstufe.

II. Weiteres Vorgehen

Ziel der kommunalen Seite muß nun sein, im jetzt folgenden Bundesratsverfahren Verbesserungen durchzusetzen. Es ist nämlich damit zu rechnen, daß der Bundesrat gegen den Entwurf Einspruch einlegt. Die nächste Sitzung des Bundesrates findet am 19.12.1997 statt. Insbesondere mit Blick auf die Regelungen des § 3 d (Netzzugangsalternative) ist davon auszugehen, daß der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts - entgegen der Annahme der Bundesregierung - der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist daher nicht unwahrscheinlich.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat sich mit Schreiben vom 28.11.1997 an die Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein sowie die Herren Ministerpräsidenten der Länder gewandt und deutlich unterstrichen, daß wichtige Forderungen der kommunalen Seite in dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts nicht oder in unzureichendem Maße berücksichtigt worden sind und sich der Deutsche Bundestag damit auch über die Stellungnahme des Bundesrates vom 19.12.1996 hinweggesetzt hat.

Über die 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts informiert das Plenarprotokoll 13/208 (S. 18966-18997).

Az.: V/1-811-00

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