Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 708/2014 vom 17.11.2014

Kommunale Spitzenverbände zur Erfassung von Bioabfall

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat mit Datum vom 10.11.2014 zu dem Entwurf eines Erlasses zur getrennten Bioabfallerfassung gegenüber dem Umweltministerium NRW wie folgt Stellung genommen: "Herzlichen Dank für die Möglichkeit der Stellungnahme zu dem o.g. Erlass-Entwurf, der sich mit der getrennten Bioabfallerfassung gemäß § 11 Abs. 1 KrWG ab dem 01.01.2015 in Nordrhein-Westfalen auseinandersetzt. Unter Bezugnahme auf die gemeinsame Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und der VKU/VKS - Landesgruppe NRW vom 30.09.2014 zu dem Entwurf eines neuen Abfallwirtschaftsplans nehmen wir zu dem o.g. Erlass-Entwurf wie folgt Stellung:

Erforderlichkeit eines Erlasses

Wir sehen einen entsprechenden Erlass zur Bioabfallerfassung und -verwertung nicht als erforderlich an. Nordrhein-Westfallen hat spätestens seit dem 01.01.1999 (Zulässigkeit der Querfinanzierung der Biotonne über die Abfall-Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß bzw. Zulässigkeit einer nicht kostendeckende Sondergebühr für die Biotonne gemäß § 9 Abs. 2 Satz 5 LAbfG NRW) einen guten Stand in der getrennten Bioabfallerfassung und -verwertung erreicht.. Zwischenzeitlich haben 363 von 398 Städten und Gemeinden in NRW die Biotonne eingeführt. Weitere Städte und Gemeinden sind auf dem Weg.

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlich in § 9 Abs. 2 Satz 5 Landesabfallgesetz NRW zugelassenen Finanzierungswege hat es zudem seit dem Jahr 1999 nur wenige verwaltungsgerichtliche Klagen in Bezug auf die Biotonne gegeben. Wir sehen diese Erfolgsgeschichte der getrennten Bioabfallerfassung und -verwertung in ernsthafter Gefahr, wenn nunmehr durch den Erlass unnötigerweise weiterer „Druck“ und neue Streitpotenziale mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern erzeugt werden, nur um die Erfassungsmengen bei den Bioabfällen nach oben zu treiben. In diesem Zusammenhang sehen wir es als unerlässlich an, die Notwendigkeit eines solchen Erlasses in einem vertiefenden Fachgespräch zu erörtern.

Inhalt des Erlass-Entwurfs


Der Erlass-Entwurf stellt zutreffend heraus, dass § 11 Abs. 1 KrWG nur die überlassungspflichtigen Bioabfälle aus privaten Haushalten erfasst und Vorgaben für die Art und Weise der Erfassung von Bioabfällen durch den Bundesgesetzgeber nicht gemacht werden. Der Bundesgesetzgeber hat im Übrigen auch davon Abstand genommen in der seit dem 01.05.2012 geltenden Bioabfall-Verordnung Vorgaben zur Art und Weise der getrennten Bioabfallerfassung zu machen. Dieses ist auch der richtige Weg, weil bei der getrennten Bioabfallerfassung nicht die Quantität, sondern die Qualität der erfassten Bioabfälle sowie die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern im Vordergrund stehen muss.

Grundsatz der Erforderlichkeit

Insbesondere ist der gebührenrechtliche Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten strikt zu beachten. Danach hat der gebührenzahlende Bürger einen Anspruch darauf nicht mit überflüssigen und unnötigen Kosten belastet zu werden (vgl. VGH, Baden-Württemberg, Urteil vom 31.5.2010 — Az.: 2 S 2423//08; OVG NRW, Urteil vom 24.11.1999 — Az.: 9 A 6065/96, KStZ 2001, S. 130ff., S. 132; OVG Lüneburg, Urteil vom 11.5.2000 — Az.: 9 L 5646/98; Queitsch, ZKF 2014, S. 25 ff., S. 27).

Bioabfall-Erfassung

Dieses gilt zunächst bezogen auf die Erfassung. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hat darauf zu achten, dass durch das gewählte Erfassungssystem keine unnötigen bzw. überflüssigen Mehrkosten entstehen. Diese Mehrkosten entstehen insbesondere dann, wenn der Störstoffanteil in der Bioabfall-Fraktion zu erheblichen Mehrkosten in der Verwertung der Bioabfälle führt. Aus diesem Grund ist insbesondere die Aussage, dass das alleinige Angebot einer freiwilligen Biotonne nicht ausreiche, abzulehnen.

Erfahrungsgemäß haben freiwillige Biotonnen im Vergleich zu einer verpflichtenden Einführung der Biotonne den Vorteil, dass die dort erfassten Bioabfälle höherwertiger sind. Denn die höhere Akzeptanz führt zu einer verringerten Fehlwurf-Quote. Die Wahrung einer hochwertigen Qualität des erfassten Bioabfalls muss unbedingt Vorrang vor der bloßen quantitativen Steigerung der Bioabfallerfassung haben. Insoweit müssen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor Ort unter Beachtung seiner kommunalen Organisationshoheit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 78 LVerf NRW) Organisationsspielräume bei der Ausgestaltung der getrennten Bioabfallerfassung eingeräumt werden, damit er auch den gebührenrechtlichen Anforderungen rechtskonform Rechnung tragen kann.

Welche Bioabfälle (§ 3 Abs. 7 KrWG) in welcher Art und Weise (z. B. über die Biotonne, am Wertstoffhof, getrennte Bioabfallcontainer) getrennt erfasst werden ist den Städten, Gemeinden sowie den Kreisen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen. Nichts anderes ergibt sich auch aus § 11 Abs. 1 KrWG, denn diese Vorschrift gibt die getrennte Bioabfallerfassung ab dem 01.01.2015 zwar vor, schränkt sie aber gleichzeitig durch die „Erforderlichkeit“ bezogen auf die Erfüllung der Anforderungen in § 7 Abs. 2 Satz 4 und § 8 Abs. 1 KrWG ein.

Vor diesem Hintergrund wurde auch in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und der VKU/VKS-Landesgruppe vom 30.09.2014 deutlich herausgestellt, dass im künftigen Abfallwirtschaftsplan „Orientierungswerte“ vorstellbar sind, aber keine „Pflichterfassungswerte“, weil der Erfolg der getrennten Bioabfallerfassung und -verwertung wesentlich davon abhängt, dass die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern (z. B. durch Geruchsprobleme mit der Biotonne, Abfuhrrhythmen, Möglichkeit der Eigenkompostierung usw.) nicht verloren geht.

Bioabfall-Verwertung


Der gebührenrechtliche Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten gilt auch für die Verwertung der Bioabfälle. Bestehen reine Kompostierungsanlagen, so müssen die Investitionskosten für diese Anlage zunächst über die Abfallgebühr refinanziert werden. Ist eine Kompostierungsanlage über die Abfallgebühr refinanziert worden und entspricht diese Anlage dem Stand der Technik, so ist es auch von Vorteil, wenn der gebührenzahlende Bürger mit weniger Kosten belastet werden kann. Der Neubau von Vergärungsanlagen bzw. die Nachrüstung von Kompostierungsanlagen mit einer Vergärungsstufe bedeutet hingegen neue Investitionen, die sich auf die Höhe der Abfallgebühren auswirken.

Dies kann sich im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen als sinnvoll und wirtschaftlich erweisen. Erforderlich ist hier jedoch eine von sachlichen Kriterien getragene Kosten-Nutzen-Analyse, die vor Ort vorzunehmen ist. Soweit derartige Investitionen nicht durch die benötigten Entsorgungskapazitäten gerechtfertigt werden können, sind sie gebührenrechtlich als unnötige und überflüssige Kosten unzulässig (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2012 — u.a. Az.: 16 K 2408/12 und 2409/12 — zu MVA-Überkapazitäten; vgl. hierzu: Queitsch, ZKF 2013, S. 73 ff., S.78f.).

Eigenkompostierung

Ziel muss es in Nordrhein-Westfalen sein, mit einer lenkenden Abfallgebühr die Bioabfallerfassung weiter voranzubringen. Dagegen kann es nicht sinnvoll sein, die in § 17 Abs. 1 KrWG vorgesehene Möglichkeit der Eigenkompostierung zu begrenzen, nur um die Leit- bzw. Zielwerte im künftigen Abfallwirtschaftsplan erreichen zu können. Es muss möglich bleiben, dass derjenige, der die auf seinem Grundstück anfallenden Bioabfälle dort ordnungsgemäß und schadlos kompostieren möchte, dieses auch in Zukunft kann. Insbesondere in ländlichen Bereichen wird von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht.

Die Kompostierung von Bioabfällen stellt außerdem eine ordnungsgemäße, schadlose sowie nachhaltige Verwertung von Bioabfällen dar, die insbesondere auch dem Schutz der Moore dient, weil Komposte dem CO²-schädlichen Abbau der Moore entgegenwirken, wenn diese z. B. bei der Herstellung von Blumen- und Pflanzenerde eingesetzt werden. Auch die Kompostierung dient damit dem Klimaschutz. Es gibt auch keinen zwingenden Grund bestehende Kompostierungsanlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, stillzulegen und in die Vergärung von Bioabfällen umzusteigen. Im Gegenteil: Die Bioabfall-Vergärung erzeugt Gärrückstände, die — wenn sie nicht in einer Kompostierungsanlage weiter behandelt werden und in den Kompost Eingang finden — entsorgt werden müssen, während der Kompost aus Kompostierungsanlagen bereits ein Produkt ist, welches den Humusaufbau bei Aufbringung auf den Boden fördert (CO²-Senke durch Humusaufbau).

Diese Gärrückstände treten bei der Aufbringung auf landwirtschaftliche Flächen in direkte Konkurrenz unter anderem zur Gülle und zum Klärschlamm. Im Übrigen hat das MKULNV NRW im Februar 2012 selbst darauf hingewiesen, dass im Münsterland hohe Nitratwerte im Grundwasser vorzufinden sind und dafür zwei Ursachen genannt: Gülle und Gärrückstände. Schlussendlich kommt hinzu, dass ca. 90 % des Inhaltes der Biotonne für eine Bioabfallvergärung nicht geeignet sind und der Absatzmarkt für Komposte vielschichtiger ist, d. h. neben der Landwirtschaft gibt es unter anderem auch folgende Absatzwege: Landschaftsbau/Rekultivierung, Hobby- und Erwerbsgartenbau, Erdenwerke, öffentliche Park- und Grünanlagen.

Erfassung von Speiseresten

Die Erfassung von Speiseresten in der Biotonne anstelle in der Restmülltonne stößt sowohl in hygienischer als auch im Hinblick auf möglichen Schädlingsbefall auf Bedenken. Restmüll wird in den Haushalten üblicherweise in gesonderten Kunststofftüten gesammelt. Bioabfälle werden hingegen eher lose in die Biotonnen gegeben. Auf diese Weise kann es eher zu einer Geruchsbelästigung kommen und erhalten mögliche Schädlinge leichter Zugang zu den Abfällen. Die Erfassung von Speiseresten birgt darüber hinaus weitere Risiken.

Zum einen kann die Erfassung von Speiseresten zu einer unerwünschten Kochsalzfracht im Endprodukt führen. Zum anderen hat die Annahme von Speiseresten in Kompostierungsanlagen in der Vergangenheit teilweise zu Schwierigkeiten geführt, als es zum Auftreten von Tierseuchen (wie BSE, Schweinepest, Vogelgrippe) kam. Schließlich widerspricht die Erfassung von Speiseresten zur Erhöhung der erfassten Mengen an Bioabfall dem Grundsatz der vorrangigen Abfallvermeidung (vgl. § 6 KrWG) sowie der Abfallberatungspflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gem. § 46 KrwG, welche auch im Interesse des Klimaschutzes sind. Private Haushaltungen sind davon zu überzeugen, dass der Nichtanfall oder ein nur sehr geringer Anfall von Essens- und Speiseresten anzustreben ist.

Abschließend weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass das Thema „Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen“ gezeigt hat, in welche Sackgasse überzogene Ansätze führen können. Die Kommunen haben kein Interesse daran, dass sich so etwas bei der Bioabfallerfassung und -verwertung wiederholt. In Erwartung eines vertiefenden Fachgesprächs verbleiben wir mit freundlichen Grüßen…“

Az.: II/2 31-02 qu-ko

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