Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 709/2015 vom 17.11.2015

Europäischer Gerichtshof zur Vereinbarkeit von Mindestlohn und EU-Recht

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann durch Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass ein bestimmter Mindestlohn gezahlt wird. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn ein Bieter, der es ablehnt, sich zur Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten zu verpflichten, vom Verfahren zur Vergabe eines Auftrags ausgeschlossen wird. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem am 17.11.2015 verkündeten Urteil (Az. C 115/14) entschieden und ist damit den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 09.09.2015 gefolgt.

In Rheinland-Pfalz dürfen gem. § 3 Abs. 1 des Landestariftreuegesetzes (LTTG) öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt von (ursprünglich) mindestens 8,50 Euro (brutto) pro Stunde zu zahlen und Änderungen dieses Mindestentgelts während der Ausführungslaufzeit gegenüber den Beschäftigten nachzuvollziehen. § 3 Abs. 1 LTTG sieht des Weiteren vor, dass das Angebot von der Wertung auszuschließen ist, wenn die Mindestentgelterklärung bei Angebotsabgabe fehlt und auch nach Aufforderung nicht vorgelegt wird.

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die entsprechenden Regelungen des LTTG mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie) vereinbar sind. Nach dieser Richtlinie können die öffentlichen Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind und in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Diese Bedingungen können u. a. soziale Aspekte betreffen.

Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die Vergaberichtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegenstehe, nach denen sich Bieter und deren Nachunternehmer in einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten müssen, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Der Gerichtshof sehe in der fraglichen Verpflichtung eine nach der Richtlinie grundsätzlich zulässige zusätzliche Bedingung, da sie sich auf die Ausführung des Auftrags beziehe und soziale Aspekte betreffe. Diese Verpflichtung sei im vorliegenden Fall sowohl transparent als auch nichtdiskriminierend. Sie gehöre zu dem Schutzniveau, das den von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten zur Ausführung des öffentlichen Auftrags entsandten Arbeitnehmern garantiert werden müsse. Die Rechtsvorschrift gewähre ein Mindestmaß an sozialem Schutz, da in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitraum keine andere nationale Regelung einen niedrigeren Mindestlohn vorsah.

Zwar gelte der in Rede stehende Mindestlohn nur für öffentliche Aufträge und nicht für private Aufträge, doch sei diese Beschränkung die bloße Folge des Umstands, dass es für diesen Bereich spezielle Regeln des Unionsrechts gibt (im konkreten Fall die Vergaberichtlinie). Auch wenn der Mindestlohn geeignet sei, den freien Dienstleistungsverkehr zu beschränken, könne er grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein. Der Gerichtshof differenziere insoweit zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache Rüffert, in der es um ein Landesvergabegesetz ging, das selbst keinen Mindestlohnsatz festlegt hatte.

Der Gerichtshof entschied darüber hinaus, dass die Vergaberichtlinie Rechtsvorschriften nicht entgegenstehe, die vorsehen, dass Bieter und deren Nachunternehmer von der Beteiligung an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, wenn sie sich weigern, sich durch eine schriftliche, ihrem Angebot beizufügende Erklärung zu verpflichten, den Beschäftigten, die zur Ausführung der Leistungen eingesetzt werden sollen, einen im Vorhinein festgelegten Mindestlohn zu zahlen.

Anmerkungen 

Aufgrund der Entscheidung des EuGH ist nunmehr davon auszugehen, dass auch die Regelung in § 4 Abs. 3 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen (TVgG-NRW) zumindest ursprünglich nicht gegen das Unionsrecht verstoßen hat. Zu beachten ist allerdings, dass es mittlerweile auch das Mindestlohngesetz des Bundes gibt. Die Begründung des Urteils deutet an, dass die Entscheidung eventuell hätte anders ausfallen können, wenn in der Landesregelung ein nationales Mindest-Schutzniveau überschritten worden wäre. Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes ist ein vergabespezifischer Mindestlohn wegen der Bundesregelung ohnehin nicht mehr erforderlich.

Der Volltext des Urteils ist unter folgendem Link verfügbar: http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-115/14

Az.: II/1 21.1.1.2-001

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search