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StGB NRW-Mitteilung 290/2018 vom 26.04.2018

Europäischer Gerichtshof zu Rechten junger Flüchtlinge

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 12.4. (Az.: C 550/16) behält ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird, sein Recht auf Familienzusammenführung. Allerdings müsse ein solcher Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist gesetzt werden. Konkret bedeutet dies, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten, ab dem Tag, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkennt worden ist gestellt werden muss.

Das Urteil könnte für Deutschland zur Folge haben, dass zumindest die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz geändert werden muss die noch auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt. Das Urteil bezieht sich allerdings nur auf nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge, nicht auf den sogenannten „subsidiären Schutz“, für den der Familiennachzug bis Ende Juli ausgesetzt ist und demnächst eine Nachfolgeregelung gefunden werden soll. 

Der Entscheidung des EUGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Minderjährige mit eritreischer Staatsangehörigkeit, die unbegleitet in die Niederlande eingereist war, stellte am 26.02.2014 einen Asylantrag. Sie wurde am 02.06.2014 volljährig. Am 21.10.2014 erteilte die zuständige Behörde der Niederlande einen auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltstitel für Asylberechtigte, der auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags zurückwirkte.

Am 23.12.2014 stellte eine niederländische Organisation, die sich um Flüchtlinge kümmert, einen Antrag auf Erteilung eines vorläufigen Aufenthaltstitels für die Eltern der Minderjährigen und für ihre drei minderjährigen Brüder im Rahmen der Familienzusammenführung mit einem unbegleiteten Minderjährigen. Mit Entscheidung vom 27.05.2015 lehnte die Behörde diesen Antrag mit der Begründung ab, die Tochter sei zum Zeitpunkt der Antragsstellung volljährig gewesen.  

In dem Urteil stuft der Gerichtshof Drittstaatenangehörige oder Staatenlose, die zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates und der Stellung ihres Asylantrages in diesem Staat unter 18 Jahre alt sind, während des Asylverfahrens volljährig werden und denen später die Flüchtlingseigenschaft anerkannt wird, als „Minderjährige“ ein. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie für Flüchtlinge günstigere Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung vorsehe, weil ihre Lage wegen der Gründe, die sie zur Flucht aus ihrem Heimatland gezwungen haben und sie daran hindern, dort ein normales Familienleben zu führen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

Die Richtlinie (Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2013) regele zwar nicht ausdrücklich, bis zu welchem Zeitpunkt ein Flüchtling minderjährig sein müsse, um das spezielle Recht auf Familienzusammenführung in Anspruch nehmen zu können, doch kann die Bestimmung dieses Zeitpunktes nach Ansicht des Gerichtshofes nicht dem Ermessen der Mitgliedsstaaten überlassen bleiben. Der Gerichtshof stellt fest, dass die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Familienzusammenführung in Frage gestellt würde, wenn es davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt die zuständige nationale Behörde förmlich über die Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling entscheidet und damit von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz durch diese Behörde.

Dies liefe nicht nur dem Ziel dieser Richtlinie, die Familienzusammenführung zu begünstigen und dabei Flüchtlinge besonders zu schützen, sondern auch den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit zuwider. Eine solche Auslegung hätte nämlich zur Folge, dass zwei unbegleitete Minderjährige gleichen Alters, die ihren Antrag auf international Schutz zum gleichen Zeitpunkt stellen, je nach der Bearbeitungsdauer ihrer Anträge unterschiedlich behandelt werden könnten.

Im Gegensatz dazu ermögliche es das Anknüpfen an den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz, die gleiche und vorhersehbare Behandlung aller Antragsteller zu gewährleisten. In einer solchen Situation müsse jedoch der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist gestellt werden und zwar grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist (Quelle: DStGB Aktuell 1618 vom 20.04.2018)

Az.: 16.1.6

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