Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 210/2020 vom 18.02.2020

EuGH zur vergaberechtlichen Beschränkung des Nachunternehmereinsatzes

Der EuGH hat mit Urteil vom 26.09.2019 (Az.: Rs. C-63/18) entschieden, dass eine nationale Vorschrift, die den Teil des Auftrags, den der Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 Prozent beschränkt, gegen Europarecht verstößt. Das Gleiche dürfte gelten, wenn ein kommunaler Auftraggeber im Oberschwellenbereich prozentuale Begrenzungen des Nachunternehmeranteils vorgibt.

Sachverhalt

Das nationale (italienische) Recht sieht im gesetzesvertretenden Dekret Nr. 50 über öffentliche Aufträge vom 18.04.2016 vor, dass vorbehaltlich von Ausnahmeregelungen für die etwaige Vergabe von Unteraufträgen der Wert von 30 Prozent des Gesamtbetrags des Bau-, Dienstleistungs- oder Lieferauftrags nicht überschritten werden darf. Für Bauwerke wurde dies noch weiter in der Weise präzisiert, dass eine Unterauftragsvergabe 30 Prozent des Werts der Bauwerke nicht übersteigen und auch nicht ohne sachlichen Grund aufgeteilt werden darf.

Im August 2016 leitete das Unternehmen Autostrade per l'Italia ein nichtoffenes Verfahren für die Vergabe der Arbeiten zur Erweiterung der fünften Fahrspur der Autobahn A8 zwischen Mailand-Nord und der Anschlussstelle Lainate für einen Grundbetrag von 85 Millionen Euro (netto) ein. Das Unternehmen Vitali wurde vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen, weil die vom Dekret Nr. 50/2016 für die Vergabe von Unteraufträgen vorgesehene Grenze von 30 Prozent überschritten war. Dagegen erhob das Unternehmen beim regionalen Verwaltungsgericht Klage unter anderem mit dem Ziel, wieder für das Verfahren zugelassen zu werden.

Das Verwaltungsgericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit der quantitativen Beschränkung des Nachunternehmereinsatzes mit den Art. 49 und 56 AEUV und Art. 71 Richtlinie 2014/24/EU und mit dem Konzept der Verhältnismäßigkeit. Daher richtete es das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Entscheidung

Der EuGH teilt diese Zweifel und erkennt insoweit für Recht, dass die Richtlinie 2014/24/EU dahingehend auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung – wie der hier im Ausgangsfall – entgegensteht, die nämlich den Teil des Auftrags, den ein Bieter als Unterauftrag an Dritte vergeben darf, auf 30 Prozent beschränkt. Der EuGH sieht in einem solchen Nachunternehmerlimit einen Verstoß gegen den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr. Denn die Richtlinie 2014/24/EU soll dazu beitragen, diese Marktfreiheiten umzusetzen. Daher sieht Art. 63 Abs. 1 im Einzelnen ausdrücklich vor, dass Bieter sich der Kapazitäten anderer Unternehmen bedienen können, um bestimmte Kriterien für die Eignung von Wirtschaftsteilnehmern zu erfüllen. Denn so werde der Wettbewerb im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe geöffnet. Daher sind abstrakte Beschränkungen auf einen bestimmten Prozentsatz des Nachunternehmereinsatzes mit der Richtlinie unvereinbar.

Zwar sieht Art. 71 Richtlinie 2014/24/EU die Möglichkeit vor, von den Bietern Aussagen zu den Nachunternehmen und ihrem Einsatz verlangen zu können. Auch sind Ausschlussmöglichkeiten von Nachunternehmern wegen möglicher Beteiligung an kriminellen Vereinigungen, Bestechung oder Betrugs möglich. Daraus folgt aber nicht der Wille des Unionsgesetzgebers, den Rückgriff auf Nachunternehmer auf einen bestimmten Prozentsatz begrenzen zu können. Das Gericht ließ sich auch nicht von Hinweisen des Staatsrats auf die in Italien herrschenden besonderen Umstände beeindrucken, wonach die Vergabe von Unteraufträgen die Umsetzung krimineller Absichten erleichtere. Konkret mache diese 30%-Regelung es für kriminelle Organisationen wie die Mafia weniger attraktiv, diese Bereiche mit ihren Unternehmen zu infiltrieren.

Anmerkung aus kommunaler Sicht

Auch § 6d EU VOB/A 2016 bzw. § 36 VgV geben Voraussetzungen und Bedingungen des Nachunternehmereinsatzes vor. Es lässt sich aber auch daraus keine quantitative Grenze ableiten. Das ist zur Förderung des Mittelstands auch sinnvoll. Daher ist dem EuGH zuzustimmen. Wenn man Auswüchse des Nachunternehmereinsatzes eindämmen will, müssen auch Kommunen die zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente nutzen. Diese finden sich unter anderem in § 6d EU VOB/A 2016 bzw. § 36 VgV. Jedenfalls sind auf Basis der EuGH-Entscheidung auch Begrenzungen des Nachunternehmereinsatzes zumindest bei EU-Vergaben, die ein kommunaler Auftraggeber vorgibt, unwirksam.

 

Az.: 21.1.4.4-002/004 gr

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