Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 116/2019 vom 29.01.2019

EuGH zu Höchstmengen bei Rahmenvereinbarungen

Mit dem Instrument der Rahmenvereinbarung können öffentliche Auftraggeber nach einer einmaligen Ausschreibung nach Bedarf einzelne Bau- oder Lieferleistungen abrufen, ohne für diese Einzelleistungen ein eigenes Vergabeverfahren durchzuführen. Dies bietet sich z.B. bei einem wiederkehrenden Bedarf an. Der Europäische Gerichtshof hat sich mit seinem Urteil vom 19.12.2018 (Rs. C-216/17 – „Antitrust und Coopservice“) zu der Frage geäußert, ob bei einer solchen Rahmenvereinbarung schon bei der Ausschreibung eine Höchstmenge bestimmt werden muss.

Die Rahmenvereinbarung ist in der VgV, der UVgO sowie der VOB/A vorgesehen und dient der Umsetzung von Art. 33 RL 2014/24/EU („Vergaberichtlinie“). Dieser lautet: „Bei einer Rahmenvereinbarung handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die dazu dient, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge“. Sowohl in § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV als auch in § 15 Abs. 2 Satz 2 UVgO bzw. § 4a (EU) Abs. 1 Satz 2 VOB/A findet sich der Satz: „Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden.“

Gegenstand des EuGH-Urteils ist ein italienischer Fall, bei dem eine Rahmenvereinbarung über Gebäudereinigungs- und Abfallentsorgungsleistungen geschlossen worden war. Für diese Vereinbarung waren spätere Erweiterungen vorgesehen, deren Menge bei Vertragsschluss aber noch nicht absehbar war. Dies ist laut EuGH unzulässig. Er beruft sich dabei auf den Wortlaut der hier einschlägigen Vorgänger-RL, der insoweit jedoch dem aktuellen (siehe oben) entspricht.

Zwar könnte aus dem in der Richtlinie verwendeten Adverb „gegebenenfalls“ abgeleitet werden, dass die Angabe der Mengen der Leistungen, die die Rahmenvereinbarung betrifft, nur fakultativ sei. Dies widerspreche jedoch den Methoden für die Berechnung des geschätzten Auftragswerts [in Deutschland: § 3 VgV], nach denen der zu berücksichtigende Wert gleich dem geschätzten Gesamtwert ohne Mehrwertsteuer aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge sei.

Auch die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der daraus folgende Grundsatz der Transparenz verlangten, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der öffentliche Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen. Schließlich dürften Rahmenvereinbarungen auch nicht missbräuchlich oder in einer Weise angewendet werden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.

Anmerkung

Mit der Entscheidung beraubt der EuGH die vergaberechtliche Rahmenvereinbarung um einen ihrer wahrscheinlich größten Vorzüge, nämlich – im Unterschied zur Ausschreibung eines Einzelauftrags – im Vorhinein nicht unbedingt eine Gesamtmenge festlegen zu müssen. Zwar gilt auch bei der Rahmenvereinbarung das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung und sind Auftraggeber gehalten, den Leistungsumfang so genau wie möglich zu bestimmen. In Einzelfällen kann dies auch konkret festgelegte Mengen bzw. Margen erfordern, um dem Lieferanten eine hinreichende Kalkulationssicherheit zu bieten (Beispiel Tausalz, dessen Bedarf der einzelne Auftraggeber vorher nicht kennt; wenn der Bedarf jedoch eintritt, ist dies meist bei vielen Auftraggebern gleichzeitig der Fall).
 
Die bisherige Rechtsprechung hierzulande ging aber davon aus, dass ein abschließendes Auftragsvolumen grundsätzlich nicht zwingend ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.11.2011, Az. VII-Verg 90/11 und Beschl. v. 18.04.2012, Az. VII-Verg 93/11). Die gegenteilige Auslegung des EuGH ist relativ überraschend, da der Wortlaut der Richtlinie dies ebenfalls nicht vorauszusetzen scheint – wie auch die Umsetzung im deutschen Recht, das wohl fortan richtlinienkonform ausgelegt werden muss. Bis zu einer erneuten Befassung der Gerichte sollten Vergabestellen vorsorglich Höchstmengen angeben und sicherheitshalber klarstellen, dass mit deren Erreichen die Rahmenvereinbarung endet.

Az.: 21.1.1.2-001/004 os

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