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StGB NRW-Mitteilung 224/2019 vom 27.05.2019

EuGH zu Straftaten und Verlust des Flüchtlingsstatus

Das Unionsrecht sei so auszulegen, dass Flüchtlinge, die wegen schwerer Straftaten ihre Asylanerkennung verlieren, trotzdem nicht automatisch in ihr Herkunftsland abgeschoben werden dürfen. Das EU-Recht gewähre einen Schutz vor Folter und unmenschlicher Behandlung, daher sei eine Ausweisung unzulässig.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit Urteil vom 14.05.2019 entschieden (Az.: C-391/16, C-77/17 und C-78/17 M), dass die Bestimmungen der Richtlinie über Flüchtlinge in Bezug auf die Aberkennung und die Verweigerung der Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling aus Gründen, die mit dem Schutz der Sicherheit oder der Allgemeinheit des Aufnahmestaats zusammenhängen, gültig sind.

Die Aberkennung und die Verweigerung der Zuerkennung der Rechtsstellung als Flüchtling haben nicht zur Folge, dass eine Person, die eine begründete Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland hat, die Eigenschaft als Flüchtling oder die Rechte, die das Genfer Abkommen an diese Eigenschaft knüpft, verliert. Die Anerkennung als Flüchtling nach der Richtlinie habe einen rein deklaratorischen und keinen für diese Eigenschaft konstitutiven Charakter.

Flüchtlingseigenschaft aberkannt

Die Kläger des Ausgangsverfahrens stammen aus dem Kongo, der Elfenbeinküste beziehungsweise Tschetschenien. Ihnen wurde in Belgien und in der Tschechischen Republik die Flüchtlingseigenschaft aberkannt beziehungsweise deren Zuerkennung verweigert, weil sie nach EU-Richtliniengesichtspunkten eine Gefahr für die Sicherheit beziehungsweise die Allgemeinheit des Aufnahmestaates darstellten.

Die Gerichte hegten Zweifel daran, ob die Bestimmungen der Richtlinie, nach denen die Mitgliedstaaten die Rechtsstellung als Flüchtling aus den in Rede stehenden Gründen aberkennen und ihre Zuerkennung verweigern dürften, nicht einen Erlöschens- oder Ausschlussgrund enthielten, der im Genfer Abkommen nicht vorgesehen sei. Die Gerichte wollten daher vom Gerichtshof wissen, ob die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie im Licht der Regeln der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und des AEUV, nach denen die Asylpolitik der EU das Genfer Abkommen zu achten habe, gültig seien.

Ausweisung teilweise ausgeschlossen

Der Gerichtshof hat entschieden, dass die fraglichen Bestimmungen gültig sind und hat dabei betont, dass die betreffende Richtlinie das Genfer Abkommen stützt und dessen uneingeschränkte Wahrung sicherstellen soll. Die in der Richtlinie vorgesehenen Gründe für Aberkennung und Verweigerung der Flüchtlingseigenschaft entsprächen den Gründen, die das Genfer Abkommen anerkennt.

Sollte ein Flüchtling nach den im Genfer Abkommen genannten Gründen seinen Schutz vor der Zurückweisung in ein Land, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht seien verlieren, sei die Richtlinie unter Achtung der in der Charta verankerten Rechte so auszulegen und anzuwenden, dass eine Zurückweisung in ein solches Land abzulehnen sei, wenn Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Strafen und Behandlungen für die betreffenden Person oder das ernsthafte Risiko einer solchen Behandlung drohen.

Umfassender Schutz

Soweit die Richtlinie zur Sicherstellung des Schutzes der Sicherheit und der Allgemeinheit des Aufnahmemitgliedstaats vorsehe, dass dieser Staat die Rechtsstellung als Flüchtling aberkennen oder die Zuerkennung dieser Rechtsstellung verweigern könne, während das Genfer Abkommen aus denselben Gründen die Zurückweisung eines Flüchtlings in einen Staat, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind, zulasse, gewähre das Unionsrecht den betreffenden Flüchtlingen einen weiteren internationalen Schutz als denjenigen, der durch das Abkommen gewährleistet werde. Eine solche Person genieße jedoch nicht mehr alle in der Richtlinie garantierten Rechte und Leistungen.

Anmerkung

Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass das Unionsrecht hier aus der humanitären Tradition der EU-Grundrechte-Charta der Abschiebung selbst von straffällig gewordenen Flüchtlingen absolute Grenzen setzt. Dieses Abschiebehindernis bedeutet keine Straffreiheit nach den Vorschriften des jeweiligen Aufnahmestaates.

Das Urteil zeigt wie wichtig Rückführungsabkommen mit Drittstaaten sind, da in diesen Abkommen Mindeststandards für zurückgeführte Personen festgeschrieben werden können. Gerade aufgrund der hohen Hürden, die das EU-Recht hier setzt, müssen die Bemühungen für den Abschluss solcher Abkommen intensiviert werden. (Quelle: DStGB Aktuell 2019 vom 17.05.2019)

Az.: 16.1.11-002/004

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