Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 458/2019 vom 05.07.2019

Europäischer Gerichtshof zu Messmethoden für Luftqualität

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26.06.2019 entschieden, dass bei der Messung von Luftschadstoffen bereits vereinzelte Überschreitungen von Grenzwerten gegen EU-Recht verstoßen. Entscheidend seien die Werte an individuellen Messstationen, nicht Mittelwerte, so die Richter (Rs. C-723/17).

Im konkreten Fall hatten Einwohner der Stadt Brüssel und eine Umweltorganisation belgische Behörden auf die Erstellung eines ausreichenden Luftqualitätsplans und die Einrichtung der nötigen Messstationen verklagt. Das zuständige belgische Gericht verwies den Fall an den EuGH.

Zum einen legte der EuGH in seiner Entscheidung fest: Auch wenn nur an einer Station überhöhte Werte von Feinstaub, Stickstoffdioxid oder anderen Luft-Schadstoffen gemessen werden, reicht das aus, um eine Überschreitung der Grenzwerte festzustellen und entsprechend zu handeln. Die Bestimmung eines Mittelwerts aus den Ergebnissen aller Stationen in einer Stadt oder einem Ballungsraum liefere „keinen zweckdienlichen Hinweis“ auf die Schadstoffbelastung der Bevölkerung, so der EuGH.

Darüber hinaus machten die Richter Vorgaben zur Platzierung der Messstationen. Diese müssen so eingerichtet werden, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Orte liefern. Die Standorte müssen daher so gewählt werden, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert wird.

In Deutschland wird die Konzentration von Stickstoffdioxid (NO2) an rund 550 Stationen gemessen. Die Messstellen sind je nach Standort in Kategorien eingeteilt. Die meisten Standorte weisen unproblematische Werte auf. Sie stehen im ländlichen Raum, aber auch in ruhigeren Stadt- und Industriegebieten. Einzig Stationen mit den Merkmalen „städtisch verkehrsnah“ liegen über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel.

In Deutschland hat die Kommission 28 Gebiete mit anhaltender NO2-Grenzwert-überschreitung angemahnt, davon 11 in NRW. In diesen Gebieten wird der Jahresgrenzwert in 31 Kommunen überschritten.

Anmerkung

Die Auslegung der geltenden Regeln durch den EuGH gilt nun für alle EU-Mitgliedsstaaten und damit auch für Deutschland. Gerichte dürfen danach die Standorte der Messstellen für Luftschadstoffe überprüfen und gegebenenfalls auch Änderungen anordnen. Mehrfach wiesen die Richter darauf hin, dass jeder Bürger gerichtlich überprüfen lassen kann, ob Messstationen an einem zulässigen Standort im Sinne der EU-Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft stehen. Stehen sie an einem ungeeigneten Ort, könnten die nationalen Gerichte die zuständigen örtlichen Messbehörden anweisen, sie umzustellen.

Die vorstehende EuGH-Einschätzung dürfte zu einer weiteren Verkomplizierung und Streitanfälligkeit kommunaler Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität beitragen. Angesichts der bereits heute ausgesprochenen Fahrverbote in einzelnen Städten und deren zweifelhafter Wirkung ist zu befürchten, dass Einzelklagen gegen Messstandorte zu weiteren Unsicherheiten in den Kommunen führen werden.

Auf Basis des Urteils bedarf es nun klarer und einheitlicher Kriterien auf Bundesebene hinsichtlich der Aufstellung von Messstationen sowie deren Auswertung. Darüber hinaus darf es bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen keine weiteren Blockaden sowie bürokratische Hürden geben.

Im Gegenteil: Saubere Luft ist nicht mit Fahrverboten, sondern nur mit sauberer Mobilität zu erreichen. Daher brauchen Städte und Gemeinden zügig die richtigen Rahmenbedingungen, um eine Verkehrs-, Klima- und Umweltschutzpolitik betreiben zu können, die die Gesundheit der Bürger schützt und die Lebensqualität verbessert. Notwendig sind massive Investitionen in den Öffentlichen Personennahverkehr, den Ausbau der Radinfrastruktur und die Digitalisierung der Verkehrssysteme sowie eine Bekämpfung der Schadstoffe an der Quelle.

Auch die Automobilindustrie muss ihren Beitrag leisten, indem sie die Nachrüstung der betroffenen Diesel-PKW technisch und wirtschaftlich vorantreibt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert deshalb einen Aktions- und Investitionsplan Luftreinhaltung des Bundes. Fahrverbote stellen weiterhin keine Lösung dar.
Das Urteil im Volltext kann im Internet abgerufen werden unter http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf .

Az.: 27.2.1-001/003

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