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StGB NRW-Mitteilung 171/2019 vom 05.04.2019

Europäischer Gerichtshof zu Rücküberstellung von Asylsuchenden

Der EuGH hat mit mehreren Urteilen die rechtlichen Hürden für sog. Dublin-Rücküberstellungen von Asylbewerbern, die mehrere Anträge in der EU gestellt haben, abgesenkt. Diese dürfen nur dann nicht in den Mitgliedstaat zurücküberstellt werden, der für die Bearbeitung ihres Antrags zuständig ist oder ihnen bereits subsidiären Schutz gewährt hat, wenn sie dort in extreme materielle Not versetzt werden würden, die gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoße. Mängel im Sozialsystem rechtfertigen dies für sich genommen dagegen nicht.

Zudem stellt der EuGH klar, dass für eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf max. 18 Monate genüge, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der Frist von sechs Monaten den zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt. Das Urteil ist aus kommunaler Sicht zu begrüßen. Es schafft konsequente Regeln im europäischen Asylrecht im Umgang mit sogenannten Dublin-Fällen. Die Rückführungspraxis muss trotz steigender Rücküberstellungszahlen dringend weiter beschleunigt und Rückführungshindernisse, etwa durch die fehlende Mitwirkung der Betroffenen sowie einzelner EU-Staaten, beseitigt werden.

Hintergrund der EuGH-Entscheidung sind mehrere Fälle, bei denen deutsche Gerichte den Gerichtshof um Auslegung der EU-Asylregeln, insbesondere der sogenannten Dublin-III-Verordnung gebeten hatten (Az.: C-163/17 und C-297/17, C-318/17, C-319/17, C-438/17). Nach der Dublin-Regel ist grundsätzlich das Land für Asylbewerber zuständig, in dem diese zuerst europäischen Boden betreten haben. Asylbewerber, die unerlaubt weiterreisen, können in der Regel innerhalb von sechs Monaten in ihr Ankunftsland zurückgeschickt werden.

In einem der Fälle (C-163/17, Jawo) beantragte ein Gambier in Italien erstmals Asyl. Er reiste weiter nach Deutschland und stellte hier einen weiteren Asylantrag. Die deutschen Behörden lehnten den Antrag als unzulässig ab und ordneten die Abschiebung nach Italien an. Ein Überstellungsversuch nach Italien scheiterte jedoch, weil der Ausgangskläger in seiner Gemeinschaftsunterkunft nicht anwesend war. Er argumentierte, seine Abschiebung sei unzulässig, weil die Bedingungen für Asylbewerber und die Verhältnisse für Flüchtlinge in Italien systematische Schwachstellen aufwiesen. Deutschland sei für den Asylantrag zuständig geworden, weil die in der Dublin-III-Verordnung vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen sei.

Der VGH Baden-Württemberg bat den EuGH deshalb um Auslegung der Dublin-Regeln. Zudem wollten die Richter wissen, welche Regeln gelten, wenn ein wegen mangelnder Zuständigkeit abgelehnter Asylbewerber nicht abgeschoben werden kann, weil er unauffindbar ist.

In den übrigen Rechtssachen wurde staatenlosen Palästinensern aus Syrien in Bulgarien sowie einem russischen Staatsangehörigen, der nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit ist, in Polen subsidiärer Schutz gewährt. Sie stellten später in Deutschland neue Asylanträge, die abgelehnt wurden. Dagegen klagten sie bei deutschen Gerichten.

In den Rechtssachen bezüglich der staatenlosen Palästinenser rief das Bundesverwaltungsgericht den EuGH an und wollte wissen, ob ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden dürfe, wenn die Lebensbedingungen von Personen mit subsidiären Schutzstatus in einem anderen EU-Staat als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzusehen seien, oder sie dort keine oder im Vergleich zu anderen EU-Staaten nur deutlich eingeschränkte existenzsichernde Leistungen erhielten, ohne jedoch anders als Angehörige des Mitgliedstaats behandelt zu werden.

Der EuGH stellt klar, dass ein Asylantragsteller in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt oder ein Asylantrag bei bereits zuvor in einem anderen EU-Staat gewährtem subsidiären Schutz als unzulässig abgelehnt werden darf, es sei denn, der Antragsteller geriete in dem anderen Mitgliedstaat unfreiwillig in eine Situation extremer materieller Not. Der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger seien als in dem Mitgliedstaat, der normalerweise für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei oder bereits subsidiären Schutz gewährt habe, könne jedoch nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in diesen Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren.

Der Gerichtshof verweist dennoch auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, auf dem das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruhe. Es gelte die Vermutung, dass Personen, die Asyl beantragt hätten oder denen subsidiärer Schutz gewährt worden sei, in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta, der Genfer Konvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten behandelt werden. Dennoch müsse das Gericht, das über einen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder im Fall eines als unzulässig abgelehnten neuen Asylantrags zu entscheiden habe, jeden Fall genau prüfen.

Für eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf höchstens auf 18 Monate genüge es, dass der ersuchende Mitgliedstaat vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat darüber informiert, dass die betreffende Person flüchtig ist, und zugleich die neue Überstellungsfrist benennt (Quelle: DStGB aktuell 1319-01).

Az.: 16.1.5-001

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