Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 335/2020 vom 01.04.2020

Erhebung von Beitrags- und Gebührenforderungen

Aufgrund der angeordneten Schließungen von Geschäften (z. B. Gastwirtschaften) haben einige Industrie- und Gewerbebetriebe, die von einer Betriebsschließung betroffen sind, bei den Städten und Gemeinden beantragt, anstehende Abschlagszahlungen auf Benutzungsgebühren auszusetzen.

1. Abschlagszahlung

Eine Abschlagszahlung liegt dann vor, wenn eine Benutzungsgebühr auf der Grundlage der Gebührensatzung für das gesamte Gebührenerhebungsjahr im Vorhinein erhoben wird (sog. antizipierte Gebührenerhebung). Gleichwohl ist es üblich, dass die gesamte Jahres-Benutzungsgebühr nicht auf einmal in voller Höhe nach dem Zugang des Gebührenbescheides entrichtet werden muss, sondern - z. B. aufgeteilt in 4 Teilbeträgen zur jeweiligen Quartalsmitte (15.2, 15.5, 15.8 und 15.11 des Jahres) - durch den Gebührenschuldner (grundsätzlich der Grundstückseigentümer und nicht der Mieter/Pächter) zu zahlen ist.

2. Herabsetzung von Vorausleistungen (§ 6 Abs. 4 KAG NRW)

Die Abschlagszahlung ist von der Vorausleistung (§ 6 Abs. 4 KAG NRW) zu unterscheiden.

Es besteht keine Pflicht, Vorausleistungen zu erheben. Werden Vorausleistungen erhoben, so wird z. B. bei der Schmutzwassergebühr (Gebührenmaßstab: Frischwasser/Trinkwasser = Schmutzwasser) auf der Grundlage des letzten (bekannten) Jahres-Wasserverbrauches satzungsrechtlich vorgegeben z. B. quartalsweise oder alternativ alle 2 Monate eine Vorausleistung erhoben. Nach Ablauf des Gebührenerhebungsjahres wird im Folgejahr eine Endabrechnung auf der Grundlage des dann vorliegenden aktuellen Jahres-Wasserverbrauches vorgenommen. Diese Endabrechnung ist Pflicht. Außerdem entsteht die Benutzungsgebühr bei der Erhebung von Vorausleistungen satzungsrechtlich erst zum 31.12 des Jahres und nicht wie bei der antizipierten Gebührenerhebung zum 01.01 eines Jahres (vgl. Brüning in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 6 KAG NRW Rz. 238 ff.; Queitsch in: Hamacher/Lenz/Menzel/Queitsch, u.a., Kommunal-abgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, Vorbemerkungen zu § 6 KAG NRW Rz. 44).

Es besteht bei Vorausleistungen gleichwohl die Möglichkeit, diese (vorübergehend) herabzusetzen, weil die Gebühr erst im Folgejahr im Wege der Endabrechnung endgültig festgesetzt wird. Waren die gezahlten Vorausleistungen zu niedrig, so muss eine Nachzahlung erfolgen. Waren die gezahlten Vorausleistungen zu hoch, so erfolgt im Rahmen der endgültigen Festsetzung eine Erstattung (vgl. hierzu: § 9 der Muster-Abwassergebührensatzung des StGB NRW – Stand: 12.09.2016).

3. Stundung von Abschlagszahlungen

Bei Abschlagszahlungen ist grundsätzlich eine Stundung möglich. Für die Erhebung kommunaler Benutzungsgebühren (Wassergebühr, Abfallgebühr, Schmutzwassergebühr, Niederschlagswassergebühr) finden über § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG NRW die Rechtsvorschriften der Abgabenordnung des Bundes (AO) Anwendung. Die Stundung ist in § 222 AO geregelt. Die Stundung ist abzugrenzen vom Erlass (§ 227 Abgabenordnung).

Billigkeitsentscheidungen wie z. B. die Stundung sind grundsätzlich getrennt von einem Gebührenbescheid zu sehen, d.h. sie müssen nicht sogleich mit dem Gebührenbescheid verbunden werden, sondern können auch nachträglich in einem gesonderten Verwaltungsverfahren auf Antrag gewährt werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 02.12.2009 – Az.: 15 A 2367/09 - ; OVG NRW, Urteil vom 05.10.2006 – Az.: 15 A 2922/04, OVG NRW, Urteil vom 04.12.2001 – Az.: 15 A 5566/99 – jeweils zum Beitragsbescheid; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 12 KAG NRW Rz. 18 d).

Die Stundung ist ein Verwaltungsakt, der die Fälligkeit der Gebühren- und Beitragsschuld hinausschiebt. Mit einem Erlass wird hingegen die Gebührenforderung endgültig aufgehoben. In Anbetracht der Tatsache, dass es aktuell um anstehende Zahlungspflichten geht, die für die Benutzung der öffentlichen Versorgungseinrichtungen (Wasserversorgung) und Entsorgungseinrichtungen (Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung, Abfallentsorgung) zu zahlen sind, kommt zunächst die Stundung und nicht ein Erlass in Betracht.

3.1  Stundung statt Erlass

Mit der Stundung wird die Fälligkeit der Gebührenzahlung (das Zahlungsgebot) lediglich hinausgeschoben, so dass Geldzahlungen bis zum Ablauf der Stundung zurzeit nicht zu leisten sind. Eine Stundung ist auch deshalb dem Erlass vorzuziehen, wenn eine zeitlich befristete Situation (z. B. die Corona-Pandemie) vorliegt und durch eine Stundung die vorübergehend bestehende, besondere Härte (z. B. keine Einnahmen / kein Einkommen) wegen einer vom Staat angeordneten Betriebsschließung abgemildert werden kann.
Hingegen ist der Erlass endgültig, d. h. die Beitrags- und Gebührenforderung ist nicht mehr (auch in der Zukunft) zu zahlen. Dieses ist mit Blick auf alle anderen Beitrags- und Gebührenschuldner grundsätzlich zurzeit nicht als vertretbar anzusehen.

Hinzu kommt, dass der Erlass im Zweifelsfall zu Lasten des allgemeinen Haushalts geht, weil fraglich ist, ob die durch den Erlass bewirkten Einnahmeausfälle durch die Gemeinde ausgleichbar sind (§ 6 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW – Ausgleich von Gebührenunterdeckungen), es sei denn, die Ist-Abrechnung 2021 bezogen auf die Gebührenkalkulation 2020 würde ergeben, dass eine Änderung der Maßstabseinheiten (der Inanspruchnahme) im Jahr 2020 vorgelegen hat. Kostenunterdeckungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW können grundsätzlich dann entstehen, wenn sich nachträglich (nach Ablauf des Jahres 2020) herausstellt, dass die für den Erhebungszeitraum 2020 im Jahr 2019 kalkulierten Kosten oder die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung (Maßstabseinheiten) höher oder niedriger ausgefallen sind, als dieses prognostiziert worden ist bzw. werden konnte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2011 – Az. 9 A 693/09- und 30.11.2010 – Az. 9 A 1579/98).

Das OVG NRW (Beschluss vom 20.01.2010 – Az. 9 A 1469/08-) hat entschieden, dass eine schlichte Einnahme-/Überschussrechnung, d. h. ein Vergleich von tatsächlich erzielten Einnahmen und tatsächlichen Ausgaben ein- und desselben Jahres unzulässig ist, denn § 6 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW setzt eine kalkulationsbedingte Differenz zwischen Sollergebnissen (Gebührenkalkulation) und Ist-Ergebnissen (Ist-Abrechnung nach den tatsächlich angefallenen Kosten) voraus. Dieses bedeutet, dass eine ordentliche Gebührenkalkulation zu erstellen ist und nach Ablauf des Gebührenerhebungsjahres eine so genannte Ist-Abrechnung durchzuführen ist. Dabei sind bewusst herbeigeführte Unterdeckungen unzulässig und nicht ausgleichbar (so: OVG NRW, Beschluss vom 30.10.2001 – Az. 9 A 3331/01-; OVG NRW, Urteil vom 20.01.2010 – Az. 9 A 1469/08). Vor diesem Hintergrund ist die schlichte „Einnahmeseite“ grundsätzlich nicht von Bedeutung, so dass fraglich ist, ob ein Erlass über die Regelung des Ausgleiches von Unterdeckungen in § 9 Abs. 2 Satz 3 KAG NRW ausgleichsfähig ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn sich bei der Ist-Abrechnung eine Veränderung der in der Gebührenkalkulation angesetzten Maßstabseinheiten ergibt. Zumindest hat das OVG NRW (Urteil vom 27.04.2015 – Az.: 9 A 2813/13 – S. 23 ff. der Urteilsgründe – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de) klargestellt, dass nachträglich entstandene Überkapazitäten (z. B. der Rückgang von Abfallmengen), die nicht ihre Ursache in einer sachwidrigen Planung finden, das Risiko des Gebührenzahlers sind, weil die Gemeinde im Rahmen der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Entsorgungspflicht gehalten ist, Kapazitätsreserven einzuplanen, damit die Entsorgungssicherheit gewährleistet ist.

Vor diesem Hintergrund ist die Stundung deshalb insgesamt dem Beitragserlass eindeutig vorzuziehen.

3.2 Ratenzahlung

Alternativ zur Stundung kommt auch noch die Gewährung einer Ratenzahlung in Betracht, wobei in dem Verwaltungsakt über die Gewährung der Ratenzahlung ein eindeutiger Vorbehalt des Widerrufs für den Fall enthalten sein muss, dass die Raten nicht pünktlich gezahlt werden (so: OVG NRW, Beschluss vom 05.06.2019 – Az.: 9 E 264/19 – abrufbar unter: www.justiz.nrw.de).

3.3 Stundungszinsen

Es kann auch von Stundungszinsen abgesehen werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG NRW in Verbindung mit § 234 Abs. 2 Abgabenordnung). Zwar gibt über § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b KAG NRW i. V. m. § 234 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung vor, dass für die Dauer der gewährten Stundung Zinsen zu erheben sind. Der Zinssatz beträgt gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung 1/2 Prozent pro Monat. In § 234 Abs. 2 Abgabenordnung ist aber ebenso geregelt, dass auf Zinsen ganz oder teilweise verzichtet werden kann, wenn deren Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Persönliche Billigkeitsgründe liegen z. B. bei Naturkatastrophen vor. Hierzu kann grundsätzlich auch eine vom Beitrags- und Gebührenpflichtigen nicht zu vertretende wirtschaftliche Notlage in Folge der Corona-Pandemie gehören, wenngleich eine erst durch die Beitrags- und Gebührenpflicht selbst bewirkte wirtschaftliche Notlage grundsätzlich nicht genügen soll (vgl. Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 14. 2018, § 234 Abgabenordnung, Rz. 28). Es ist deshalb grundsätzlich möglich, eine zinslose Stundung durch Verwaltungsakt zu gewähren. Bei einem Stundungsverwaltungsakt sollte immer ein Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs beigefügt werden. Das Ende der Stundung sollte nicht an eine auflösende Bedingung geknüpft werden, weil dann die Gefahr besteht, dass die Gemeinde vom Eintritt der auflösenden Bedingung keine Kenntnis erhält. Insoweit könnte dann Zahlungsverjährung eintreten (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 lit a. KAG NRW i. V. m. § 228 AO). Ein Widerrufsvorbehalt bildet somit die Grundlage dafür, um eine gewährte Stundung jederzeit durch die Gemeinde widerrufen zu können (§ 12 Abs. 3 b KAG NRW in Verbindung mit den §§ 130, 131 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung). Eine Stundung kann darüber hinaus dann zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen entfallen sind (§ 131 Abs. 2 Nr. 3 Abgabenordnung) oder eine mit der Stundung verbundene Auflage nicht erfüllt wurde (§ 131 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung).

Az.: 25.0.9/24.1.2.1 qu

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